/ Draniki und Tischtennis – Der Boxer Michel Erpelding entdeckt bei den European Games eine neue Welt
Michel Erpelding ist der einzige Luxemburger Sportler, der bei den European Games vom ersten bis zum letzten Tag vor Ort ist. Der junge Boxer profitiert davon, neue Sportarten und weißrussische Spezialitäten zu entdecken und hat mittlerweile seine Niederlage in der ersten Runde körperlich und mental verdaut.
Die Tage nach dem Kampf
Michel Erpelding machen Niederlagen jedes Mal zu schaffen. Körperlich und mental. „Am ersten Tag nach meinem Aus habe ich mich total abgeschottet. Ich denke in solchen Momenten ans Aufhören, sehe alles negativ und habe keine Lust mehr, mich zu zeigen. Meine Eltern und meine Freundin müssen diese Phase nach jeder Niederlage mit durchmachen. Ich beneide sie nicht“, sagt der 24-Jährige, der am vergangenen Freitag dem Georgier Nikoloz Begadze unterlegen war.
Auch die Eröffnungszeremonie der European Games vor sechs Tagen konnte den Dalheimer nicht ablenken. „Ich konnte diesen Moment nicht genießen, weil ich nur an meinen verlorenen Kampf gedacht habe“, blickt Erpelding zurück. Mit zerbeultem Gesicht und einem Cut, der mit drei Stichen genäht wurde, musste der Luxemburger durch das Dinamo-Stadion laufen. Die Wunden sind aber mittlerweile fast verheilt. „Durch die Sonne erholt sich das Gesicht schneller. Diesen Vorteil habe ich in Nordirland nicht, denn dort regnet es fast immer nur.“
Die Analyse
Erpeldings nordirischer Trainer Gerry Storey ist einer, der nicht gerade dafür bekannt ist, seine Schützlinge mit Lob zu überschütten. Überrascht war Erpelding, als er vom 83-Jährigen ein positives Feedback nach der deutlichen 0:5-Punktniederlage bekam. „Er hat gemeint, dass eigentlich nicht so viel gefehlt hat, dass ich mich auf einem guten Weg befinde und dass die Qualifikation für die Olympischen Spiele durchaus noch möglich ist. Ich habe ihn noch nie so positiv erlebt.“ Erpelding hatte in Minsk sein erstes großes internationales Turnier bestritten und sofort Lehrgeld bezahlt. Mittlerweile sieht er die Sache entspannter: „Ich habe die Techniken, die ich beherrsche, gut umgesetzt. Europa ist der stärkste Kontinent im Amateurboxen und deshalb war mein Auftritt keine Schande. Ich blicke positiv in die Zukunft.“
Erpelding ist Trainingsweltmeister, damit die drei Stiche oberhalb der Augenbraue jedoch gut verheilen, darf er nicht übermäßig ins Schwitzen kommen. Erholung ist deshalb für Erpelding seit einer Woche angesagt. „Am liebsten würde ich trainieren, aber ich habe gelernt, dass es manchmal besser ist, zu pausieren. Die erste und letzte Vorbereitungsphase auf den nächsten Kampf ist die Pause.“
Der Luxemburger profitiert von dieser Situation, um neue Sportarten für sich zu entdecken. Bei fast jedem Auftritt eines Luxemburgers sitzt der Boxer auf der Tribüne. Mit dabei ist sein Vater Roland, der sich in Minsk ein Fahrrad ausgeliehen hat und damit von einer Sportstätte zur anderen fährt. „Ich lerne neue Sportarten kennen. Tischtennis und Badminton gefallen mir sehr gut. Schade, dass die meisten Sportler sofort nach ihren Wettkämpfen abreisen müssen und sich die Wettkämpfe nicht anschauen können.“
Der große LeBron-James-Fan bereut es jedoch, dass er es nicht schaffte, beim 3×3-Basketball-Turnier vorbeizuschauen. Er entschied sich gegen seine Leidenschaft und für seine Teamkollegen aus Luxemburg. Fast nie dabei ist sein Trainer Gerry Storey. Der 83-Jährige verbringt fast seinen ganzen Tag im Athletendorf. „Er hat in Belfast von morgens bis abends zu tun. In Minsk profitiert er davon, sich zu entspannen und ab und zu spazieren oder laufen zu gehen“, sagt Erpelding.
