Bildung in der Pandemie / Ein neuer Plan: Schulen sollen aufbleiben – auch wenn das Virus nicht aufgibt
Bildungsminister Claude Meisch hat erklärt, wie die Schulen ab dem 22. Februar wieder im Präsenzunterricht funktionieren sollen – auch wenn ein absehbarer erneuter Anstieg der Infektionszahlen eintritt. Dazu wurde der bisherige Reaktions-Stufenplan angepasst. In Stufe eins bleibt prinzipiell zwar alles beim (inzwischen) Gewohnten – eine generelle Maskenpflicht und strengeres Testregiment sollen aber helfen, dass die neuen Virusmutationen an den Schulen nicht sofort leichtes Spiel haben.
Als der Bildungsminister am Freitagmittag vor die Reporter und (Streaming-)Kameras tritt, hätte er sich für sein Timing an einer Schule wohl erst mal einen Klassenbucheintrag eingehandelt. Und auch mit der Viertelstunde Verspätung kommt er nicht sofort zu den für die kommende Praxis wichtigen, handfesten Punkten – sondern nimmt sich zunächst die Zeit, zu erklären, warum die Wiederöffnung der Schulen zu wagen sei. Die Infektionszahlen sind ja doch bestenfalls relativ niedrig – und überregional und längst auch lokal ist zu erkennen, dass mit den neuen Virusmutationen auch die „Schulbevölkerung“ häufiger getroffen wird.
Meisch zählt noch einmal die neuesten Zahlen auf: Wochenweise weist die Statistik erst 168, dann 301 und jüngst 379 Fälle in allen vier Schwerestufen auf. Er erinnert an die großen Cluster, die vor kurzem aufgeschreckt haben – etwa in der Albert-Wingert-Schule in Schifflingen, wo es 50 positive Fälle auf einmal gab, oder in der Waldbillig-Grundschule, mit 20 positiven Fällen in der dortigen Betreuungseinrichtung. 30 Prozent der Infektionen dürften in und um die Schulen geschehen sein. Sequenzierungen laufen zwar teils noch, da sie sehr aufwendig sind, aber für den größten Cluster in Schifflingen wurde zudem das Vorhandensein der Variante UK B.1.1.7 bereits bestätigt.
Dass die Schulen trotzdem wieder öffnen sollten, mit diesem Wunsch stehe er alles andere als allein da, ist Meisch überzeugt: Mehr als zwei Dutzend Treffen seit Ende Januar mit allen denkbaren Interessenvertretern des Bildungssektors listet eine Pressemitteilung auf, die Meisch parallel verteilen lässt. „Direktionen, Gewerkschaften, Elternvertreter, Schülervertreter – da gibt es einen großen Konsens, dass jeder will, dass wir die Schulen so lange wie möglich im Präsenzunterricht betreiben“, sagt Meisch. Dazu wünsche man sich aber auch ein Modell, das nicht starr ist, sondern sich dynamisch an die lokale Situation anpasst.
„Geht vielen jungen Leuten gerade nicht gut“
Schule sei ja durch alle Altersstufen und Erscheinungsformen mehr als nur der Ort der Wissensvermittlung. „Kinder brauchen ihre Gruppen, ihre sozialen Kontakte, Freunde – und es hat ihnen in den Wochen, in denen sie nicht zur Schule gehen konnten, ganz viel gefehlt im Lockdown.“ Man merke auch ganz schnell im Schulischen, wenn der Präsenzunterricht wegfalle – von der Sprachentwicklung bis hin zur Vorbereitung auf die Universität. Und sowieso müsse man ja feststellen: „Es geht momentan vielen jungen Leuten nicht gut.“
Nach einem Jahr voller Einschränkungen, Zukunftsängsten und Monotonie habe sich die Lebensrealität vieler Menschen „komplett auf den Kopf gestellt“. Was für ihn selbst als 50-Jährigen vielleicht schon „belastend“ sei, treffe die Jüngeren ja noch viel stärker: Es sei essenziell für die Jugend, unbekümmert zu sein, Erfahrungen zu machen, sich selbst und seine Umwelt kennenzulernen. „Das alles kann man nicht einfach zwei Jahre später nachholen“, ist Meisch überzeugt. Erschüttert sei er über die Belegungszahlen in den Jugendpsychiatrien: „Momentan sind wir nicht in der Situation, dass man auf den Intensivstationen eine Triage machen müsste, aber wir riskieren, eine Triage in den Jugendpsychiatrien zu machen.“
Jüngere spürten auch die gespannte Ungewissheit der Älteren und hätten selbst Angst um die eigene Gesundheit, die von Freunden und Verwandten, erinnert Meisch. „Das alles hinterlässt seine Spuren“, so sehr man sich auch, vorläufig, mit dem Virus gesellschaftlich arrangiert habe.
