Esch/Sauer / Ein „Escape Room“ sensibilisiert für Probleme in der Textilindustrie
Vor allem für Jugendliche gewinnt Kleidung spätestens in der Pubertät an Bedeutung. Und meistens ist dann heute unter anderem dank Mode-Influencern mehr im Schrank, als gebraucht wird. Der Kleiderkonsum aber verursacht in weit entfernt liegenden Ländern Probleme. Wie sensibilisiert man junge Menschen für die Missstände in der Textilindustrie? Die Tuchfabrik in Esch/Sauer hat sich dazu etwas einfallen lassen.
Kleider machen Leute, das wusste schon der Schweizer Dichter und Politiker Gottfried Keller. Davon lebt zwischen Haute Couture und Billigmode eine ganze Industrie. Viele Kleidungsstücke haben ein kurzes Leben, andere werden länger getragen. Ihre Entsorgung und ihre Herstellung verursachen Probleme. Dabei sind die Müllberge an Kleidern, die sich in der chilenischen Atacama-Wüste oder an der Küste von Ostafrika stapeln und Umweltprobleme machen, nur die Spitze des Eisbergs.
Von den desolaten Bedingungen derer, die die T-Shirts, Hosen oder Pullis in Ländern wie Bangladesch oder Pakistan herstellen, erfährt man hier nur, wenn ein Unglück passiert. Oder wenn die Näher in Not geraten, weil westliche Textilkonzerne ihre Kollektionen stoppen, beispielsweise während der Pandemie. Aus Europa kommen schon lange die wenigsten Kleidungsstücke. Esch/Sauer hat eine Vergangenheit in der Textilindustrie.
Jenny und ihr Kleiderschrank
Ab dem 16. Jahrhundert siedelten sich dort Weber an und stellten Stoff her. Bis zur Schließung der Produktion 1975, die heute im Museum zu besichtigen ist, stammten die Uniformen der luxemburgischen Armee für den Winter aus diesem Teil des Landes. Hier beginnt Jennys Geschichte, in die Kinder ab elf Jahren im Escape Room, der sich über vier Räume erstreckt, eintauchen können.
Das 17-jährige Mädchen entdeckt in der Truhe auf dem Dachboden ihrer Großmutter Wolle und andere Indizien für die frühere Textilproduktion im eigenen Land. In ihrem Kleiderschrank findet sich nichts aus Wolle. Vielmehr besteht ihr Sortiment aus Baumwoll- oder Polyesterklamotten. Sie stellt sich Fragen. In einem anderen Raum findet sie sich in Indien wieder, wo Kinderarbeit normal ist, Baumwolle gesät und geerntet und mit Chemikalien eingefärbt wird.
Von den Umweltproblemen geht es zu den sozialen Standards. Im nächsten Raum treffen die jungen Besucher auf Näherinnen in Bangladesch. 14 Stunden lang am Tag stellen sie die Kleidung her, die hier in den Auslagen liegen. Der Lohn sind 18 Cent pro fertiges T-Shirt. „Die Besucher sehen, was da alles schiefläuft“, sagt Danièle Ronck (54). Sie und ihr Partner haben das Spiel im Auftrag der Tuchfabrik und Fairtrade Luxemburg entwickelt.
Ihre in Cessingen ansässige Firma „216k Escape Room“ ist seit 2016 am Markt, nachdem sie das Konzept Escape Room entdeckt hat. „Das war so verlockend für uns, dass wir das sofort in die Tat umgesetzt haben“, sagt Ronck. Das Konzept, den Schlüssel aus einem zuvor geschlossenen Raum zu finden, um wieder herauszukommen, hat längst pädagogischen Status – bei inzwischen offenen Türen. In Esch/Sauer konfrontiert es Kinder ab acht Jahren mit den Folgen der Fast-Fashion-Industrie.
Praktische Informationen
Der Escape Room ist nur auf Anmeldung zugänglich. Anmeldungen werden per E-Mail an info@naturpark-sure.lu oder über die Telefonnummer 89 93 31-1 entgegengenommen. Weitere Details zu den verfügbaren Daten und Uhrzeiten gibt es unter www.naturpark-sure.lu.
Der Eintritt kostet fünf Euro pro Kind und zehn Euro für Erwachsene. Im Escape Room gibt es Anleitungen auf Deutsch, Französisch und Englisch.
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