Gartenkultur / Ein Besuch im „Huesegaart“ in Schrassig
Am 4. Juni startet die Aktion „Rendez-vous aux jardins“. An der europaweiten Initiative nehmen hierzulande 50 Veranstalter teil, die den Besuchern ihre Gärten öffnen, darunter mehrere Rosengärten. Die Rosenkultur stellt nicht nur einen ehemaligen Industriezweig dar, sie ist Teil der Luxemburger Kulturgeschichte. Einer dieser Rosengärten befindet sich in Schrassig, und der hat mehr als nur Historisches in Sachen Rosen zu bieten.
„Un refuge de roses à l’orée du bois“, heißt es im Programm der „Rendez-vous aux jardins“ zu diesem Schrassiger Garten. Doch wer den engen Weg hinauf zum „Huesepad“ nicht scheut, wird mit mehr belohnt als „nur“ mit Rosen und Geschichten über sie.
Unter den Gartenbäumen befinden sich wahre Kuriositäten wie etwa ein Judasbaum, dessen Blüten sich direkt am Stamm öffnen, und ein Lebkuchenbaum, der sich durch eine intensive Herbstfärbung auszeichnet und nach Zimt und Lebkuchen duftet. Originell ist der Taschentuchbaum, dessen Blüten Ende Mai wie Taschentücher an den Ästen hängen. Den Fächerblattbaum, oder Ginko Biloba, eine der ältesten Baumarten auf der Erde, sieht man ebenfalls hier. Er wurde im Jahr 2000 vom deutschen Kuratorium „Baum des Jahres“ zum Baum des Jahrtausends gewählt.
Nicht weit weg von diesen Bäumen stehen Rosensträucher: „Botanische Rosen“, sagt Besitzerin Nicole Gilson. Ob denn nicht alles „botanisch“ sei in einem Garten, lautet die Frage des Laien. Gilson erklärt geduldig, dass es sich dabei um wilde Rosen handelt, also solche, die in der Natur wachsen. „Naturrosen blühen später und geben im Herbst ,Spackelter‘, Futter für Wildvögel.“ Gedüngt wird übrigens in diesem Garten fast nicht, die Pflanzen erhalten nur natürlichen Kompost.
Beim Rundgang durch den Garten gibt Nicole Gilson mit Freude Tipps zur Rosenhaltung: Rosen lieben sandige Lehmböden, historische Rosen sind anfälliger für Krankheiten, moderne Rosen dagegen widerstandsfähiger. Rosen kommen gut mit Trockenheit zurecht, vorausgesetzt sie werden dazu „erzogen“. Will heißen: Man darf sie nicht jeden Tag gießen, besser nur ein-, zweimal die Woche ausgiebig. So lernen ihre Wurzeln, tief nach Wasser zu suchen. Rosen pflanzt man am besten im Herbst, wenn der Boden noch feucht ist, aber noch vor dem ersten Frost. Doch wurzelnackte Rosen pflanzen, tun anscheinend die wenigsten heutzutage. Dieser Markt sei ziemlich eingebrochen. „Heute wollen die Leute mit einer Rose im Topf aus dem Laden gehen, sie wollen sofort etwas sehen“, sagt Nicole Gilson.
Seit 40 Jahren wohnt sie mit ihrem Ehemann Marc Trossen im Schrassiger „Huesepad“. Seit etwa zehn Jahren widmet sie sich den Rosen. „Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der ein Garten immer ein Thema war, zudem bin ich schon immer geschichtsbegeistert gewesen. Beim Rosenanbau verschmelzen beide Hobbys.“
Auf die Frage, ob sie denn viel Zeit im Garten verbringe, lacht sie: „Es ist eine Vollzeitbeschäftigung.“ Kein Wunder: Neben dem Blumengarten betreibt das Ehepaar noch einen 45 Ar großen Obstgarten, um den sich vor allem Marc kümmert. Der Hobbyhistoriker hat zudem im Garten interessante Entdeckungen gemacht, doch darüber später mehr.
Die Berliner Mauer und die Rosen
Nicole Gilsons Reich breitet sich auf fünf Ar aus, mit rund 300 Rosenpflanzen und 20 verschiedenen Rosensorten. „Vor allem bin ich bemüht, alte luxemburgische Sorten zu bewahren.“ Mit großer Begeisterung erzählt sie von der großen Zeit der luxemburgischen Rosenzüchter Anfang des 20. Jahrhunderts: „Luxemburgische Rosenzüchter hatten damals einen exzellenten internationalen Ruf. Ihre Rosen fanden sich von Rio de Janeiro bis nach Sankt Petersburg. Luxemburgische Züchter galten als Referenz.“
Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Zwar spielte damals wie heute Frankreich eine bedeutende Rolle auf dem Markt, und es gebe noch immer gute Züchter in Deutschland. Was sich aber grundlegend von der damaligen Zeit unterscheide, sei die große Konkurrenz – wie sollte es auch anders sein – aus China.
