/ „Ein Hotel ist wie eine Religion, man muss daran glauben“: Carlo Cravat über die Zukunft des Grandhotels
Sie sind an exponierten Lagen zu Hause, mal mehr, mal weniger gut erhalten, und doch versprühen sie immer den noblen Charme früherer Jahrzehnte oder auch Jahrhunderte: Grandhotels. In der Regel sind sie ihrem Namen entsprechend großzügig angelegt, mindestens mit einem Dutzend Küchenchefs, einem Vielfachen an Empfangschefs und Gouvernanten ausstaffiert. Es gibt jedoch auch kleine Ausführungen, die nicht weniger romantisch sind und die sich vielleicht nicht im klassischen Sinne als solche sehen, aber gleichermaßen „groß“ sind, so wie das Grand Hotel Cravat.
Seine Bar, Le Trianon, ist sicherlich ein Herzstück der charmanten Herberge und einzigartig im Großherzogtum. Im Jahr 2007 hat sie es sogar auf die Kinoleinwand geschafft. Die Originalbar aus den 1950er Jahren hatte als Kulisse für eine Liebesszene überzeugt und so ließ der britische Regisseur John Strickland die Darsteller von Lady Di und Dodi Al Fayed in der Verfilmung ihrer tragisch endenden Liebesgeschichte am nostalgischen Holztresen anstoßen.
Gleich gegenüber einem der Wahrzeichen der Stadt schlechthin, der „Gëlle Frau“, ruht das Grand Hotel Cravat selbstbewusst an der Corniche in bester Lage zwischen dem place de la Constitution und dem Knuedler. Bei Dunkelheit leuchtet der Schriftzug seines Namens in Neon-Pink. Mit seinen rund 60 Zimmern ist das Cravat ein mittelgroßes Hotel, seine Klasse verspricht gehobenen Komfort und hält ihn auch. Erst vor wenigen Jahren wurde wieder renoviert und auch in Sachen Technik nachgerüstet.
Vier Generationen unter einem Dach
Der Barchef trägt Fliege, der Direktor immer Jackett, Krawatte und die nötige Portion souveräne Contenance. Carlo Cravat ist eines von zwei Kindern und führt das Familienhotel seit 1990. „Ich wollte früher lieber zur Armee, um eine Offizierslaufbahn anzutreten, aber der Respekt vor meinem Vater hatte gesiegt und so bin ich seinem Wunsch nachgekommen, die Führung unseres Hotels zu übernehmen“, sagt er.
Der galante Luxemburger ist zweifelsohne zu einem Profi geworden, dem die Rolle des Hoteldirektors gut zu Gesicht steht. Und wer sein Haus betritt, wird umgehend Teil seiner Geschichte. Bereits vier Generationen der Cravats sind in diesem Hotel geboren und gestorben, erzählt der 54-Jährige. Sein Urgroßvater Nicolas und seine Urgroßmutter Catherine waren die ersten Gastgeber Ende des 19. Jahrhunderts. Sie hatten das ursprüngliche Gebäude im Jahr 1895 gekauft: sechs Zimmer und eine Brasserie. 1932 wurde abgerissen und neu gebaut, man vergrößerte sich auf 20 Zimmer.
Tod des Nachtportiers
Rund 20 Jahre später kam ein weiterer Teil dazu, ebenjener, wo sich bis heute die Bar befindet. Nach Fertigstellung eines Mittelstücks zwischen Alt- und Neubau war im Jahr 1965 das Grand Hotel Cravat in der Form fertiggestellt, wie man es heute kennt. Das Geburtsjahr Carlo Cravats war ein wichtiges, freute man sich doch sehr über einen männlichen Nachkommen, der das Haus in die Zukunft führen könne. „Die Männer waren zwar als Direktoren an der Front, aber die Frauen in unserer Familie die Chefinnen im Hintergrund. Ich nenne sie gerne ‚Löwinnen‘, die uns Männer sehr unterstützt haben und es natürlich auch heute tun.“
Im Jahr 1979, Cravat selbst war noch Teenager, konnte von Seiten der Gastgeber-Familie allerdings niemand helfen, sondern nur mit großer Bestürzung einen tragischen Fall des Raubmordes hinnehmen. Der Nachtportier wurde damals überfallen und erstochen. Ein Einzelfall, glücklicherweise, im Hotel genießt das Thema Sicherheit nämlich höchste Priorität.
Ausgestattet ist das Haus bis heute unter anderem mit lokalen Marken, die zur Geschichte des Landes seit Jahrhunderten dazugehören. So ist Porzellan von Villeroy & Boch im Einsatz, die Kaffeebecher im hauseigenen Restaurant sogar mit eigenem Dekor versehen, das in der Manufaktur im Rollingergrund von Luxemburgern designt und im saarländischen Merzig hergestellt wurde.
