Justiz / Ein Recht auf Recht: Bürger sollen in Luxemburg mehr staatliche Prozesskostenhilfe erhalten
Sein Recht einzuklagen, muss man sich erst mal leisten können. Jenen, die dazu nur bedingt in der Lage sind, will der Staat in Zukunft stärker unter die Arme greifen. Justizministerin Sam Tanson hat am Montag eine von der Anwaltskammer seit langem geforderte Reform der Prozesskostenhilfe vorgestellt.
Was nützen hehre Rechtsprinzipien, wenn man sein Recht nicht einklagen kann? Wenn man nicht nur recht haben, sondern auch recht bekommen möchte, sich aber eigentlich keinen Anwalt leisten kann? Nicht gut, sagt die Luxemburger Anwaltskammer. Sie fordert deshalb bereits seit über zehn Jahren eine Reform der Prozesskostenhilfe.
Am Montag hat Justizministerin Sam Tanson nun den Gesetzentwurf zur Neugestaltung der Prozesskostenhilfe vorgelegt. Diese Hilfe soll effizienter, kohärenter und gerechter werden. Vor allem soll sie den Zugang der Bürger zum Recht verbessern oder gar erst ermöglichen.
Die Prozesskostenhilfe sei ein unverzichtbares Element zur Gewährleistung des Rechtsschutzes für Rechtssuchende, denen aufgrund ihres Einkommens oder fehlenden Vermögens schlicht die Mittel fehlen, heißt es in der Erklärung.
Stufenweise Hilfe
Zwar gibt es bereits seit 1995 eine vom Staat finanzierte Prozesskostenhilfe. Sie beruht auf einem rein sozialen, aber gleichzeitig auch sehr strengen Ansatz. Sie schließt nämlich alle Personen aus, deren Einkommen die Schwelle des „Revis“ (Einkommen zur sozialen Eingliederung) überschreitet. „Ein Euro zu viel und es gibt keine staatliche Unterstützung, ein klassischer Fall“, so die Ministerin. So dürfe es nicht bleiben. Deshalb werde nun eine partielle und nach Stufen geregelte Kostenbeihilfe kommen.
Die Idee, den Zugang zu Rechtsmitteln zu stärken, besteht nun darin, Personen, welche die Kriterien für eine völlig kostenlose Prozesskostenhilfe nicht erfüllen, unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit einer teilweisen Übernahme der Kosten und Honorare zu bieten, die sich beispielsweise aus einer Klage ergeben können. Die Reform sieht je nach Einkommenslage der betroffenen Person eine stufenweise Übernahme von 50% oder 25% der Kosten vor. Auch die Zusammensetzung des Haushaltes wird berücksichtigt. Außerdem werden neue Schwellenwerte festgelegt, die den „Revis“-Betrag um 15% beziehungsweise 30% übersteigen.
Obligatorische Honorarvereinbarung
Wenn eine Person Anspruch auf teilweise Prozesskostenhilfe hat, muss sie vorab mit ihrem Anwalt eine Honorarvereinbarung abschließen. In dieser Vereinbarung werden der Stundensatz sowie die Zahlungsmodalitäten festgelegt, die für den Teil des Honorars gelten, der nicht vom Staat übernommen wird. Die Endabrechnung wird von der Rechtsberatungsstelle der Anwaltskammer auf die einzelnen Leistungen hin überprüft. Anschließend werden der Anwalt und sein Klient über den Betrag informiert, der vom Staat übernommen wird, sowie über den Betrag, den der Klient gemäß den in der Honorarvereinbarung festgelegten Bedingungen zu zahlen hat.
Neu im Gesetzentwurf ist, dass der Staat das Geld für von Minderjährigen beanspruchte Prozesskostenhilfe nicht mehr von den Eltern zurückfordert – unabhängig von deren finanzieller Situation. Somit will man vermeiden, dass es in einer mitunter bereits konfliktreichen Beziehung zwischen Minderjährigem und Eltern zu einer zusätzlichen negativen Belastung durch die Prozesskostenhilfe kommen kann. Ohnehin sei die Forderung nach Rückerstattung in den meisten Fällen nicht erfolgreich gewesen.
