Editorial / Ein Bruch mit dem Pessimismus
Das Jahresende bietet die Gelegenheit, das Jahr Revue passieren zu lassen und erste Prognosen für 2025 zu wagen. Ob im Radio, Fernsehen oder in Printmedien: Die Autoren üben sich dabei Jahr für Jahr im Zwangsoptimismus. Ein Jahr voller Herausforderungen, Krieg und Krisen liegt hinter uns, aber nächstes Jahr wird alles bestimmt wieder besser – das Muster dürfte jedem bekannt sein.
Auch den Luxemburgern scheinen hauptsächlich Krisen und Konflikte in Erinnerung geblieben zu sein. Allen voran der „Presidententrick“ bei der Caritas, der es sogar zum Wort des Jahres in Luxemburg geschafft hat. Mit „Heescheverbuet“, „Rietsruck“ und Grenzkontrollen haben sich drei weitere Phänomene ins kollektive Gedächtnis Luxemburgs eingebrannt, die zumindest auf den ersten Blick nicht positiv in Erinnerung bleiben dürften.
Und doch sollten gerade diese Ereignisse Grund für mehr Optimismus liefern. Denn neben den – zu Recht – kritisierten Krisen-Abläufen und den dahinterstehenden politischen Entscheidungen dieser Affären hat sich parallel dazu gezeigt, dass die innergesellschaftliche Solidarität in Luxemburg trotz, oder gerade wegen, konservativ-liberaler Regierungspolitik lebendiger ist als je zuvor.
In der Folge des Bettelverbotes regte sich gesellschaftlicher Widerstand in Luxemburg wie sonst nur selten zuvor. Ja, beim Beschmieren von Léon Glodens Zuhause ging dieser eindeutig zu weit. Mit der Vereinigung „Solidaritéit mat den Heescherten“ oder auch der Protestaktion für Liichtmëssdag hat sich gezeigt, dass bei weitem nicht jeder in Luxemburg sich dem Diktat des kalten Herzens und Hörensagens ohne Widerstand ergeben will.
Ein ähnliches Fazit kann beim Thema Rechtsruck gezogen werden. Nicht nur blieb der europaweit befürchtete Rechtsruck in Luxemburg größtenteils aus. Bereits im Vorfeld der Wahlen formierte sich breiter gesellschaftlicher Widerstand gegen jene Ideologien, die in ganz Europa die Uhr am liebsten um 80 Jahre zurückdrehen wollen und ihre Agenda im Alltag mit Diskriminierung und Ausgrenzung vorantreiben. Den größten elektoralen Erfolg hatte in Luxemburg dann auch nicht etwa die ADR, sondern die LSAP zu verzeichnen, die für ein gesellschaftliches Miteinander einstand. Den Sitz im Europaparlament hatte die ADR dann auch nicht etwa dem großen Rückhalt bei den Wählern, sondern dem Luxemburger Wahlsystem zu verdanken.
Was das Thema Grenzkontrollen Gutes mit sich bringt? Bis auf steigende Spritpreise hat wohl bisher nur wenig vermocht, einen Teil der Großregion zu entzweien. Die Solidarität, das haben die Grenzkontrollen eindeutig gezeigt, lebt über Grenzen hinweg. Die Demokratie in Europa – sie lebt.
Und dann braucht es keinen spekulativen Ausblick auf 2025. Es soll nicht der einzige Bruch an dieser Stelle sein. Denn wenn das vergangene Jahr eins gezeigt hat, dann wohl Folgendes: „Auch wenn wir nicht wissen, was der nächste Tag uns bringt, sollten wir nicht mit Pessimismus und Resignation auf die Zukunft blicken.“ Allzu oft dürfte der Papst an dieser Stelle auch noch nicht zitiert worden sein.
- Was es bei der Installation von Ladestationen zu beachten gilt - 31. Dezember 2024.
- Ein Bruch mit dem Pessimismus - 30. Dezember 2024.
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