Max-Ophüls-Festival / Drehbuchjury-Mitglied Daniel Blum über den Stoff, aus dem Filme sind
100 bis 200 Drehbücher liest Daniel Blum (56) jedes Jahr. Seit 1995 entscheidet er als Redakteur beim Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) über Co-Produktionen des Senders für Fernsehen und Kino. Ein Gespräch mit dem Mitglied der Drehbuchjury für den Wettbewerb Langfilm über Drehbücher, die Autoren dahinter und ein fehlendes Glas Wein.
Tageblatt: Ohne Geschichte kein Film – ist das Drehbuch nicht eine unterschätzte Arbeitsleistung in der Filmbranche?
Daniel Blum: Es wird viel dafür getan, dass die Arbeit der Drehbuchautoren sichtbarer ist und wahrgenommen wird. Aber wahrscheinlich ist es immer noch unterschätzt. Das Drehbuch ist der Anfang jedes Films.
Als Zuschauer herrscht der Eindruck, dass immer nur Schauspieler und Regisseure im Rampenlicht stehen, selten die Geschichtenerzähler dahinter …
Das war einer der Gründe dafür, den Drehbuchpreis beim Max-Ophüls-Festival ins Leben zu rufen, um genau da Abhilfe zu schaffen. Inzwischen werden aber auf allen wichtigen Festivals Drehbuchpreise vergeben. Die Aufmerksamkeit ist gewachsen.
Das Ansehen von Drehbuchautoren ist so gering, dass viele davon ausgehen, die Schauspieler denken sich die Sätze selbst aus. Stimmt das noch so?
Das glaube ich nicht. Das gehört der Vergangenheit an. In jedem Vorspann eines Filmes werden die Drehbuchautoren an ganz prominenter Stelle genannt.
Hatten Sie schon mal das Gefühl, dass der Film eine Misstrauenserklärung an das Drehbuch ist?
Das kommt natürlich vor. Regie und Drehbuch sind ein Spannungsverhältnis. Im Idealfall ist es ein kreatives und positives. Aber manchmal ist das Drehbuch tatsächlich besser als der Film. Das gibt es aber auch umgekehrt. Dann ist der Film besser als das Drehbuch.
Wie lange dauert es, bis ein Drehbuch von der ersten bis zur letzten Fassung steht?
Das ist sehr unterschiedlich. Im Durchschnitt würde ich sagen: Zwischen drei Monaten und einem Jahr. Das ist die normale Dauer.
Wie sind die Honorare für Drehbücher? In den USA laufen gerade Prozesse …
Das sind Verhandlungen zwischen den Agenturen der Drehbuchautoren und dem Sender. Ich glaube, dass das in Deutschland ganz gut geregelt wird, weil die Drehbuchautoren in Verbänden organisiert sind. Das ist ziemlich transparent und es werden gute Preise bezahlt.
Wenn Sie beim ZDF den Zuschlag für eine Co-Produktion geben, entscheiden Sie nach Kopf oder Bauch?
Das ist auf jeden Fall immer eine Mischung. Es braucht beides. Bei den Kinofilmen muss man das Gefühl haben, dass der Film begeistert. Im Fernsehen sind andere Überlegungen notwendig.
Beim Max-Ophüls-Festival lesen sie alle 12 Drehbücher des Wettbewerbs Langfilm. Sehen sie auch die Filme?
Ja. Wir lesen und sehen uns dann die Filme an. Beides.
Schlafen Sie überhaupt in der Woche?
Eher weniger.
Die nächtelangen Diskussionen im Weinkeller des Hotels fallen dieses Jahr aus. Wie läuft die Kommunikation mit den Jurykollegen?
Wir machen das Beste daraus. Der menschliche Kontakt und das gemeinsame Seherlebnis mit den Jurykollegen fehlen sehr. Und nach unserer Sitzung am Donnerstag haben wir schon bedauert, dass wir nicht noch zusammen ein Glas Wein trinken können.
Wie lange hat die Jury denn getagt?
Sechs Stunden lang. Dafür, dass wir das alles per Videokonferenz machen, hat es sehr lange gedauert.
Wann legen Sie ein Drehbuch weg, weil Sie denken, das funktioniert nicht?
Wenn ich in der Jury sitze, lege ich es gar nicht weg. Ich lese es zu Ende. Das gehört sich so.
Gibt es ein Lieblingsdrehbuch oder einen Lieblingsfilm – noch nach Jahren?
Oh ja. Das sind die Fälle, wo man noch lange nachträglich glücklich ist, daran mitgewirkt zu haben. Mein erstes Kinofilm-Co-Projekt beim ZDF war „Kurz und Schmerzlos“ von Fatih Akim. Es war sein erster Spielfilm und es war für mich ein großes Glück, sein erstes Drehbuch damals lesen zu dürfen. Der Film war der Anfang einer wirklich beeindruckenden Karriere.
Fernseh- und Kinofilme des ZDF
Daniel Blum wählt in seiner Funktion als Redakteur in der Sparte Spielfilm Bewerbungen für Co-Produktionen aus. Das sind Filme für das Fernsehen und deutschsprachige Werke für das Kino. Der Sender beteiligt sich an den Kosten des Films und begleitet in vielen Fällen die Entwicklung des Drehbuchs. Viele der Co-Produktionen laufen in der Reihe „Montagskino“ oder „Krimi am Samstag“, Nachwuchsfilme laufen in der Reihe „Das kleine Fernsehspiel“. Der letzte große Kinoerfolg, den das ZDF co-produziert hat, war der Film „Systemsprenger“ (2019). „Egal, wo Benni landet, früher oder später fliegt die Neunjährige raus. Sie ist zu wütend, zu gewalttätig, zu unkontrollierbar für die Jugendhilfe“, heißt es bei kino-zeit.de über den Film.
Preise des Festivals
Am Samstagabend werden die Gewinner der vier Wettbewerbe Spielfilm, Dokumentarfilm, Mittellanger Film und Kurzfilm des Festivals bekannt gegeben. Von den 50 gezeigten Filmen sind 35 Uraufführungen und werden zum ersten Mal präsentiert. Es gibt 16 Preise im Wert von 118.500 Euro. Der Drehbuchpreis ist mit 13.000 Euro dotiert und wird an einen der 12 Wettbewerbsfilme in der Kategorie Langfilm vergeben.
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