Elizabeth II. / Ein Besuch bei guten Freunden: 1976 kam die Queen nach Luxemburg
Im November 1976 besuchte Elizabeth II. das Großherzogtum – als Gegenbesuch, wenige Jahre nachdem der Großherzog Jean im Buckingham-Palast empfangen wurde. In Luxemburg betonten allerlei Honoratioren die vielfältigen Verbindungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Irland sowie dem Commonwealth auf der einen Seite – und dem Großherzogtum auf der anderen. Und auf den Straßen zeigten die normalsterblichen Bürger ihre Zuneigung zu Elizabeth beziehungsweise dem, was sie vertritt.
Wer Elizabeth II. leicht erkennbar darstellen will, etwa in einer Zeichnung, könnte wohl auf die Idee kommen, ihr einen besonderen Hut aufzusetzen: Früh in ihrer Regentschaft hatte sie die Idee, farbenfrohe Kleidung und besondere Kopfbedeckungen zu ihren Markenzeichen zu machen – die nebenbei auch dafür sorgten, dass sie inmitten größerer Menschenmengen schnell auszumachen war.
Bei ihrem Besuch der Minette-Region im November 1976 verpassten die Gastgeber der damals 50-Jährigen eine eher profane Kopfbedeckung: einen weißen Helm. Den musste sie zumindest während des Besuchs des Differdinger Arbed-Werkes tragen. Vorschrift ist Vorschrift.
Man muss kein ausgemachter Fan der Royals sein, um festzustellen: Sie sah auch mit Plastik auf dem Kopf ziemlich elegant und cool gleichzeitig aus, während der damalige Werksdirektor Wagener in seinen Ausführungen nicht nur die „ausgezeichnete Zusammenarbeit mit der britischen Stahlindustrie“ hervorhob, sondern generell offenbar ziemlich technisch wurde. Der Eindruck entsteht jedenfalls bei der Lektüre des damaligen Tageblatt-Artikels – und soll hier nur als Kontrapunkt dienen zu dem, was sich abspielte, sobald der Helm wieder gegen eine blaue Mütze mit Blumenbordüre ausgetauscht war und sich die Königin an frischer Luft dem normalen Luxemburger Volk zeigte: Denn da brach sich – beidseitig – eine Herzlichkeit Bahn, die offenbar alle verblüffte, die mit Königshäusern und Staatsbesuchen eben vor allem prätentiöse Reden und hüftsteifes Zeremoniell verbanden.
Historische Verbundenheit mit Großbritannien
Seit die Königin am Vortag des Minette-Besuchs am Findel in einer zweimotorigen Maschine gelandet und ihr in einem kirschroten Mantel entstiegen war, säumten schon da und später in der Hauptstadt jubelnde, Fähnchen schwenkende Menschenmassen die Wege von Elizabeth und Prinz Philip: Ganz offenbar hatten die Menschen nicht vergessen, dass Großbritannien es war, das entschieden Mut und Entschlossenheit bewahrte, als Nazideutschland praktisch über ganz Europa Dunkelheit gebracht hatte – und längst auch über Luxemburg.
Dass es England war, wo die Alliierten ihre Kräfte und Ideen sammelten, um schließlich den längsten Tag einzuläuten, der Europa wieder das Licht bringen sollte – woran ja wiederum auch ein bestimmter Luxemburger beteiligt war: Nach der Flucht mit seinen Eltern aus Luxemburg hatte Prinz Jean sich 1942 der britischen Armee angeschlossen, war als Freiwilliger den Irish Guards beigetreten. Im Juni 1944 war seine Landung in der Normandie erst der Anfang einer ganzen Reihe von Einsätzen, etwa in den Schlachten um Caen und Brüssel – und 32 Jahre später stand er dann in Uniform am Findel, um die Königin des Vereinigten Königreiches zu begrüßen.
