Naher Osten / Ein Jahr Krieg – das sind Israels Ziele
Ein Jahr nach dem grausamen Hamas-Überfall auf Israel und der Verschleppung von 251 Geiseln sieht sich das Land besser aufgestellt im Kampf gegen Hamas und Hisbollah. Hochrangige Sicherheitsexperten enthüllten in Brüssel die weiteren Kriegsziele.
Das Briefing über die israelische Sicht auf ein Jahr Krieg seit dem Hamas-Terroranschlag am 7. Oktober findet an diesem Montag in der europäischen Hauptstadt unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen statt. Der Ort des Treffens wird erst kurz zuvor kommuniziert, schließlich wähnen sich die Gastgeber, wie es Israels EU-Botschafter Haim Regev im Verlauf der Vorträge ausdrücken wird, auch in Brüssel an einer „Front“ – an der Front gelungener Hamas-Propaganda und nachdrücklicher Unterstützung für all jene, die Israel ausradieren wollen. Zwar kommt an diesem Tag auch aus israelischem Mund einmal das Wort „Frieden“. Aber es ist beschränkt auf die Option, dass die Hamas und die Hisbollah ihre Angriffe auf Israel einstellen und die immer noch 101 festgehaltenen Geiseln freilassen, dann könne „morgen Frieden sein in Nahost“. Doch damit scheint unter den hochrangigen Sicherheitsexperten keiner zu rechnen. Und daher beschreiben sie wieder und wieder, warum sich Israel auf einen „langen Krieg“ eingestellt habe.
Es sind einflussreiche Fachleute wie der frühere Chef des nationalen Sicherheitsrates, Generalmajor Yaakov Amidror, die den Europäern Lage, Gefühl und Perspektiven Israels in einem vor allem vom Iran geschaffenen „Ring aus Feuer“ rund um ihr Land nahezubringen versuchen. Und so räumt denn Amidror sogleich alle europäischen Zweifel an einer Ausweitung des Krieges vom Gaza-Streifen auf den Libanon aus. Israel habe sich in den letzten Jahren vor allem darauf konzentriert, der wachsenden Bedrohung aus dem Norden Herr zu werden. Die Lage im Libanon sei „zehnmal komplizierter“ als im Gaza-Streifen, weil die vom Iran gesteuerte Hisbollah „zehnmal stärker“ sei als die Hamas in Gaza. Israel müsse an dieser Stelle „20 Mal stärker“ sein und habe im Libanon „50 Mal mehr Ziele“ als im Gaza-Streifen. Als der Ex-General den Zweck der israelischen Militärschläge gegen die Hisbollah im Libanon erläutert, fallen auch die letzten Hoffnungen auf einen nur begrenzten Waffengang.
Kein von Terror und Korruption geprägter Staat
Was die Welt seit einigen Tagen erschüttert, scheint nur der Anfang zu sein, nicht eine vorübergehende Ausweitung. „Wir wollen der Hisbollah die Fähigkeit zu einem 7.-Oktober-Szenario nehmen“, erläutert Amidror. Am Ende solle – wie die Hamas aus Gaza – auch die Hisbollah im Libanon nicht mehr in der Lage sein, andauernd Raketen auf israelische Dörfer und Städte abzufeuern. Es dürfe sich nicht noch einmal ein solches „Monster“ vor den Toren Israels entwickeln. Ganz offensichtlich ist Israels Kriegsziel, den „Ring aus Feuer“, den der Iran geschaffen habe, durch einen Ring aus Pufferzonen zu ersetzen, aus denen heraus keine Übergriffe im großen Stil mehr möglich sind.
Langfristig denkt der Sicherheitsstratege noch sehr viel weiter: Israel brauche eine größere Armee, eine von ausländischen Lieferungen unabhängige Produktion und Bevorratung von Waffen und Munition, eine verstärkte Abwehrfähigkeit einschließlich Lasersystemen gegen anfliegende Raketen, ein robusteres Potenzial, auch in weiter Entfernung operieren zu können (also gegen Angriffe aus dem Jemen und aus dem Iran) und bessere Werkzeuge, auch präemptive Kriege führen zu können.
Und was sind Israels Visionen von einem dauerhaften Frieden? Wie denkt es über eine Nachkriegsordnung in Form der von den Europäern immer wieder angemahnten Zweistaatenlösung? Wieder verfolgen die Experten aus dem Nahen Osten an dieser Stelle vor allem die Absicht, den Hoffnungen, Erwartungen und Einschätzungen aus Europa eine ausgeweitete Sicht auf die Realitäten vor Ort zu vermitteln. Einen palästinensischen Staat, der von Terror und Korruption und dem unbedingten Willen zur Vernichtung Israels geprägt sei, würden nicht nur die Israelis niemals erlauben, sondern auch die arabischen Nachbarstaaten nicht zulassen, erläutert der jordanisch-palästinensische Analyst Ghaith Al Omari vom Washington-Institut.
Iran hat kein Interesse an Krieg mit Israel
Und der politische Berater Ahmed Al-Khuzaie verweist darauf, dass der Iran selbst an einem direkten Krieg mit Israel kaum Interesse habe und deshalb seine Proxies die Angriffe unternehmen lasse, weil das Land selbst geschwächt sei. Was im Westen wenig wahrgenommen werde, seien die vielen Aufstände gegen das Regime und die klare Einschätzung der Machthaber, dass die Bevölkerung einen Krieg gegen Israel nicht mitmachen werde. Und wie denken Israels Militärs über einen Krieg gegen den Iran? „Wir treffen keine Entscheidung, wir bereiten uns nur vor“, sagt General Amidror. Zuvor hat er auf eine Frage nach den aktuellen und künftigen Fähigkeiten der israelischen Streitkräfte ausweichend geantwortet. Darüber erteile sein Land niemals Auskunft, aber es sei gewillt, immer wieder mit seinen Fähigkeiten zu überraschen. So seien israelische Spezialkräfte nun in der Lage, Gegner auch in einem unterirdischen System von Gängen und Bunkern zu bekämpfen. Davon könnten Spezialkräfte auf der ganzen Welt lernen.
Dem aktuellen Hauptziel der Befreiung der verbliebenen 101 Geiseln ist Israel mit diesen Fähigkeiten indes noch nicht näher gekommen. Und eine Vision von einem Weg zu einem friedlichen und sicheren Zusammenleben ist an diesem Tag in Brüssel auch nicht die Rede. Die Sicht bleibt beschränkt auf die Auslöschung aller, die Israel auslöschen wollen.
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