Viele traditionelle luxemburgische Rosensorten gerieten mit der Zeit in Vergessenheit. Bis sich das bedeutendste historische Ereignis vom Ende des 20. Jahrhunderts – der Fall der Berliner Mauer – als ein Glücksfall für die einheimischen Rosenfreunde erwies. In Sangerhausen, im Bundesland Sachsen-Anhalt, befindet sich eines der größten europäischen Rosarien (noch aus der DDR-Zeit) mit rund 8.700 Rosensorten. Dort fand man alte luxemburgische Sorten wieder, die so erneut hierzulande angebaut werden konnten. In Schrassig finden sich alte Rosenraritäten wie „Tour de Malakoff“ (1856), „Souper & Notting“ (1867) oder „Oscar II Roi de Suède“ (1890) und andere, deren Namen das Herz von Rosenkennern wohl höherschlagen lassen.
Der Reichsarbeitsdienst in Schrassig
Der Garten von Nicole Gilson und Marc Trossen hat allerdings nicht nur etwas für Rosenliebhaber zu bieten. Seit 40 Jahren wohnen die beiden auf einem geschichtsträchtigen Gelände. Dazu kann Hobbyhistoriker Marc Trossen eine Menge erzählen. Ab 1942 und bis 1943 betrieben die Nazis dort ein Lager des Reichsarbeitsdienstes, wo vor allem Elsässer und Lothringer, aber auch einige Luxemburger arbeiten mussten, von denen allerdings einige fliehen konnten. Deswegen seien sie später weiter weg von der Heimat gebracht worden. Einer der Geflohenen sei der spätere Politiker Jean Gremling gewesen, der 1979 die Partei der unabhängigen Sozialisten („Parti socialiste indépendant“) gründete.
„Im Garten und im Brunnen habe ich einen Helm, Teller und Essbesteck gefunden“, erzählt Trossen, der schon mehrere Bücher über die Gemeinde Schüttringen geschrieben hat. In und bei ihrem späteren Garten hätten damals Baracken gestanden, in denen rund 200 Leute des Arbeitsdienstes lebten. Solche Lager soll es insgesamt vier im Land gegeben haben. Nach dem Krieg sei das Lager kurz von den Amerikanern als Gefangenenlager für Deutsche und Kroaten benutzt worden, erzählt Trossen. Heute erinnern nur noch Mauerreste und ein ausgetrockneter Brunnen an die dunklen Jahre.
Besichtigung
Die Besichtigung des Rosengartens in Schrassig findet am Freitag, 4. Juni 2021, von 15.00-19.30 Uhr statt. Eine Anmeldung per Telefon (621 797 363) oder Mail (nic123gilson@gmail.com) ist obligatorisch. Adresse: Huesepad 23, L-5363 Schrassig.
„Rendez-vous aux jardins“
Am kommenden Freitag, 4. Juni, startet die Initiative „Rendez-vous aux jardins“. Sie soll dazu motivieren, die Kulturlandschaft „Garten“ wiederzuentdecken. Organisiert wird die Aktion vom Kulturministerium auf Initiative von „Heritage in Nature“.
Zusammen mit 3.000 Gartenanlagen in Europa beteiligt sich Luxemburg erstmals an dieser breiten Sensibilisierungskampagne für dieses Kulturerbe. 50 verschiedene Veranstalter haben sich hierzulande der Aktion angeschlossen und bieten mehr als 80 Events.
Der Besuch einer Gartenanlage komme der Besichtigung eines Museums oder einer Schlossanlage gleich, schreibt das Kulturministerium in einer Mitteilung, denn Gärten und Parkanlagen bilden mit ihren Bauwerken und ihrer Grundgestaltung ein eigenes Kulturerbe. Auch sie zeugen von künstlerischem Schaffen.
Ursprünglich für den 4. bis 6. Juni geplant, veranlasste der Enthusiasmus, den die Ausschreibung für das „Rendez-vous aux jardins“ auslöste, die Organisatoren, die Dauer der Aktion über den ganzen Juni zu verlängern. Das Programm wird nun am 26. und 27. Juni mit der 18. Ausgabe des Festivals „Oppe Gaardepäertchen“ abgeschlossen, das von der „Ligue luxembourgeoise du coin de terre et du foyer“ organisiert wird.
Zu den Veranstaltungen gehören auch Lesungen, Ausstellungen und Konzerte. Auf www.jardinsluxembourg.lu finden Sie das komplette Programm.
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