Innerhalb der Luxemburger Delegation ist Erpelding quasi ein Neuling. Erst seit kurzem gehört er zum Kreis der nationalen Elitesportler. Nur Bogenschütze Pit Klein und Radsportler Tiago da Silva kannte er bereits. Das Trio absolvierte zusammen die Grundausbildung bei der Armee, die nötig ist, um in das Sportförderprogramm aufgenommen zu werden.
Das Wissen einer Radsportlerin hat es Erpelding besonders angetan: „Elise Maes studiert Psychologie, es war interessant, mit ihr darüber zu reden. Insgesamt habe ich in den letzten Tagen sehr viele Gespräche mit anderen Sportlern aus Luxemburg geführt und einiges hinzugelernt. Es ist eine schöne Erfahrung und das ganze Drumherum fühlt sich fast wie die Olympischen Spiele an.“
Erpelding unterhielt sich auch mit den irischen Boxern und will in Zukunft versuchen, öfter in Dublin zu trainieren. „Die haben noch ganz andere Möglichkeiten. Dort ist alles sehr professionell.“
Im Athletendorf bewohnen Erpelding und Coach Storey ein Vierer-Appartement zusammen mit Badminton-Ass Robert Mann und dessen Trainer Hargiono. Bisher verpasste er noch kein Spiel seines Nachbarn.
Das Athletendorf
Die ehemalige Studentenstadt, die in das Athletendorf umgewandelt wurde, beherbergt während der European Games rund 4.000 Athleten. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen. Michel Erpelding ist mittlerweile wohl einer der erfahrensten Einwohner und auch Experte, wenn es um das 24-Stunden-Buffet in der Riesenkantine geht. Vor allem die weißrussischen Spezialitäten haben es ihm angetan.
„Ich wäre blöd, wenn ich dieses Essen nicht ausprobieren würde. Alles andere kenne ich ja bereits.“ Zu seinen Lieblingsmahlzeiten gehören Draniki (erinnern an die „Gromperekichelcher“) sowie Suppen wie Borschtsch. Neben den lokalen Spezialitäten gibt es u.a. eine Pasta-Ecke und eine Salat-Bar.
Auch Freizeit und Spaß kommen im Athletendorf nicht zu kurz. Vor Tagen kursierte in den sozialen Medien ein Video, in dem fast hundert Athleten in der Kantine zum spanischen Partysong „Macarena“ tanzten. Erpelding und seine Teamkollegen aus Luxemburg waren nicht dabei.
Preis beim Anti-Doping-Quiz
Dafür hat der Boxer aber bereits einen Preis bei einem Anti-Doping-Quiz abgeräumt. „Ich habe neun von zehn Fragen richtig beantwortet und eigentlich hätte ich ein Paar Haushaltsschuhe gewinnen sollen. Da sie meine Größe jedoch nicht vorrätig hatten, bekam ich eine Kappe.“ Während Radfahrerin Christine Majerus bereits zweimal während der European Games zum Dopingtest antreten musste, wurde Erpelding von dieser Prozedur verschont.
Besonders beliebt ist bei den Athleten das Austauschen von Pins. Fast jeder Sportler hat die persönliche Sammlung an seiner Akkreditierung befestigt. „Mir geht das Material zum Tauschen so langsam aus. Ich glaube nicht, dass ich noch viele Pins ergattern kann“, sagt Erpelding.
Besonders beeindruckt war Erpelding von der ältesten Athletin aus Luxemburg. Das Auftreten von Tischtennis-Spielerin Ni Xia Lian hat es ihm angetan. „Ich war sehr beeindruckt, weil sie im Vergleich zu ihren Konkurrentinnen fast keine Emotionen zeigt. Das hat sich zwar mit zunehmender Zeit geändert, aber sie ist immer sehr fokussiert.“
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