/ Ein Lachen für Ecuador: Luxemburger Zahnmediziner Dr. Georges Kratzenberg engagiert sich in Südamerika
Dr. Georges Kratzenberg, Facharzt in Zahnmedizin und Kieferorthopädie, bietet seit 2012 bedürftigen Kindern in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito kostenlose Behandlungen an. „Es zerreißt mir das Herz, wenn Kinder aufgrund von Kiefer- und Zahnfehlstellungen nur noch auf zwei Zähnen kauen können“, so der Facharzt im Gespräch mit dem Tageblatt.
Von André Feller
Zusammen mit seiner Gattin wird er im November als Präsident der Vereinigung „Un sourire pour l’Equateur“ zum neunten Mal nach Quito reisen, wo ein drittes Zentrum für Orthodontie eröffnet wird. Mit im Gepäck befindet sich diesmal ein Behandlungsstuhl.
Dramatische Fehlstellungen von Zähnen und Kiefern sind in Luxemburg dank zahnmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen eher selten. In Entwicklungsländern wie Ecuador ist die medizinische Versorgung dagegen sehr schlecht. Bedürftigen Menschen, und das ist die Mehrheit, bleibt der Zugang zu den wenigen Zahnärzten oder Krankenhäusern verwehrt. Dr. Georges Kratzenberg, seine Gattin und Mitarbeiter seiner Praxis haben sich zum Ziel gesetzt, den Kindern in Quito ihr Lächeln zurückzugeben.
Tageblatt: Was war der Auslöser, die Vereinigung zu gründen und selbst vor Ort zu helfen?
Dr. Georges Kratzenberg: 2012 leisteten meine Gattin und ich einen finanziellen Beitrag für ein ehrenamtliches Hilfsprojekt von Studenten der Europaschule in Honduras. Zeitgleich wies mich eine Bekannte unserer Familie auf die unterentwickelte Zahnmedizin in ihrem Heimatland Ecuador hin. Es genügte mir nicht, nur Geld zu spenden. So entschieden wir uns dazu, selbst anzupacken. Über unsere Bekannte stellten wir Kontakte in Quito her. Die erste Reise führte uns in ein Krankenhaus namens San José Obrero im Norden der Hauptstadt Ecuadors. Wir finanzierten die gesamte Reise und das zahnärztliche Material aus Eigenmitteln.
Unter welchen Bedingungen arbeiteten Sie das erste Mal in Quito?
Als Erstes galt es, die Logistik zu organisieren: 40 Kilo zahnärztliches Material musste von Luxemburg nach Quito befördert werden. Die Einreise gestaltete sich aufgrund der strengen Zollkontrollen als kompliziert. Vor Ort angekommen, mussten wir improvisieren. Die Hygiene im Krankenhaus war gleich null, der Behandlungsstuhl stammte aus den Fünfzigerjahren, die Beleuchtung mussten wir uns aus einer anderen Krankenhausabteilung besorgen. Körperlich gelangten wir an unser Limit. Die klimatischen und geografischen Bedingungen machten uns zu schaffen. 2.800 Meter Höhe, Sauerstoffmangel, Bergkrankheit und Bluthochdruck, das sind wir in Luxemburg nicht gewöhnt. Kurzum: Niemand wusste, worauf wir uns eingelassen hatten.
Seit 2012 behandeln Sie die Kinder in Quito kostenlos. Wie finanzieren Sie die Reisen, das Material und die Nachsorgeuntersuchungen?
Nach unserer Rückkehr fanden wir recht schnell einen großen und danach kleinere Sponsoren. Wir gründeten die Vereinigung „Un sourire pour l’Equateur“. Mit den Spenden können wir die Behandlungen vor Ort gewährleisten. Dabei geht es nicht nur um die Erstbehandlung, also das Anbringen der festen Zahnspangen, sondern auch um die Vorbereitung und die Nachsorge von ansässigen Zahnärzten vor Ort. Die Kinder bzw. Familien können diese Behandlungen nicht bezahlen, also übernimmt die Vereinigung die Kosten in Höhe von 8 bis 12 US-Dollar pro Zahnarztbesuch.
