Liberale / DP-Fraktion kehrt soziale Ader ihrer Partei hervor
Die DP-Fraktion zieht eine erste Bilanz ihrer Parlamentsarbeit. Dass die Liberalen der Juniorpartner einer vor allem an Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftsfreundlichkeit orientierten Regierung sind, tritt dabei in den Hintergrund.
So wie die gesellschaftliche Mitte gemeinhin als „guter“ Gegenpol zu extremistischen Randerscheinungen gilt, so steht die politische Mitte als sicherer Ruhepol im Vergleich zu extremistischen Parteien der Linken wie auch der Rechten. Dabei handelt es sich um einen äußerst dehnbaren Begriff. „Die Mitte“ werde oft als „Ort der Sicherheit und Beständigkeit“ betrachtet, schreibt der deutsche Politikwissenschaftler Herfried Münkler. Schon in der antiken Philosophie entsprach ihr Tugendhaftigkeit, während Maßlosigkeit und Mangel für Extreme standen. In jüngerer Zeit wird der Begriff der Mitte nicht zuletzt parteistrategisch genutzt, um eine große Wählergruppe anzusprechen.
„Alle, wirklich alle wollen in die politische Mitte“, meint die österreichische Autorin Barbara Blaha, Gründerin des Politik-Thinktanks Momentum Institut. Was Parteien unter einer „Politik der Mitte“ verstünden, sei aber eine Politik der Oberschicht. Während insbesondere in den USA und Großbritannien, aber auch in Frankreich oder Italien Wahlkämpfe eine Zeit der Polarisierung und der Zuspitzung politischer Programme und Profile seien, konstatiert Münkler, gelte in Deutschland und einigen kleineren Ländern West- und Mitteleuropas nur als regierungsfähig, wer den Anspruch geltend machen könne, die gesellschaftliche und politische Mitte zu besetzen. Dazu gehört auch Luxemburg.
Enge Mitte
Auf den ersten Blick hat die politische Mitte in jüngster Zeit in manchen Ländern etwas Federn gelassen angesichts des Aufkommens und Erstarkens von rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Parteien. Vielmehr ist die Mitte vielerorts nach rechts gerückt. In Frankreich ist derweil die von Präsident Emmanuel Macron vertretene liberale Mitte im zweiten Wahlgang der Parlamentswahlen gerade noch, wenn auch leicht gerupft, gerettet worden. „Es freut uns, dass das Zentrum nicht so sehr abgestraft worden ist“, sagte Gilles Baum anlässlich der gestrigen Bilanzpressekonferenz und des Fraktionsessens der Liberalen in der „Brasserie Schuman“. In Luxemburg reklamiert die CSV seit jeher für sich, die politische Mitte des Großherzogtums zu vertreten. Doch auch seine Partei betreibe Politik aus der Mitte der Gesellschaft, betonte Baum. Der DP-Fraktionspräsident ging noch weiter: „Wir stehen in der Mitte der Gesellschaft. Wir sind die Partei der Mitte.“ In der Mitte ist es also ganz schön eng.
Dabei beließ es der liberale Politiker, dessen Partei mit dem Stigma behaftet ist, eine Partei der Besserverdienenden zu sein, jedoch nicht. Um den gelegentlich erhobenen Vorwürfen entgegenzutreten, die Demokratische Partei sei eine rein wirtschaftsliberale Partei, sagte Baum: „Wir sehen die Wirtschaft nicht als Selbstzweck, sondern als wichtige Voraussetzung.“ Schließlich müsse das Land wettbewerbsfähig sein, um die notwendigen Investitionen finanzieren und gleichzeitig den Schwächsten unter die Arme greifen zu können. Haben die Liberalen also jene Menschen der einst traditionellen Mittelschicht entdeckt, die sich mittlerweile abgehängt fühlen und diese Erfahrung bereits durchgemacht haben und deren Frustrationen nach der Theorie des deutschen Soziologen Andreas Reckwitz „den Nährboden für den um sich greifenden politischen Populismus bilden“?
Kampf gegen Armut als „Must“
Damit schien der DP-Politiker in seiner Rede den eleganten Übergang von der Politik seiner Partei innerhalb der vergangenen blau-rot-grünen Regierung, zum Beispiel die Maßnahmen zur Abfederung des Energiepreisanstiegs, zu ihrer Rolle als Juniorpartner der aktuellen CSV-DP-Regierung zu meistern. Sozusagen als Beispiel einer sozialliberalen Kontinuität seiner Partei nannte er die Anpassung der Steuertabelle an die Inflation und die Erhöhung der Hilfen für Geringverdiener. Die Bekämpfung der Armut sei eine Priorität seiner Partei, so Baum.
Mittlerweile dürften alle Parteien die Armutsbekämpfung als „Must“ für Bilanzpressekonferenzen mit sich führen. Stärkung des Kaufkraftverhaltens, Verringerung sozialer Ungerechtigkeit und last but not least die große Steuerreform. Baum schien die soziale Ader auf Teufel komm raus in den Vordergrund zu kehren. „Die sozialen Maßnahmen tragen die Handschrift der DP“, sagte der 51-Jährige bei Mittagshitze und reichlich kalten Getränken, während die Grillmeisterin die Glut entfachte. Ein großer Teil des Haushalts bestehe aus der sozialen Komponente. Eher zufällig passend wusste der DP-Fraktionschef zu erwähnen, dass die Klimapolitik für seine Partei keine Verbotspolitik sein. Dass eines der Hauptsorgenkinder der Partei der Wohnungsbau sei, durfte natürlich auch nicht fehlen. Schließlich gelte es, den Menschen ein Dach über dem Kopf zu sichern. In diesem Moment schien die DP – zumindest verbal – schon ziemlich weit nach links gerückt zu sein. Wie sich einmal mehr gezeigt hat, sind die politischen Koordinaten flexibel und verschiebbar. Aus liberaler Sicht gilt sowieso: weder links noch rechts, Hauptsache mittig.
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