Diese Verbindungen also sorgten für eine überschwängliche Begrüßung, die die britischen Monarchen mit freudiger Überraschung wahrnehmen – und beantworteten: Fotos und Berichte zeigen, wie ungezwungen Elizabeth zu den Menschen kommt, Hände schüttelt, ein paar Worte wechselt – sofern die Betreffenden nicht so vom Donner gerührt sind, dass sie nichts mehr herausbekommen.
Die Visite in Luxemburg war ein Gegenbesuch: 1972 hatte Elizabeth das Luxemburger Monarchenpaar in den Buckingham-Palast eingeladen – wer möchte, kann als dahinter stehendes Motiv den gerade erfolgten Beitritt Großbritanniens in die EWG sehen, das Vertiefen der wirtschaftlichen Verbindungen. Muss sich naiv nennen lassen, wer einfach einen Besuch von alten Freunden annimmt? Der Tageblatt-Kommentator hat seine Emotionen 1976 fest im Griff und einen pragmatisch-distanzierten Blick: „Eine Staatsvisite wie diese bringt nicht viel Neues“, schreibt er im Vorfeld. Die Bürger würden sich „ohne Zweifel“ fragen, „warum dieser Aufwand“ betrieben wird.
Prall gefülltes Programm
Der Aufwand besteht am Tag eins aus einem Armee-Musikkorps, das so präzise auf dem Rollfeld des Findel aufgestellt wird, dass dazu eine Richtschnur benutzt wird. Nach der Begrüßung der Gäste durch das großherzogliche Paar samt der Kinder Henri und Marie-Astrid darf Elizabeth II. am „Kanounenhiwwel“ die ewige Flamme neu entzünden, sich ins Goldene Buch eintragen, trifft regionale Honoratioren wie die „Stater“ Bürgermeisterin Colette Flesch. Am zweiten Tag geht es, wie oben erwähnt, nach Esch und Differdingen. Das Protokoll ist unerbittlich, alle paar Minuten geht es weiter: Wieder zum Kirchberg, wo am Europäischen Gerichtshof die Plastik von Henry Moore eingeweiht wird, später folgt ein weiterer Stadtrundgang. Von der Corniche und ihren Ausblicken sind die Gäste besonders angetan. Im Stadtmuseum sinnieren sie über der EU-Charta, treffen eigene Untertanen, die in Luxemburg leben und arbeiten. Einer trägt seinen Schottenrock.
Am dritten Tag der Visite steht Echternach auf dem Programm, wo eine offenbar recht launige Ansprache des Bürgermeisters Robert Schaffner überliefert ist: Man sei jedenfalls stolz, dem aus dem heutigen Nordostengland angesiedelten Missionar Willibrord eine Bleibe in Form eines Klosters gegeben zu haben, aus dem mittlerweile eine stattliche Abtei geworden ist. Auch in Vianden kann der Bürgermeister, der hier Vic Abens heißt, luxemburgische Verbindungen zum Reich der monarchischen Besucher nachweisen: Wilhelm III. von Oranien-Nassau war schließlich nicht nur König von England, sondern auch Graf von Vianden. Aus allen Rohren, beziehungsweise über diese, hageln später noch technische Details auf Elizabeth und Philip ein, als ihr das Pumpspeicherwerk erklärt wird. Elizabeth, diesmal im Mantel in Apricot, mit passendem Hut mit weißer Krempe, dazu eine schlichte Brosche, hört, zusammen mit Philip, aufmerksam zu: Immerhin ist die trickreiche Technik auch ein Zeugnis der Völkerverständigung – indem es ja gemeinsam mit dem Nachfolger des Staates betrieben wird, gegen den der Großherzog mit dem halben Rest der Welt einst in den Kampf ziehen musste.
Als Zeichen der echten Freundschaft zwischen den Monarchenhäusern darf schließlich aber wohl auch die Tatsache gewertet werden, dass Elizabeth und Philip nach dem protokollarisch pressierten Programm noch einige ruhige Tage auf dem Schloss in Colmar-Berg verbringen – und dass sich dieser einmaligen Staatsvisite noch viele gegenseitige Besuche in den folgenden Jahrzehnten anschließen.
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