Berlinale (7) / Ein Freigeist und der Tod: „A Greyhound of a Girl“ von Enzo d’Alò
Trotz aller elterlichen Einwände will die junge Mary Starköchin werden – und findet dabei Unterstützung von ihrer schwer kranken Großmutter. Der von Paul Thiltges produzierte Luxemburger „Generation“-Beitrag ist ein schöner Kinderfilm über den Tod und eine Ode an die Störrigkeit. Den unterschwelligen „Tradition-gegen-Modernität“-Diskurs hätte es allerdings nicht gebraucht.
So oft man Gu Wentong in „The Shadowless Tower“ vorwirft, zu höflich zu sein, so oft kriegt die kleine Mary zu hören, sie wäre unhöflich, wenn nicht geradezu frech. Geerbt hat sie dies von ihrer geliebten Oma, die in Bezug auf die von ihrer Tochter gekochten Spagetti meint, diese wären „so italienisch wie Bono“ – ihre Enkelin kommentierte kurz davor, diese Pasta wäre so mies, dass es fast schon rassistisch wäre, so zu kochen.
Um beides geht es dann auch in „A Greyhound of a Girl“: ums Kochen und um Großmutter Tansey, deren anfänglicher Husten schnell zu einer ernsthafteren Erkrankung wird. Zu Beginn ermutigt Tansey ihre Enkelin, die in einer renommierten Sommerschule vorkocht, kurz danach tröstet sie Mary über die Abfuhr hinweg, die sie von den arroganten Schulleitern bekam: Beim nächsten Mal wird’s schon klappen.
Auf der Heimfahrt werden beide in einen Unfall verwickelt, weil ein unachtsamer Schäferhund zu sehr auf seine Schafsherde und zu wenig auf die windigen irischen Bergstraßen fokussiert war, Tansey will schnellstens nach Hause, weil sie friert – die Anfangssequenz legt auf geschickte Art alle semantischen Bausteine parat, die den Kinderfilm ausmachen. Denn rasch erkrankt die Großmutter und muss ins Krankenhaus, wo Arzt Jamil Patel Marys Mutter auf eine unbeholfene Art mitteilt, dass Tanseys Tage gezählt sind.
Mary kann dies nicht fassen – und glaubt, alles, was die Großmutter brauche, wäre ordentliche Nahrung, damit sie wieder stark und gesund wird. Auf ihrer „Reise in die Nacht“, wie es der deutsche Titel suggeriert, lernt sie nicht nur eine mysteriöse Alliierte kennen, sondern wird auch von Träumen heimgesucht, in denen sie in die Perspektive eines Hundes – dieses von Tansey so gefürchteten Tieres – eintaucht.
„A Greyhound of a Girl“ versteht es, auf behutsam und sensible Art die erste Konfrontation mit dem Tod zu thematisieren, ohne dabei zu sehr (es handelt sich immerhin um einen Kinderfilm, weswegen verschiedene Momente des Kitschs verzeihbar sind) in den Pathos oder das Lehrbuchartige zu verfallen. Schön gelöst sind der Blick der jungen Mary auf die Erwachsenen und deren Umgang mit Trauer und Schuldgefühlen – dem Film gelingt es, diese Emotionen zu veranschaulichen, ohne sie (zu sehr) zu vereinfachen.
Ein wenig stören tut die wiederholte Wertlegung der Großmutter auf die Traditionsküche und die Ablehnung jeglicher Modernität – kombiniert man dies mit dem Fakt, dass die einzig lachhaft-negative Figur die eines ausländischen Arztes ist, nähert sich der Film – eher ungeschickt als gewollt – einem gewissen identitären Diskurs, der das Bewusstsein der Kids implizit ideologisch färben könnte.
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