Prozessbeginn / Ein Fernsehinterview und was hängen blieb: Ex RTL-Mitarbeiter wegen Interview vor Gericht
Ehemalige RTL-Mitarbeiter müssen sich ab heute vor Gericht verantworten. Wegen Verleumdung, übler Nachrede und unfreiwilliger Körperverletzung. Geklagt hat Ex-Mudam-Direktor Enrico Lunghi. Es geht um ein Fernsehinterview.
Hintergrund des Prozesses, der heute beginnt, ist ein Fernsehinterview. Im Herbst 2016 ist es in der RTL-Sendung „Den Nol op de Kapp“ zu sehen. Worum ging es?
Sophie Schramm, eine freie RTL-Mitarbeiterin, führt ein Interview mit Mudam-Direktor Enrico Lunghi. Es geht um dessen Einschätzung einer Luxemburger Künstlerin. Offensichtlich gefällt ihm die Frage nicht. Schramm fragt, Lunghi wehrt ab. Irgendwann drückt er den Arm der Frau und damit auch das Mikrofon zur Seite. Was im Zusammenschnitt nach Überreaktion aussieht, wirkt in Originallänge anders, weniger aggressiv.
Die unabhängige Behörde für audiovisuelle Medien (Alia) hat RTL 2017 für das Interview gerügt. Das sei keine korrekte Berichterstattung. Ton und Bild des Interviews seien verfälscht wiedergegeben worden. Mit dem Ziel, den Anschein einer nicht existierenden Realität zu erwecken.
Vier Angeklagte
Zurück zu den Fakten. Einen Tag nach dem Vorfall entschuldigt sich der Museumsdirektor. Die damalige RTL-Mitarbeiterin reicht Klage wegen Körperverletzung ein, präsentiert sich mit Attest und Verband. Die Klage zieht sie aber später wieder zurück. Es heißt, dass es wegen des Krankenscheins mehrere Hausdurchsuchungen bei der Ärztin gegeben habe, auch in Rumänien.
Vier Personen müssen sich aufgrund der Klage von Lunghi vor Gericht verantworten. Drei von ihnen sind nicht mehr bei RTL: CEO Alain Berwick, Freelance Sophie Schramm und Journalist Marc Thoma. Auch dessen Sendung „Den Nol“ wurde nach dem Vorfall abgesetzt. Mitangeklagt, aber immer noch bei RTL, ist der damalige Programmchef Steve Schmit.
Fest steht, dass die Affäre den Lebenslauf vieler Menschen verändert hat. Enrico Lunghi ist nicht mehr Museumsdirektor. Ende 2016, kurze Zeit nach den Vorfällen, hat er das Handtuch geworfen. Aber auch der frühere RTL-Télé-Lëtzebuerg-Chefredakteur Alain Rousseau hat nach der Affäre gekündigt. Unseren Informationen zufolge sind er und die damalige stellvertretende Chefredakteurin Caroline Mart beim Prozess als Zeugen geladen
Interessant ist natürlich die Frage, was sich damals in der Redaktionsstube abgespielt hat. Wer war für die Ausstrahlung der Reportage und wer nicht? Eine einheitliche Meinung scheint es nicht gegeben zu haben. Es heißt auch, ein Anwalt sei bei der Entscheidung mit im Spiel gewesen. Ein Anwalt ist aber weder angeklagt noch soll einer als Zeuge gehört werden. Wie Hintergrundgespräche zeigen, erinnert sich nicht jeder mehr vollumfänglich an die Geschehnisse von Herbst 2016.
Verworrene Geschichte
Fakt ist, dass Premier Xavier Bettel (DP) damals, 2016, ein Disziplinarverfahren gegen Enrico Lunghi in die Wege leitete. Anfang Dezember war die Untersuchung abgeschlossen. Lunghi wird „nur“ verwarnt. Er nimmt seinen Hut und reicht Klage gegen Unbekannt ein. „Um Licht in die Affäre zu bringen und meine Ehre wiederherzustellen“, wie er im Dezember 2016 in einem Wort-Interview sagte.
Nach sechseinhalb Jahren kommt es nun endlich zum Prozess. Man darf gespannt sein, welche Geschichten noch auf den Tisch kommen. Welche Rolle werden zum Beispiel die beiden Bücher spielen, die Enrico Lunghis Ehefrau Catherine Gaeng über ihre Sicht der Affäre geschrieben hat? Hat sie ihrem Mann mit diesem scheinbaren Blick hinter die Kulissen genutzt oder geschadet? Möglich, dass die Bücher vor Gericht als Verletzung des Untersuchungsgeheimnisses gewertet werden.
Prozessbeginn ist heute um 15 Uhr. Morgen und am Donnerstag dann jeweils um 9 Uhr. Wie sagte gestern ein interessierter Beobachter der Affäre: „Ich denke, es ist banaler als viele denken. Und verworrener. Es gibt viele Nebenschauplätze und viele menschliche Unzulänglichkeiten.“
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„Ich denke, es ist banaler als viele denken. Und verworrener. Es gibt viele Nebenschauplätze und viele menschliche Unzulänglichkeiten.“
Une Histoire Luxembourgeoise, demno 🙂