Die Hoffnungen ruhen auf Sohn Bruce
Es zeigt das Hotel sowie einige Sehenswürdigkeiten, man ist stolz auf exklusive, persönliche Noten wie diese. Sie machen den Unterschied. Über alle Dekaden und Renovierungen hat sich immer eines bewährt: die Tradition. „Wir sind ‚old school‘ und das ist gut so“, so Cravat. „Ich darf Hüter der Flamme sein und es wäre schön, wenn die nächste Generation sich dazu entschließen würde, sie zu übernehmen, wenngleich sie natürlich selbst entscheidet.“ Drei Kinder, drei Möglichkeiten, aber nur einer könnte die große Hoffnung sein: der jüngste Sohn Bruce. Die beiden Töchter, Alexia und Laila, studieren im Ausland, Bruce wird, genau wie sein Vater und Großvater, die Hotelfachschule in Lausanne besuchen. Ob er anschließend in Luxemburg Hotelier sein möchte, ist noch ungewiss, die nötige Schule wird aber schon einmal die Basis bilden.
Bevor Carlo Cravat in die Fußstapfen seines Vaters trat, sammelte er internationale Erfahrung. Im Luxushotel The Peninsula in Hongkong hospitierte er sieben Monate und kehrt bis heute regelmäßig, wenn auch in größeren Zeitabständen, zurück. Gleichwohl der Beruf des Hoteliers – vor allem, wenn man, wie die Cravats, selbst im Hotel lebt – ein Fulltime-Job über ein normales Maß à la „Nine to Five“ hinaus ist, so nimmt sich der Hausherr mittlerweile auch für andere Aufgaben Zeit. „Ich bin nur noch fünf Tage die Woche Hotelier, an einem Tag darf ich ausbilden und das macht mir großen Spaß.“ An der EHTL, der „Ecole d’hôtellerie et de tourisme“ in Diekirch vermittelt er vor allem, „was zur Gastgeber-Rolle dazugehört“, wie er sagt. Ehrenamtlich engagiert er sich im Netzwerk Rotary, ist aktives Mitglied der EHMA, European Hotel Managers Association.
In seiner Freizeit verbringt er möglichst viel Zeit mit seiner Frau und der Familie, feilt, so oft es geht, an seinem Handicap im Golfclub Grand Ducal. Im Sommer genießt er traditionsgemäß eine Auszeit an der Côte d’Azur und reist ansonsten nur gerne, wenn es „besser ist als zu Hause“.
Schweigen inklusive
Wer sich übrigens wundert, warum das südafrikanische Honorarkonsulat in Luxemburg im Hotelgebäude beheimatet ist, für den sei das Rätsel nun gelöst: Carlo Cravat ist zuständiger Honorarkonsul. Nachdem er viele Jahre das gleiche Amt für den Staat Niger ausgeübt hatte, fragte man ihn, ob er künftig für die südlichste Republik des Kontinents aktiv sein möchte. Er stimmte gerne zu. Empfänge mit internationalen Botschaftern und anderen diplomatischen Gesandten werden im Hotel seit jeher ausgerichtet. Da Diskretion in einem Hotel wie dem Cravat oberste Priorität hat, wird über prominente Gäste und Details zu deren Reise natürlich nicht gesprochen.
Ein bisschen mehr Zeit als früher hat Carlo Cravat seit der Schließung der Brasserie. Vor vier Jahren fiel diese ökonomisch motivierte Entscheidung zum Leidwesen treuer Fans. Der Einzug von „Dean & David“, der neuen Generation gesünderer Fastfoodketten, bedeutet für die einen Stilbruch, für andere eher die willkommene Präsenz moderner Gastronomie zum kleinen Preis.
Tradition und Intimität werden gepflegt
Hausgästen sowie externen Besuchern steht nach wie vor das Restaurant des Hotels zur Verfügung und auch in der Bar werden auf Anfrage Speisen serviert. Gäste buchen zu privaten Anlässen zum Beispiel ein Buffet, Fingerfood oder Barsnacks. Sogar Klassiker wie das Eisdessert „Omelette norvégienne“, auch als „Omelette soufflé surprise“ bekannt, das auf vielen Karten verschwunden ist, werden auf Wunsch zubereitet.
Man pflegt eben Tradition und im Übrigen auch Intimität. „Ich bin ganz glücklich damit, dass die Bar immer noch Geheimtippcharakter hat und nicht überfüllt ist. Für Gäste ist sie wie ein Wohnzimmer, das war sie auch lange für mich. Als ich noch geraucht habe und man es hier noch durfte, bin ich ab und zu hergekommen für eine Zigarettenlänge.“
Von unserer Korrespondentin Greta Bauer
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