Im Zeichen des Zeitgeistes / Domaines Vinsmoselle setzen auf neue Marken, Welten und Investitionen
Da, wo es im 19. Jahrhundert Edmond de la Fontaine gemütlich hatte, empfängt Patrick Berg (49), der Geschäftsführer der Genossenschaft „Vinsmoselle“. Zwischen Parkettboden, historischen Canapés und heimischer Geschichte im Schloss von Stadtbredimus, wo das luxemburgische Traditionsunternehmen seit 1971 den Verwaltungssitz hat, arbeitet es an seiner Zukunft. Marken und ihre Welten verbunden mit Investitionen entsprechen dem Zeitgeist.
In einem Regal mit kunstvollen Schnitzereien, die fast schon musealen Charakter haben, steht das Kompendium „Ampélographie“ der Editions Jeanne Laffitte. Die sieben großformatigen, mit Leder eingeschlagenen, weinroten Bände mit der goldenen Schrift fallen auf. Die 3.220 Seiten sind die Basis jedes Wissens über Wein und beschreiben die Blätter der unterschiedlichen Weinpflanzen.
Seit 2015 leitet Patrick Berg (49) die Geschäfte der Genossenschaft, die es gefühlt schon immer an der Mosel gibt. Vier Jahre nach seinem Amtsantritt überdenkt das Unternehmen sich selbst und gibt sich einen „Masterplan”. Marken und ihre Welten sind seitdem die Verkaufsstrategie. Sechs Millionen Liter verlassen im Durchschnitt jedes Jahr die Kellereien des Unternehmens in alle Welt.
Davon entfallen 900.000 Liter auf Crémant und 5.100.000 Millionen Liter auf Stillweine, die aber nur zwei Drittel des Umsatzes ausmachen. Acht Millionen Euro setzt das Unternehmen alleine mit dem Schaumwein Crémant um. Das Produkt liegt mit dem Namen auf Linie mit dem Anspruch auf Tradition. Es ist nach dem ersten Präsidenten der Genossenschaft, Paul Faber, benannt.
Tradition braucht manchmal frischen Wind
Da es in Trier den „Faber-Sekt“ gibt, wurde der Name ins Französische übersetzt. „Poll-Fabaire“ symbolisiert zugleich die Verbundenheit des Landes mit französischer Genusskultur. In all seinen Facetten hat er seitdem einen wahren Siegeszug hinter sich – nicht nur vor den Kaminen jahrhundertealter Gebäude. Die nach dem ehemaligen Schlossbewohner benannte Pinot-Noir-Weinlinie „Edmond de la Fontaine“ reiht sich ins Traditionsbewusstsein ein.
Damals nicht absehbar ist, dass das mit der „Appellation d’origine Crémant de Luxembourg“ ausgezeichnete Produkt zur inländischen „Cash-Cow“ avanciert. Luxemburg ist mit 75 bis 80 Prozent Absatz immer noch der Hauptmarkt, obwohl gerade die nationale Airline ihre jährliche Order gestoppt hat. „Unglücklich“, kommentiert Berg und sagt, dass es aber Verhandlungen gibt. Ein vierseitiges Lastenheft definiert als Charta die Qualität des Erzeugnisses, das dem Pendant in der Champagne (F) in nichts nachsteht.
30 Jahre ist es nun her, seit es diese Charta gibt und eigentlich wäre CEO Berg jetzt damit beschäftigt, die Feiern im November vorzubereiten. Daraus wird vorerst nichts. Das bleibt aber der einzige größere Rückschlag, den das Unternehmen angesichts der Pandemie hinnehmen muss. „10 Prozent“, sagt Berg zur Corona-bedingten Umsatzeinbuße im Geschäftsjahr 2020.
Personalisierte Produkte
Der beträgt im Durchschnitt 24 Millionen Euro jährlich, das Unternehmen beschäftigt 120 Mitarbeiter. Nur auf Tradition zu setzen, reicht nicht mehr. Der Zeitgeist fordert einen Tribut. Den bringen die Jungwinzer, die etwa ein Viertel der Genossenschaftslieferanten stellen und diemit ihren Produkten die traditionellen Linien bereichern. Mit von Designern gestalteten Etiketten treten sie jung, frech und experimentell auf.
Eine weitere Markenwelt, die mit dem Masterplan entstanden ist, ist erst seit November 2019 auf dem Markt und noch im Aufbau. Unter dem Namen „Les Vignerons de la Moselle“ personalisiert das Unternehmen seine Produkte. Die Konterfeis der Winzer auf den Flaschen geben dem Inhalt eine regionale Note und halten der Anonymität der Globalisierung etwas entgegen.
Trauben aus der Region, von 200 Winzern aus der Region, in Luxemburg verarbeitet und gekeltert, passt mehr denn je in die Zeit. Den Zeitgeist komplettiert eine Restrukturierung im Sinne des Zusatzes „ökologisch“. Für vier Millionen Euro bauen die „Domaines Vinsmoselle”“derzeit ihr Lager in Wellenstein aus.
Vier Millionen Euro Investitionen
Die 2.800 zusätzlichen Quadratmeter, die dort entstehen, sind fast doppelt so groß wie die ehemalige Lagerfläche in Stadtbredimus, die verkauft ist. In Wellenstein wird zukünftig der Crémant zentral etikettiert, bevor er in den Verkauf kommt. Das verkürzt interne Lieferschritte und verbessert die Ökobilanz.
CEO Berg spricht von 14 bis 15 Tonnen CO2 jährlich, die dadurch eingespart werden. Auf dem Dach soll Fotovoltaik zur Stromversorgung an der Mosel beitragen. Als die Genossenschaft 1921 gegründet wurde, waren „Marken“ und deren „Welten“ oder ökologische Standards als Politur fürs Image undenkbar.
100 Jahre später residiert die Verwaltung zwar in historischem Ambiente, denkt aber modern. Dennoch hat sich über all die Zeit etwas nicht geändert: Auf Rebsorten reine Weine zu setzen, ist und bleibt die DNA der „Vinsmoselle“. Das wird bei den neuen Produkten, die Unternehmenschef Berg im Jubiläumsjahr in Aussicht stellt, nicht anders sein.
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Die Vinsmoselle wollen hoch hinaus, setzen gleich auf neue Welten wobei es nur eine gibt. Es sei denn….Prost allemal!