Film / Ein No-Go auf zwei Beinen?: „No Time to Die“ ist der letzte Bond-Film mit Daniel Craig
In „No Time to Die“ kämpft James Bond nicht nur gegen einen Verrückten, der wieder mal die Welt zerstören will, sondern auch gegen einen durch #MeToo und den Brexit angeschlagenen Ruf.
Der letzte James-Bond-Film mit Daniel Craig hat lange auf sich warten lassen: Da, wo Christopher Nolan seine zeitreisenden Geheimagenten trotz der Pandemie letzten Sommer auf ein teilweise verwirrtes Publikum losließ, wollten die Bond-Produzenten auf Nummer sicher gehen – mit dem Resultat, dass der Film, den das Publikum jetzt zu sehen bekommt, bereits fast zwei Jahre auf dem Buckel hat.
Da Bond-Filme nie ohne Product-Placement auskommen – die teuren Schlitten, Gadgets und modischen Kostüme bieten seit jeher ausreichend Gelegenheit, die Franchise zu teuren Werbespots für eine reiche Klientel zu degradieren –, wurde der 25. Bond-Film im Vorfeld wegen seiner verspäteten Ankunft in den Kinos belächelt: Einige der im Film platzierten Produkte sollen Gerüchten zufolge so veraltet gewesen sein, dass an einigen Stellen nachgedreht werden musste.
Noch angestaubter als die Werbeprodukte ist jedoch vielleicht die Hauptfigur selbst. Denn wie zeitgemäß kann ein chauvinistischer Geheimagent, für den Frauen hauptsächlich zum Quickie zwischen zwei Verfolgungsjagden taugen, im #MeToo-Zeitalter noch sein? Die Antwort ist in der Fragestellung bereits beinhaltet – misst man ihn am Zeitgeist, ist Bond ein No-Go auf zwei Beinen.
Davon abgesehen scheint die Welt zu sehr aus den Fugen geraten, die Menschheit zu viel Schuld am Zustand unseres Planeten zu tragen, damit die Figur des Geheimagenten, der quasi auf eigene Faust die Welt rettet, noch glaubwürdig erscheint: Das Problem sind nicht mehr die Bösewichte, sondern der Mensch an sich. Gleichzeitig hat auch die Britishness, die die Franchise verkörpert und im Dienste derer Agent 007 seine Aufträge erledigt, unter rezenten politischen Ereignissen gelitten – mittlerweile verbindet man den britischen Esprit leider mehr mit dem stumpfsinnigen EU-Ausstieg als mit dem Afternoon Tea und pointierter Ironie.
Glücklicherweise stand die Craig’sche Fleischwerdung des weltberühmten Geheimagenten bereits seit dem „Casino Royale“-Auftakt für eine sensiblere, menschlichere Version von Flemings Figur – mit Daniel Craig wurde James Bond vom frauenverachtenden Dauervögler zum harten Kerl mit weichem Herz. Dieser Wandel ist in dem Sinne ein Glücksgriff, da man die Figur für den ersten Post-#MeToo-Bond nicht wahnsinnig umkrempeln musste, um sie zu rehabilitieren. Um auf Nummer sicher zu gehen, wurde das Drehbuch dennoch nachjustiert – wofür man neben den drei männlichen Autoren Phoebe Waller-Bridge, bekannt für ihre Serie „Fleabag“, gewinnen konnte.
Beware the Octopus
Die Handlung von „No Time to Die“ knüpft lose an den vorigen Film „Spectre“ an – ein Plot, den die Mehrheit bereits vergessen haben dürfte, da Handlung in James-Bond-Filmen seit jeher eine eher untergeordnete Rolle spielt – und bezieht sich auch immer wieder auf frühere Bond-Filme. Auf den recht gruseligen Vorspann, im Zentrum dessen ein meuchelnder Wahnsinniger mit kaputter Eishockeymaske (Serienmörder Jason lässt grüßen) und ein traumatisiertes junges Mädchen stehen, folgt ein weiterer Vorspann: Dank eines recht geschickten Übergangs versteht man, dass das junge Mädchen niemand anderes als Lea Seydoux’ Dr. Madeleine Swann (Proust lässt grüßen) ist, in die sich Bond am Ende des letzten Films verliebt hatte. Ein neues Bond-Girl wird es nicht geben – für James Bond ist Monogamie progressiv –, auch wenn der Film zwei weitere Frauenfiguren an Craigs Seite stellen wird.