Welche Etappen sind für die Vorbereitung der kieferorthopädischen Behandlung notwendig?
An erster Stelle steht die Zahnhygiene. Diese ist katastrophal, kaum ein Kind putzt sich die Zähne. Süßigkeiten und gezuckerte Säfte werden in Unmengen verzehrt. Infolgedessen leiden die meisten Patienten an Karies, Zähne faulen schmerzhaft weg. Ab Einsetzen der Zahnfäulnis befinden sich die Betroffenen in einem Teufelskreis. Aufgrund der Schmerzen nehmen die Patienten beim Kauen eine sogenannte Schonhaltung ein. Fehlstellungen des Gebisses und der noch verbleibenden Zähne sind die Folge. Unsere lokalen Partner ziehen die Zähne und betreiben Kariesprophylaxe. Erst wenn dieser Teufelskreis durchbrochen ist, können wir mit einer kieferorthopädischen Behandlung beginnen.
Wie sieht diese Behandlung aus?
Nach eingehender Untersuchung bringe ich eine feste Zahnspange an. Diese hat mehrere Vorteile gegenüber einer herausnehmbaren Spange. Eine feste Spange besteht aus sogenannten „Brackets“. Das sind eine Art Metallplättchen, die auf die Zähne geklebt werden. Untereinander werden diese Plättchen mit einem Draht verbunden. Das System ist sozusagen universell und kann vor Ort schnell und kostengünstig angebracht werden. Auf ein zahntechnisches Labor sind wir nicht angewiesen.
Bilden Sie auch Zahnärzte vor Ort aus?
Die Aus- und Fortbildung von Zahnärzten und Assistenten vor Ort ist eine Grundvoraussetzung unserer Hilfe. Einerseits geht es darum, unsere lokalen Partner zur nachhaltigen Selbsthilfe anzuleiten, andererseits muss die Vorbereitung und Nachsorge in Quito gewährleistet sein. Ich bin jetzt 67 und kann nicht jeden Tag vor Ort sein, selbst wenn ich es gerne tun würde.
Stehen Sie mit den Ärzten in Quito das ganze Jahr über in Kontakt?
Das Internet ermöglicht eine gute Kommunikation. E-Mails, Röntgenbilder, Fotos oder Videos lassen sich schnell übermitteln. Somit kann ich von Luxemburg aus jederzeit mit Ratschlägen zur Seite stehen und eine Betreuung auf Distanz gewährleisten.
Im November haben Sie einen dritten Behandlungsstuhl im Gepäck. Was konnten Sie selbst bzw. über die Vereinigung bisher in Quito erreichen?
Dank unseres Einsatzes bieten jetzt zwei Krankenhäuser die kieferorthopädischen Behandlungen an. Der dritte Behandlungsstuhl kommt einer Privatpraxis einer jungen Zahnärztin zugute, die ihr Studium abgeschlossen hat und schon seit drei Jahren mit einem jungen Zahnarzt die Vereinigung in Quito überwacht und leitet. Seit 2012 haben wir 400 Kinder erfolgreich behandelt und die Anzahl wird jetzt dank der jungen Zahnärzte steigen.
Was motiviert Sie, die sehr anstrengende Arbeit in Quito fortzusetzen?
Es ist vor allem die herzliche Dankbarkeit der Kinder, der glückliche Blick in ihren Augen, wenn sie nach Monaten oder gar Jahren wieder schmerzfrei kauen oder lächeln können.
Wie setzt sich das behandelnde Team zusammen?
Unser Team besteht aus vier Leuten in Luxemburg und fünf Mitarbeitern in Ecuador. Dieses Jahr reise ich alleine mit meiner Frau, die mir assistieren wird. Wir legen besonderen Wert auf die Ausbildung der jungen Ärzte und die Erziehung in Bezug auf Hygiene und Ernährung der Kinder. Dann werden wir wahrscheinlich viele Behandlungen abschließen können und neue Fälle beginnen.
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Bravo Herr Doktor. Das ist aktive Hilfe vor Ort und keine Überweisung von Hilfe in dunkle Kanäle.