NATO / Droht ein neuer Konfliktherd in der Ostsee?
Sind die finnischen Aland-Inseln die Krim von morgen? Die finnische Öffentlichkeit beunruhigt zunehmend, dass Russlands Staatsmedien Anspruch auf das Archipel in der Ostsee erhebt.
Besondere Beachtung erfuhr eine Reportage des Senders Rossija 1 vor Ort, wo der Moderator Jevgeni Popov behauptete, der Archipel sei russisch gewesen und nur durch Zufall finnisch geworden, „ungefähr auf die gleiche Weise, wie die Krim Teil der Ukraine wurde“. Auch seien die 6.700 Inseln die „Achillesferse der NATO“. Eine Einschätzung, die westliche Militärs teilen.
Bereits 2.500 Mal wurden die Aland-Inseln dieses Jahr in den russischen Staatsmedien erwähnt, so eine finnische Erhebung. In vielen dieser Beiträge wurde behauptet, die Aland-Inseln würden weiterhin von mehr Russen als Finnen bewohnt. Dies ist faktisch Unsinn, allerdings gefährlicher Unsinn, den man ernst nehmen sollte, schließlich erinnert dies an die russische Propaganda vor der Krim-Annexion 2014. Fakt ist – die vielen Inseln zwischen Schweden und Finnland waren von 1809 bis 1917 Teil des Zarenreichs, davor hatten sie zur schwedischen Krone gehört.
Die Aland-Inseln sind mit kurzen Unterbrechungen seit 1856, seit dem Ende des damaligen Krimkrieges bei dem französische und britische Truppen das Archipel in der Ostsee eroberten, demilitarisiert. In weiteren Verträgen wurde dieser Status festgelegt, zuletzt 1940 zwischen der Sowjetunion und der Republik Finnland.
Und über diesen Status wacht ein russisches Konsulat mittels des russischen Militärgeheimdienstes GRU in der Provinzhauptstadt Mariehamn, ein Ort, wo immer wieder Protestkundgebungen stattfinden. „Putin go Home“ steht auf einem Pappschild vor der russischen Vertretung, einer gelb angestrichenen Villa aus Holz, mit einem Stacheldrahtzaun geschützt.
Gegner der Demilitarisierung werfen ein, dass der Vertrag heute ungültig sei, da man es nun mit der Russischen Föderation zu tun habe. Dazu meint Matthias Hartwig vom „Max-Planck-Institut für ausländisches Recht“ auf Anfrage: „Die Russische Föderation wird nach herrschender Meinung völkerrechtlich als identisch mit der UdSSR angesehen.“ Somit blieben bestehende Verträge in Kraft. Doch der russische Angriffskrieg und der NATO-Beitritt Finnlands könnten die Vertragsgrundlage infrage stellen.
Druck aus Russland seit NATO-Beitritt
Und diese Frage, wie es mit dem Konsulat und der demilitarisierten Zone nun weiter gehen solle, steht schon lange im finnischen Raum. Seit 2022 regiert die konservative „Nationale Sammlung“ unter Petteri Orpo, jene Partei, welche schon in den Nullerjahren einen NATO-Beitritt Finnlands befürwortete, wofür sich dann nach der russischen Invasion eine Mehrheit fand – seit April 2023 ist darum Finnland Teil der westlichen Verteidigungsallianz. Und vor allem in dieser Partei gibt es Stimmen, welche sich dafür aussprechen, diesen Status aufzuheben und finnische Truppen auf der Inselgruppe zu stationieren.
Die Debatte wird jedoch geschoben, „Es ist gerade nicht an der Zeit, die Demilitarisierung zu ändern“ antwortet Orpo gern, wenn er darauf angesprochen wird. Und Staatspräsident und Parteigenosse Aleksander Stubb, dessen Besuch im August auf den Inseln die Fantasie der russischen Berichterstattung befeuerte, erklärte, man sei auch ohne Stationierung in der Lage, das Archipel zu verteidigen. Schließlich gibt es schon genug Ärger.
Seit dem NATO-Beitritt ist das Land Feindbild von Russlands Politiker und Medien. Im vergangenen Herbst kamen Migranten von Afrika und Nahost über Russland an die Landesgrenzen, welche die finnische Regierung dann schließen ließ, im Frühjahr wurde sogar das Asylrecht eingeschränkt.
Aufgrund solcher Hybridmaßnahmen des Kremls wächst die Bereitschaft in der finnischen Regierung, auch ausländische Truppen in dem Land zu dulden, was von seiner Gründung 1917 bis ins Jahr 2023 auf Bündnisfreiheit setzte – von der Waffenallianz mit NS-Deutschland mal abgesehen. In der vergangenen Woche erklärte der Außenminister des jüngsten NATO-Mitglieds Schweden, Tobias Billström, dass Verhandlungen über die Stationierung schwedischer Streitkräfte im Nachbarland im Gange seien.
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