Fusion / Ein Blick in die Kristallkugel in Sachen „Nordstad“
Im Juli 2018 berichtete das Tageblatt über anstehende Sondierungsgespräche zur Fusion der Gemeinden Ettelbrück, Erpeldingen an der Sauer und Schieren. Viereinhalb Jahre sind in Zwischenzeit vergangen, Jahre, in denen in Sachen „Nordstad“-Fusion nicht viel passiert ist.
Zur Erinnerung: Mit Bettendorf, Diekirch, Colmar-Berg, Erpeldingen/Sauer, Ettelbrück und Schieren bildeten sechs Gemeinden seit vielen Jahren die „Nordstad“, als die drei letztgenannten Gemeinden im Sommer 2018 erste Fusionsgedanken hegten. Es hieß, man wolle eben noch enger zusammenarbeiten, als dies bis dahin der Fall war.
Diekirch, das anfangs nicht von seinen Nachbargemeinden zur Teilnahme an den Sondierungsgesprächen gefragt wurde, meldete Monate später mit einer dementsprechenden Abstimmung im Gemeinderat ebenfalls Interesse an. Auch Bettendorf wollte mit dabei sein. Allein Colmar-Berg, die einzige der sechs Nordstad-Gemeinden, die nicht im Bezirk Norden, sondern im Zentrum liegt, winkte aus vielerlei Gründen ab. „Im Moment sind wir nicht an einer solchen Fusion interessiert“, verriet Bürgermeister Christian Miny dem Tageblatt im Sommer 2018. Auf der Basis von interkommunalen Syndikaten setze man aber weiter auf eine gute Zusammenarbeit.
Es wurde damals unter anderem festgehalten, dass sich die Schöffenräte der fünf fusionswilligen Nordstad-Gemeinden 2019 ein erstes Mal zu Vorgesprächen treffen sollten. „Es gibt sehr, ja überaus viel zu tun, packen wir es an“, so die Aussage vom damaligen Diekircher „député-maire“ Claude Haagen. Fünf Gemeinden in ein Boot zu bekommen, sei an sich schon kein einfaches Unterfangen. Damit dann auch noch alle in die gleiche Richtung rudern, brauche es viel Einsatz der Akteure. Es würde viele Knackpunkte geben, die wohl nicht so einfach aus dem Weg zu räumen seien. Diese würden unter anderem die Urbanisierung der gesamten Nordstad, die Umwelt, die Organisation des Musikkonservatoriums in Ettelbrück, die Eisenbahnlinie, die Schul- und Sportinfrastrukturen, die Bauprojekte, die Organisation des CGDIS, das Angebot an Kindertagesstätten und „Maisons relais“, die Anpassung der Gemeindetaxen und der Bebauungspläne, das Zusammenschmelzen von Majorz- und Proporzgemeinden, die Zusammensetzung eines politischen Führungsgremiums usw. betreffen.
Viel Zeit verstrichen
Das war 2018, also ein Jahr nach den letzten Gemeindewahlen. Inzwischen sind es nur noch fünf Monate bis zum nächsten Urnengang. Am 11. Juni werden dann wieder Gemeinderäte bestimmt, die die nächsten sechs Jahre die Geschicke der Gemeinden leiten sollen. Und was passiert im Superwahljahr 2023 mit den erwähnten Fusionsgedanken? Das steht noch in den Sternen.
Den Einwohnern der genannten Gemeinden wurde in den letzten Jahren vieles zu diesem Thema versprochen. Man denke nur an die Aussagen von Claude Turmes, Minister für Raumentwicklung, im Oktober 2021 zum Thema „landesplanerisches Leitbild Nordstad“. Er sprach u.a. von einer grün vernetzten Nordstad, von einer resilienten, multifunktionalen Nordstad als Mittelzentrum, einem Raum mit hoher Aufenthalts- und Lebensqualität, von einem Leben mit dem Fluss und dem Wasser, von einer Stärkung des Bildungs- und Gesundheitsstandortes, von einer Nordstad als Tourismusstandort.