Schließlich wird die Prozesskostenhilfe noch auf zwei andere Anwendungsbereiche ausgeweitet: Überschuldungsverfahren sowie gerichtliche oder außergerichtliche Vermittlungsverfahren.
Dringender Bedarf
Insgesamt sei das eine gute Sache, sagt Me Valérie Dupong, die Vorsitzende der Luxemburger Anwaltskammer. Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass der Bedarf an Rechtsbeistand zunimmt. So habe es in den Jahren 2020/2021 alles in allem rund 7.600 Anträge auf Prozesskostenhilfe gegeben. 4.300-mal sei diese genehmigt worden. Wenn sie verweigert wurde, hätten die Antragssteller nicht die nötigen Bedingungen erfüllt. In anderen Worten, auch weil sie im alten System „zu viel“ verdient haben, allerdings trotzdem nicht genug, um sich einen Anwalt leisten zu können. Man rechne nun damit, dass die Zahl der für finanzielle Unterstützung bei Prozessen in Frage kommenden Fälle stark steigen wird.
Der Gesetzentwurf geht nun auf den Instanzenweg. Wann er dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt werde, wisse man noch nicht, so Justizministerin Sam Tanson: „Ich hoffe aber, so schnell wie möglich.“
„Avoué“-Examen fällt weg
Am Montag wurde ein weiterer Gesetzentwurf vorgestellt. Dieser soll den Zugang zur Ausbildung für Anwälte, Gerichtsvollzieher und Notare regeln. Nach ihrem Studium müssen die Anwärter auf einen der drei Berufe in Zukunft ein Examen ablegen, um zu den obligatorischen Kursen im Luxemburger Recht – „cours complémentaires en droit luxembourgeois“ (CCDL) zugelassen zu werden.
Bei den Anwälten soll in Zukunft zum Beispiel dann auch das „Avoué“-Examen (Zulassung) wegfallen und durch regelmäßige Prüfungen des erworbenen Wissens ersetzt werden. Ziel sei es, Misserfolge zu reduzieren und die Ausbildung praktischer zu gestalten sowie der zunehmenden Spezialisierung in den Anwaltskanzleien Rechnung zu tragen. Für Gerichtsvollzieher und Notare wird unter anderem das Praktikum verlängert. An dessen Ende müssen beide Berufsanwärter zudem ein „Mémoire“ schreiben.
Gebremster Reformeifer
Der Reformwille im Justizministerium scheint groß, aber der Weg hin zur konkreten Umsetzung dauert mitunter etwas länger. So ergeht es dann auch einem im September vergangenen Jahres vorgestellten Gesetzentwurf, der den Richtern Erleichterung bringen soll. Die Magistratur ist chronisch unterbesetzt: zu viel sowie immer mehr und immer komplexer werdende Arbeit auf der einen Seite, zu wenig Richter auf der anderen. Das gilt seit langem schon und Aussicht auf Besserung an den Gerichten gibt es kaum – es fehlt schlicht an Kandidaten fürs hohe Amt. Deshalb sollen nun 46 Posten für Justizreferendare geschaffen werden, die den Richtern zuarbeiten, Dossiers zusammenstellen und Verhandlungen vorbereiten sollen. Diese Referendare seien keine Ersatzrichter, sie würden also auch keine Gerichtsprozesse führen, so Tanson im September. Eigentlich hatte sie gehofft, dass das Referendar-Gesetz Anfang Januar dieses Jahres in Kraft treten und die Stellen ausgeschrieben werden könnten. Das ist jedoch – noch – nicht der Fall. Noch liege der Text beim Staatsrat zur Begutachtung, so die Justizministerin. Ein neues Datum will sie nicht mehr nennen.
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Das wäre doch mal was. Recht nicht nur für die Reichen,sondern auch für den kleinen Mann von der Straße. Wer traut sich schon gegen einen mächtigen Konzern oder finanzstarken Privatier anzutreten? Der bessere Anwalt gewinnt. Beispiel sind die Staranwälte in den USA. Die holen dich aus jeder Lage heraus,aber es kostet dich den letzten Heller.
„Ein neues Datum will sie nicht mehr nennen.“
St. Nimmerlein?