Fuß vom Gas
Beinahe unliberal plädiert der DP-Minister dann dafür, jetzt in der Schule aber auch den Fuß ein bisschen vom Gas zu nehmen, „vielleicht mal das auf der Seite zu lassen, was nicht wirklich essenziell ist, um gut ins nächste Jahr zu starten“. Entsprechend soll der Lernstoff für die Abschlussklassen um 15 Prozent reduziert werden, damit die Schüler eine faire Chance haben, sich trotz aller Widrigkeiten gut auf die Prüfungen vorzubereiten – und damit dort auch nur Stoff vorkommt, der behandelt wurde.
Man brauche generell jetzt auch Zeit für Gespräche, um aufeinander zu hören, ausdrücklich sollten sich die Lehrer auch mit den Eltern nicht nur über Noten und Lernstoffe zu unterhalten. Man müsse die Indikatoren kennen, die anzeigen, wenn es den Schülern nicht mehr gut geht. Das soll auch unterstützt werden durch einen Flyer und Lerninhalte im Fach „Leben und Gesellschaft“.
„Wir müssen das Virus verstehen, nicht nur medizinisch“, findet Meisch – damit man dann die „richtigen Worte“ finde, letztlich auch für die eigenen Gefühle: „Nur so können wir verhindern, dass wir am Virus verzweifeln.“
Die Schulen seien aufzuhalten, weil sie auch „Vektoren“ seien für soziale Kontakte. Und dann plädiert der Minister sogar noch dafür, dass sich die jungen Menschen auch außerhalb der Schule wieder zueinander wenden sollten, ohne die Kontaktregeln zu missachten: „Die sollen wir auch nicht infrage stellen“ – trotzdem sei auch unter den bestehenden Umständen „mit ein bisschen Kreativität“ noch einiges möglich und sogar Museen, Schwimmbäder, Kinos ja prinzipiell geöffnet. Und es sei natürlich auch virtuell vieles möglich, auch mit vielen Teilnehmern, ermuntert Meisch die Schüler.
In der Schule geht es aber dann aber natürlich auch nicht „nur“ um den sozialen Austausch, sondern ebenfalls um Lehrstoff und Zukunftschancen. Es sei „kein Geheimnis, dass Homeschooling die Unterschiede im Bildungssystem noch verschärft“ – auch darum sei es ein wichtiges Ziel, die Schulen offen zu halten.
Damit die Rückkehr in den Präsenzunterricht nicht sofort zum Fiasko wird, hat das Bildungsministerium den bisherigen Stufenplan adaptiert. Das Regelwerk soll die Öffnung der Schulen auch bei höheren Infektionszahlen gewähren und besteht prinzipiell aus drei Stufen.
Die konkreten Maßnahmen
Die erste Stufe sieht vor, dass das Schulleben am 22. Februar zunächst so weitergeht, wie es am 8. Februar geendet hat – allerdings mit einigen verschärften Maßnahmen an Grund- und Sekundarschulen, in den Kompetenzzentren und Pflegeeinrichtungen. So gilt nun eine allgemeine Maskenpflicht für alle Altersstufen ab dem zweiten Zyklus, also ab dem Alter von sechs Jahren – während des Unterrichts und danach: Denn auch in den „Maisons relais“ wird diese Pflicht gelten.