Vielleicht sollte man auch die Ansprache von François Bausch, Minister für Mobilität und öffentliche Bauten, von vor drei Jahren in Erinnerung rufen. „Die Visionen zur Nordstad sehen u.a. einen Fahrrad-Express-Weg zwischen Schieren und Bettendorf vor, eine Umgehungsstraße in Ettelbrück, den Ausbau der B7 zwischen Schieren und Fridhaff auf zweimal zwei Fahrspuren, eine Entlastungsstraße rund um Diekirch, eine Verkehrsdrehscheibe in Erpeldingen/Sauer für Zug, Bus und Fahrrad, die Verlegung der Verbindungsstraße und der Eisenbahnlinie Erpeldingen-Diekirch an den Hang des ‚Goldknapp‘, eine Eisenbahnhaltestelle in Ingeldorf und eine Neubelebung der Hauptachse Ettelbrück-Diekirch.“
Beim „Leitbild Nordstad“, das den Bewohnern der Nordstad-Gemeinden 2021 vorgestellt wurde, konnte jedoch nicht von Visionen die Rede sein, sondern höchstens von Pflastern auf Wunden, die man sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten selbst zugefügt hatte, denn vieles von dem, was den Bewohnern damals von offizieller Seite als Ausblick verkauft wurde, war längst Bekanntes, das lediglich aus der Mottenkiste gezogen wurde. Das allein bewies, wie schwer man sich auf Regierungs- sowie Gemeindeebene mit dem Nordstad-Fusionsgedanken tat.
Geplant war, dass die Nordstad-Fusion bis 2023 realisiert werden sollte. Da dies in den letzten beiden Jahren immer unwahrscheinlicher wurde, sprach man lediglich von einem Referendum im Jahre 2023, bei dem die Bürger der betroffenen Gemeinden über eine eventuelle Fusion abstimmen sollten. Der Ettelbrücker CSV-Bürgermeister hatte vor wenigen Monaten die Idee vorgebracht, man solle doch vom Wahljahr 2023 profitieren, um die Volksbefragung gleichzeitig abzuhalten. Das aber löste bei den anderen Gemeindeoberhäuptern offensichtlich Unbehagen aus. Zu diesem Moment seien die Bürger noch nicht auf ein Referendum zur Fusion vorbereitet, so das Argument. Anders ausgedrückt: Man befürchtet, dass das Referendum zum heutigen Zeitpunkt ein Schuss werden könnte, der nach hinten losgeht.
Vieles hängt in der Luft
Am 20. Juni letzten Jahres wollte sich das Tageblatt beim Nordstad-Komitee erkunden, wann die Fusion denn unter Dach und Fach sein könnte. Eine Frage, die das Gremium „zu diesem Zeitpunkt“ nicht beantworten konnte. Zum Thema Referendum, über das bereits seit Jahren geredet wird, gab es folgende Aussage: „Der Zeitpunkt des Referendums steht im direkten Zusammenhang mit der rechtlichen Möglichkeit, wann eine Fusion in Kraft treten kann. Dies kann zeitgleich mit den Kommunalwahlen, aber auch während oder am Ende einer Legislaturperiode stattfinden.“
Demnach könnte es noch lange Jahre dauern, bis sich – wenn überhaupt – etwas in Sachen Nordstad-Fusion tut. Am 11. Juni dieses Jahres werden neue Gemeinderäte gewählt. Sollten die Fusionsgespräche in den Folgejahren wieder aufgenommen werden, um die Bürger dann 2026 oder 2027 auf die Volksbefragung vorzubereiten, könnte die Fusion möglicherweise 2029 in Kraft treten. Dann könnten auch Pläne in Sachen Mobilität, Infrastruktur und Lebensqualität, um nur diese zu nennen, auf den Instanzenweg geschickt werden. Anschließend werden noch Jahre vergehen, bis alle Genehmigungen vorliegen, die Projekte ausgeschrieben und schlussendlich ganz verwirklicht werden. Dann schreiben wir das Jahr 2050 …
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