Interview / „Ein großes Uff“ – Außenminister Xavier Bettel über das Ergebnis der Frankreichwahl
Luxemburgs Außenminister und ehemaliger Premierminister Xavier Bettel sagt Frankreich eine komplizierte Regierungsbildung voraus. Für das französische Parlament eröffne sich aber auch eine Chance, den „Rassemblement national“ einzudämmen.
Tageblatt: Was waren Ihre ersten Reaktionen auf die Resultate?
Xavier Bettel: Ein großes „Uff!“ – zu sehen, dass die extreme Rechte im Grund keine Mehrheit hat. Und auch, das ist meine persönliche Meinung, dass „La France insoumise“ und „Rassemblement national“ zusammen keine Blockademehrheit haben. So gibt es auch Alternativen ohne die Extreme. Und jetzt „bonne chance“, dass sie in Frankreich verstehen, dass das, was wir in Luxemburg seit Jahrzehnten kennen, auch das Beste für sie ist: Koalitionen und Kompromisse.
Welche Optionen sehen Sie für die Regierungsbildung in Frankreich?
Das Ergebnis macht sie nicht einfacher, weil es komplizierter wird, Mehrheiten zu schaffen. Es gibt ja ein paar Optionen. Die erste ist, dass Grüne, Sozialisten, Republikaner und Macrons Truppe wirklich eine Mehrheit finden. Das ist das, was ich ihnen wirklich empfehlen würde, nicht nur für Frankreich, auch für Europa. Eine andere Möglichkeit ist eine Technokraten-Regierung, die einzeln für die Projekte Mehrheiten suchen muss. Die dritte Option ist, dass der „Nouveau Front populaire“ einen Kandidaten präsentieren wird. Der muss dann eine Majorität finden. Und das wird dann kompliziert.
Was wäre daran zu kompliziert?
Ob er eine Mehrheit findet. Oder ob sie einen finden, der akzeptiert wird von der Mitte und dann eine Chance haben könnte, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Das ist, was ich mir wünschen würde. Andernfalls gibt es alle paar Wochen eine unsichere Situation in der „Assemblée nationale“, bei der dann eine Regierung fallen könnte. Das wäre nicht gut für Frankreich und nicht gut für Europa.
Was hat sich geändert?
Jetzt ist die „Assemblée nationale“ in der Verantwortung. Frankreich hat ein präsidentielles System, in dem der Präsident viel zu sagen hat. Und jetzt hat eine Kammer viel zu sagen. Und wenn die sich der Mission bewusst ist, ist das auch eine Möglichkeit, den Schub des Rassemblement national noch bremsen zu können. Jetzt müssen sie zeigen, dass sie es können.
Das Ergebnis kann also auch eine Chance sein?
Mit den Aussagen, die in den vergangenen 24 Stunden gemacht wurden, sieht es kompliziert aus. Jeder sagt: Das und das muss rückgängig gemacht werden, das und das kommt nicht infrage. Wenn man in die Verhandlungen geht, geht es darum, ein Programm für Frankreich zu machen. Und vielleicht ist der eine oder andere enttäuscht. Aber wenn sie es fertigbringen, eine Majorität zu finden und zu zeigen, dass es auch zusammen geht und der Graben zwischen rechts und links vielleicht ein bisschen kleiner wird – dann kann das auch dabei helfen, dass der Rassemblement national weniger groß wird. Wenn sie das nicht hinbekommen, ist das Risiko da, dass der Rassemblement national noch wächst.
Was, wenn es zu einem politischen Stillstand kommt? Was bedeutet das für Europa?
Es ist nicht gut für Europa, wenn ein großes Land politisch immobilisiert wird. Und das über ein Jahr, so lange muss man vom Dekret des Präsidenten bis zu Neuwahlen warten. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass eine Mehrheit gefunden wird. Aber für die Franzosen ist die Situation ganz neu, das haben sie gar nicht gekannt. Sie haben ihr System extra mit einer Mehrheitswahl in zwei Wahlgängen gemacht, damit Mehrheiten dabei herauskommen. Im Grunde haben sie jetzt aber das Resultat einer Verhältniswahl. Das ist etwas ganz Komisches, die drei großen Blöcke. So uneinheitlich sind sie nicht gewohnt zu arbeiten. Und selbst innerhalb der Blöcke gibt es Differenzen – gibt es beispielsweise im linken Block einen politischen Willen, gemeinsamen Nenner zu machen?
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