Weinbau / Ein grüner Daumen, „Piwis“ und der „King der Rotweine“
Ein grüner Daumen, eine gute Nase für die Nachfrage zwölf Monate später und Scoutqualitäten für den Geschmack der Konsumenten: Das macht eine gute Rebschule aus. Carlo Faber (62) betreibt die einzige „Pépinière viticole“ in Luxemburg. Sein Blick auf den Weinbau im Land muss visionär sein.
Als Lieferant für die Rebpflanzen der Winzer steht er am Anfang der vielen Schritte, die es braucht, um Wein zu erzeugen. Carlo Faber (62) hat das Monopol auf die jungen „Rebschüler“ in Luxemburg und baut selbst an. Auf 20 Hektar zieht der Winzersohn groß, was Weinliebhaber mit der Mosel verbinden. Auxerrois, Gewürztraminer, Pinot gris und blanc, Rivaner, Elbling oder Weißburgunder, um nur die bekanntesten Sorten zu nennen.
Das Wort „züchten“ mag er im Zusammenhang mit dem, was er macht, nicht. „Veredelung“ oder „vermehren“ hört sich in seinen Ohren besser an und trifft es eher. Sein Interesse daran entdeckt er noch während der Ausbildung zum Winzer in Trier. Ein Jahr mit viel Pflege und Hege brauchen die Jungpflanzen, bis sie „eingeschult“ werden können, das heißt verkaufsfähig sind. Noch mal zwei Jahre vergehen, bis sie die ersten Erträge liefern.
Eine Million Jungpflanzen im Jahr
Das muss er vorfinanzieren, was bei einer Million verkaufter Pflanzen pro Jahr eine Menge ist. „Wenn ich mal aufhöre, ist das letzte Jahr reiner Umsatz“, sagt er. Daran ist vorläufig aber nicht zu denken. Die Rebschule läuft gut. Nachdem ihn in den letzten Jahren die Briten entdeckt haben, fragen jetzt vor allem Belgier seine Pflanzen an. Das Interesse kommt ihm gelegen. Brexit und Nicht-Brexit und dann doch wieder schadet dem Geschäft.
Dem hat sogar Corona nichts anhaben können. Kurz nach dem Lockdown und einer geschlossenen Grenze warteten 230.000 Jungpflanzen darauf, nach Belgien ausgeliefert zu werden. Fabers Ware ist lebendig und kann nicht mal eben so auf Eis gelegt werden. Er bekommt eine Sondergenehmigung. Die grünen Punkte auf der großen Landkarte des luxemburgischen Nachbarn, die an einer Wand in seinem Büro hängt, zeigt, wohin er geliefert hat. 20 Prozent mehr Umsatz stehen am Ende dieses Jahres, schätzt er.
Allein ein Drittel seiner durchschnittlichen Liefermenge pro Jahr hat er im Frühjahr an das Nachbarland geliefert, dessen Klischee sonst eher Kompetenzen in Sachen Bier, Pommes und Schokolade hervorhebt. Deutschland ist neben dem heimischen Markt und Frankreich ein weiterer großer Abnehmer. Zwar liefert er nach wie vor überwiegend herkömmliche Jungpflanzen, hat aber einen Trend ausgemacht. Die „Piwis“ haben sich mit 15 bis 20 Prozent mittlerweile einen beachtlichen Anteil an der Liefermenge erobert.
„Piwis“ sind im Kommen
„Piwi“ ist die Abkürzung für „Pilz-widerstandsfähige Sorten“. „Das kommt immer mehr“, sagt Faber. Sie müssen nur noch drei- bis viermal pro Saison gespritzt werden statt wie die herkömmlichen Pflanzen zehn- bis zwölfmal. „Bio und ökologisch wollen immer mehr Weintrinker im Glas“, sagt er und zählt zusätzlich das Einsparpotenzial beim Dünger bei den Vorteilen auf. „Gerade die neu entstehenden Weinbaugebiete wie in Belgien setzen auf diese Sorten“, sagt Faber.
Diese Tatsache ist ein Ergebnis des Klimawandels und des wachsenden Umweltbewusstseins. Ob die daraus gewonnenen Produkte, die so seltsame Namen wie „Johanniter“, „Solaris“ oder „Souvignier gris“ im Weißweinbereich tragen, jemals ganze Regale füllen werden, ist eine Frage, die Marketingstrategen lösen müssen. Bislang greifen Weintrinker immer noch lieber zu dem, was sie kennen. Das Klima verursacht aber noch andere Probleme.
„Wir müssen viel mehr bewässern“, sagt Faber. In Luxemburg gibt es kaum Brunnen wie in der Rheinebene, wo viel Wein angepflanzt wird. An der luxemburgischen Mosel muss das Wasser per Tankwagen in die Weinberge geliefert werden. Vor allem die jungen Pflanzen brauchen einiges. „Viele Winzer legen neuerdings verstärkt Tropfbewässerungsanlagen an, um die Pflanzen zu versorgen“, sagt Faber. Weinveredeler wie er denken über die verstärkte Vermehrung von Sorten nach, die Trockenheit besser vertragen.
Das sind Sorten, die aus dem Süden kommen. Schon jetzt stehen immer mehr Rotweinreben an der Mosel und zeugen vom Umdenken. „Vor 50, 60 Jahren war die luxemburgische Mosel voll mit Elbling“, sagt Faber. Das ist ein Weißwein. Der „King der Rotweine“ an der Mosel ist aktuell der Pinot noir, dessen Anbau genau wie der des Cabernet Sauvignon zugenommen hat. Aber auch ein Syrah oder ein Merlot „made in Luxembourg“ ist in größeren Mengen als bisher in Zukunft denkbar.
Und die diesjährige Ernte? 300.000 Kilo Trauben erntet er normalerweise pro Jahr auf seinen 20 Hektar und liefert sie an die Genossenschaft. Dieses Jahr ist es nicht so viel. Auf zwischen 20 und 30 Prozent schätzt er den eigenen Verlust wegen der Trockenheit und liegt damit im Mittel, was den diesjährigen Ertrag entlang der Mosel angeht. Diese Prognose hatten Genossenschaft und Privatwinzerverband unisono schon vor der Ernte abgegeben.
Bleibt noch der Blick auf die grünen Steilhänge, weswegen die Moselgegend so beliebt ist. Seine Aussicht darauf, wo der Weinbau in Luxemburg in 20 Jahren stehen wird, ist sorgenvoll. Es gibt Nachwuchsprobleme wie in vielen anderen Branchen auch. Vor allem bei den Genossenschaftswinzern fehlt es an jungen Winzern. Bei den Privatwinzern gibt es sie. „Die Hälfte der 1.200 Hektar Weinbaugebiet im Land bewirtschaften Winzer, die früher oder später das Pensionsalter erreichen“, sagt Faber. „Das können die jungen Privatwinzer nicht alles auffangen.“ Wie es dann weitergeht, bleibt eine spannende Frage.
Rebschule Carlo Faber
1, rue de Remich, 5471 Wellenstein, Luxemburg; Telefon: (00352) 23 69 90 29; www.faber-poggi.lu
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