Madeleine und James genießen die Auszeit in einem (für Normalsterbliche unbezahlbaren) Hotel mitten im charmanten italienischen Matera. Doch Swanns dunkle Vergangenheit holt das Liebespaar ein und stört die Idylle – nach einer Verfolgungsjagd, in der Bond zu Fuß, auf einem Motorrad und in einem Aston Martin gefühlt 397 Kugeln ausweicht, taucht der angepisste Geheimagent stoisch im Hotel auf, bahnt sich mit Madeleine einen Weg durch 397 weitere Verfolger und setzt seine Geliebte, von der er glaubt, dass sie ihn verraten hat, in den Zug.
„You’ll never see me again“, verabschiedet sich der nur emotional verletzte Geheimagent. Wer irgendwann in seinem Leben auch nur einen einzigen Hollywood-Film gesehen hat, weiß, dass das nicht stimmen kann, dem Film bleiben, nach dem typisch psychedelischen Vorspann (die Musik steuerte Billie Eilish bei), dann noch gut zwei Stunden, um die beiden Liebhaber zu vereinen.
Fünf Jahre nach den Geschehnissen genießt Bond seinen wohlverdienten Ruhestand auf Jamaika, ein Besuch von CIA-Freund Felix Leiter (Jeffrey Wright) und der neuen MI6-Agentin Nomi (Lashana Lynch), die Bonds Codenummer 007 übernommen hat, verleitet ihn dazu, sich eines neuen Falles anzunehmen, nicht ahnend, dass seine damalige Geliebte in die Affäre verstrickt ist. Ohne zu viel vorwegzunehmen: M (wie gehabt souverän: Ralph Fiennes) und sein MI6 haben viel Geld in eine biochemische Waffe gesteckt, die (ungewollte) Parallelen zur Covid-19-Pandemie aufzeigt – und natürlich in die falschen Hände gerät.
Starke Frauen oder Alibifiguren?
Klar: Der Plot ist abstrus, versucht teilweise zu angestrengt, die Handlung aller Craig-Filme auf ein zufriedenstellendes Finale hinzusteuern, die Verfolgungsjagden und Schießereien sind wenig glaubwürdig, Hans Zimmers Soundtrack ist wie bereits bei „Dune“ zwar pompös, durch die Bank aber unspektakulär, die Psychologie des Bösewichts Lyutsifer Safi (Rami Malek) ist wie eh und je, um es mal nett zu formulieren, rudimentär, seine Beweggründe so ausgelutscht wie die von Austin Powers Doctor Evil.
Bedauerlich ist aber vor allem, dass die starken Frauenfiguren im Endeffekt nicht viel mehr als schmückendes Beiwerk sind, die es erlauben, Bond und seinen One-Linern die Stirn zu bieten: Erst bestätigt 007-Agentin Nomi mit ihren kessen Sprüchen, dass James Bond ein „altes Wrack“ ist, gegen Ende räumt sie jedoch ein, vielleicht, weil Bond emotional angekratzt ist, dass er der wahre 007 bleibt, lässt die pointiert-bissigen Kommentare fallen und verschenkt so ihr Potenzial. Agentin Paloma (Ana de Armas), die in einer kurzen Sequenz an der Seite von Bond in Kuba kämpft, ist bedauerlicherweise nur kurz auf dem Schirm zu sehen – auch diese Figur hätte es verdient, mehr Screen-Time zu bekommen.
Vor kurzem meinte Daniel Craig, es brauche keinen weiblichen James Bond, es reiche doch aus, starke weibliche Figuren an seine Seite zu zeichnen. Klingt einleuchtend – aber betrachtet man die weiblichen Figuren von „No Time to Die“, scheint der Weg dahin noch weit. Auch die Reibereien mit M, in denen eine sehr implizite Kritik an den Entscheidungsfähigkeiten und der Hellsichtigkeit der Briten durchscheinen mag, legen sich für das Showdown. Trotzdem ist „No Time to Die“ ein unterhaltsamer Bond, der an Stellen sogar ergreifend, mutig und konsequent anmutet und dessen zerfahrener Plot durch die emotionale Bindung zwischen Madeleine und James etwas kohärenter als sonst wirkt.
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„ist der letzte Bond-Film mit Daniel Craig“
Hoffentlich der Allerletzte, Punkt.
JB ist so tot wie der Tatort.