Des Weiteren soll durch verstärktes, engmaschiges Testen das Infektionsgeschehen in Echtzeit im Blick behalten werden, um im Ernstfall schnell reagieren zu können. So gibt es mehr Tests aller Schüler durch mobile Teams in den am stärksten betroffenen Schulen in der ersten Woche nach den Karnevalsferien. Das Personal, einschließlich Musiklehrern im kommunalen Bereich, wird außerdem in das „Large Scale Testing“ eingebunden. (Wer keine entsprechende Einladung erhält, kann unter testing@men.lu eine Einladung anfordern.)
In den nächsten Tagen und Wochen sollen außerdem Schnelltests evaluiert werden, die dann ab März an den Schulen zum Einsatz kommen könnten. Dabei müsste es sich aber um Test-Ausführungen handeln, die unter Aufsicht der Lehrer möglichst von den Schülern selbst genutzt werden können – ein Kriterium, das die meisten Schnelltest-Kits derzeit noch nicht erfüllen. Schüler, die aus einer Quarantänemaßnahme zurück in die Schule wollen, müssen zunächst ein negatives Testergebnis vorlegen.
Sollte es das Infektionsgeschehen erfordern, können zusätzliche Maßnahmen vom Covid-19-Lenkungsausschuss („Comité de pilotage“) beschlossen werden, um auf eine größere Ausbreitung in einer Schule oder einem Gymnasium zu reagieren.
Im Grundschulbereich würden dann Gruppen, die morgens in der Schule beisammen sind, auch bei der Betreuung in den „Maison relais“ unter sich bleiben, damit eine Vermischung unterbunden wird. Um das zu ermöglichen, sollen den Trägern dann zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt werden, um entsprechend Personal rekrutieren zu können. An den Sekundarschulen würden alle Klassen auf Wechselunterricht nach dem A/B-Modell umgestellt, außer die Abschlussklasse („Première“) und die Einstiegsklasse („Septième“), die möglichst im vollen Präsenzunterricht bleiben sollten – um einerseits die Vorbereitungen auf Prüfungen, andererseits aber auch das Ankommen in der neuen Schulform umfassend zu gewährleisten. (Derzeit befinden sich nur „Quatrième“ bis „Deuxième“ im Wechselunterricht.) Bei Kontakt mit einer infizierten Person soll dann auch sofort eine Quarantäne verhängt werden – anders als im bisherigen Modell. Generell werden Quarantänen sicher schneller ganze Klassen oder sogar Schulen treffen. Schulnahe oder außerplanmäßige Aktivitäten abseits des reinen Unterrichts wie Ausflüge oder Sport können untersagt werden.
Im Falle eines starken Anstiegs positiver Fälle in den Schulen des Landes kann noch in eine weitere Eskalationsstufe geschaltet werden (bevor es dann wohl wieder zur Schließung der Schulen käme, die sich die Regierung nach wie vor natürlich vorbehält): In der Grund- und Sekundarschule würde der Präsenzunterricht dann auf den Vormittag beschränkt, während nachmittags auf Fernunterricht gesetzt würde. Kantinen blieben geschlossen. Eine Betreuung gäbe es für Grundschüler nur vor und nach dem Unterricht bis 13 Uhr. Abgesehen von Notfallbetreuungen müssten Einrichtungen wie „Maisons relais“ und Schulwohnheime geschlossen bleiben. Ein Vorrat von 5.000 Tablets steht bereit für Schüler aus Familien, die sich entsprechendes Material nicht leisten konnten.
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“ Auch wenn das Virus nicht aufgibt“. Fürchte Corona ist hartnäckiger und stärker und profitiert von der geringsten Unachtsamkeit und Nachlässigkeit von uns Menschen, um zuzuschlagen.