Großbritannien / Diskussionen über Konsequenzen aus den rassistischen Krawallen
Harte Gefängnisstrafen gegen Randalierer sowie der entschlossene Widerstand der Zivilgesellschaft scheinen ihre Wirkung getan zu haben: In Großbritannien ist die Welle der von Rechtsextremisten angeheizten Ausschreitungen übers Wochenende abgeebbt.
Unter den Angeklagten vor den Gerichten des Landes befinden sich zunehmend nicht nur Steinewerfer und Brandstifter, sondern auch Internet-Hasspredigerinnen und Verbreiter von Fake News. Die politische Diskussion konzentriert sich auf die Frage, ob Gesetzesverschärfungen gegen Tech-Plattformen wie Meta, X und Telegram nötig sind.
Die Regierung bleibe auch weiterhin „in hoher Alarmbereitschaft“, teilte ein Sprecher der Downing Street am Montag mit. Man sehe die Aufgabe erst als erledigt an, „wenn sich die Leute wieder sicher fühlen“. Labour-Premier Keir Starmer hat seinen geplanten Urlaub abgesagt, pendelt aber zwischen seinem Amtssitz und der Sommerresidenz Chequers.
Mehr als 900 Festnahmen, 466 Anklagen und Dutzende von Verurteilungen – die Sicherheitskräfte und die Justiz haben in den vergangenen Tagen auf Hochtouren gearbeitet, um weiterer rassistischer Gewalt einen Riegel vorzuschieben. Auch am Montag mussten sich wieder viele Randalierer vor Gericht verantworten. Dazu zählte ein 12-jähriger Knabe, der in Southport Steine auf die Polizei geworfen hatte. Die Stadt nördlich von Liverpool war vor vierzehn Tagen Schauplatz der ersten Ausschreitungen – eine Reaktion auf den Amoklauf eines 18-Jährigen mit drei toten Mädchen zwischen sechs und neun Jahren sowie zehn Schwerverletzten.
Dass es zur Serie von Krawallen kam, haben nicht zuletzt Schreibtischtäter zu verantworten, die online Falschmeldungen verbreiteten oder zu Rassenhass aufriefen. Dazu zählt eine 55-jährige Geschäftsfrau und „Gesellschaftskommentatorin“. Wenige Stunden nach der entsetzlichen Bluttat von Southport teilte sie auf X, vormals Twitter, mit: „Der Tatverdächtige heißt Ali Al-Shakati. Er kam als Asylbewerber im vergangenen Jahr mit dem Boot ins Land und stand auf einer Beobachtungsliste von MI6.“ Das war falsch von Anfang bis Ende: Der mutmaßliche Täter heißt Axel Rudakubana, er war als Kind ruandischer Flüchtlinge in Wales geboren, die Geheimdienste – zuständig wäre gegen Islamisten im Land eigentlich der MI5, nicht der Auslandsdienst MI6 – kannten ihn nicht.
„Hotels mit Bastarden in Brand stecken“
Gegenüber der Times wies die Falschmelderin auf ihre salvatorische Klausel hin: „Wenn das wahr ist, wird’s rundgehen“ (if this is true all hell is about to break loose). Die Einschränkung bewahrte die Geschäftsfrau am Freitag nicht vor der Festnahme wegen der „Aufstachelung zum Rassenhass“.
Derselbe Paragraf liegt der Verurteilung eines 28-Jährigen zu 20 Monaten Freiheitsstrafe zugrunde. Der Mann aus Leeds hatte zum Angriff auf ein Asyl-Hotel in seiner Heimatstadt aufgerufen. Das Krongericht von Northampton schickte einen 38-Jährigen für drei Jahre ins Gefängnis, weil er dazu aufgerufen hatte, „alle solche Hotels mit diesen Bastarden in Brand zu stecken“. Der Original-Post auf X mit dieser Aufforderung stammte von einer Kinderfrau, 41, deren Verurteilung noch aussteht.
In Haft befindet sich auch der Gewerkschaftler und frühere Labour-Kommunalpolitiker Ricky Jones. Der 57-Jährige hatte am Rande der Anti-Rassismus-Kundgebung in Walthamstow vergangene Woche dazu aufgerufen, „allen Nazis die Kehle durchzuschneiden“. Obwohl die entsprechenden Filmaufnahmen eindeutig sind, bekannte sich Jones bisher nicht schuldig – Voraussetzung für die raschen Verurteilungen vieler anderer Angeklagter. Zu diesen zählt ein 25-Jähriger aus der mittelenglischen Stadt Derby. Der Rumäne hatte auf TikTok ein Filmchen veröffentlicht und dabei behauptet, er müsse vor „extremen rechtsradikalen“ Randalierern „um mein Leben rennen“. Er erhielt wegen Verbreitung „einer Falschmeldung mit dem Ziel, Schaden anzurichten“, eine Haftstrafe von drei Monaten.
Muss auch Elon Musk Verurteilung fürchten
Nach demselben Paragrafen müsste sich wohl auch X-Besitzer Elon Musk vor einer Verurteilung fürchten. Der Milliardär faselte auf seinem X-Account nicht nur von einem „unausweichlichen Bürgerkrieg“ auf der Insel. Er leitete an seine knapp 194 Millionen ein gefälschtes Bild von Starmer in Nazi-Uniform ebenso weiter wie Posts von bekannten Rechtsextremisten. Darunter befand sich die Fälschung eines Telegraph-Artikels, verbreitet durch die Co-Chefin der Partei Britain First. Darin wird die offenkundig absurde Behauptung verbreitet, die Regierung wolle Randalierer in „Internierungslagern auf den Falkland-Inseln“ unterbringen.
Schon hat Premier Starmer mitgeteilt, seine neue Regierung müsse nach den vielfach online geschürten Unruhen „etwas genauer auf die sozialen Medien schauen“. X, Facebook und YouTube bieten nach zeitweiligem Verbot bekannten rechtsextremen Organisationen wie der English Defence League (EDL), Britain First sowie Patriotic Alternative wieder eine Plattform. Ein demnächst in Kraft tretendes Gesetz der Vorgängerregierung enthält zwar Paragrafen, mit denen die Plattformen zu härterem Vorgehen gegen Hassprediger und Aufwiegler gezwungen werden können. Hingegen bleiben Konsequenzen für die Verbreiter von Fake News aus. Dies könnte sich nach den Ereignissen der vergangenen zwei Wochen ändern.
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