Biografie / „Ein Schätzchen war ich nie“: Der personifizierte Widerspruch der Uschi Glas
Im März ist Uschi Glas 80 Jahre alt geworden. Grund genug, möchte man meinen, um mithilfe von Olaf Köhne und Peter Käfferlein ein weiteres biografisches Buch zu publizieren. Wobei sich der Titel „Ein Schätzchen war ich nie“ auf den Spielfilm bezog, mit dem die Schauspielerin 1968 ihren Durchbruch erlebte.
„Zur Sache Schätzchen“ der Regisseurin May Spils machte Uschi Glas für kurze Zeit zum Star des sogenannten Neuen Deutschen Films. Als bekannt wurde, dass sie sich geweigert hatte, nackt vor der Kamera zu posieren, und später noch Fotos mit ihr und dem Bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß in der Presse auftauchten, wendete sich das Blatt. Fortan galt sie als prüde und stockkonservativ. Den Rest besorgten Auftritte in Filmklamotten wie „Immer Ärger mit den Paukern“ oder „Hochwürden drückt ein Auge zu“.
Als Filmangebote ausblieben, die bundesdeutsche Kinoproduktion insgesamt am Tropf der Kulturförderung endete, begann Uschi Glas’ ins Stocken geratene Karriere über Fernsehserien wie „Unsere schönsten Jahre“ und „Zwei Münchner in Hamburg“ (beide Male mit dem kürzlich verstorbenen Elmar Wepper als Partner) wieder Fahrt aufzunehmen. Der Erfolg der Serie „Anne Marie – Eine Frau geht ihren Weg“, von ihrem Ehemann Bernd Tewaag Mitte der 1990er-Jahre produziert, machte die Glas vollends zur „Quotenqueen“. Privat lief dann einiges aus dem Ruder.
Die Scheidung von Tewaag kurz nach der Jahrtausendwende wurde beinhart in aller Öffentlichkeit ausgetragen. Wobei sowohl der fremdgehende Ehemann wie der straffällig gewordene älteste Sohn durch Indiskretionen kräftig an Uschi Glas’ sorgfältig gepflegtem Image von der treusorgenden Gattin und Mutter kratzten. Die erste Biografie „Mit einem Lächeln“ wurde damals von ihr herausgebracht und bezieht sich auf die Malaise, aus der sie sich mit viel Disziplin, neuem Mann und sozialem Engagement in München herauslavierte. Dass sie ihre wiederkehrende Rolle der ausgebrannten Lehrerin Ingrid Leimbach-Knorr in Bora Dagtekins grotesken „Fack ju Göthe“-Kinohits keineswegs als Schlusspunkt ihrer Laufbahn sehen will, macht ihre Erinnerungen umso staunenswerter.
Plötzlich mittig
Schon als Kind war Uschi Glas widerspenstig. Dem autoritären Vater gegenüber ebenso wie mehr oder weniger gutmeinenden Filmproduzenten oder politischen Ansichten, die gerade opportun schienen. Obwohl sie Feministinnen wie Alice Schwarzer eigenen Aussagen nach furchtbar findet, vertritt sie praktisch gesehen einen Großteil von deren Ansichten, wenn sie beteuert: „Ich wollte niemandem gehören, keinem Land, keiner Bewegung und auch keinem Mann. Ich wollte niemals im Gleichschritt gehen, nur weil alle anderen etwas auf dieselbe Art machten. Ich wollte selbstständig sein und unabhängig, mein eigenes Geld verdienen und keinem Rechenschaft ablegen müssen.“ Zudem scheint die MeToo-Debatte Spuren in Uschi Glas’ Weltbild hinterlassen zu haben. In einem Fernsehinterview mit Bärbel Schäfer gab sie kund: Ihr Leben lang habe sie intensive Freundschaften auch zu Kolleginnen unterhalten und versucht, ihnen beizustehen, wenn ein Regisseur etwa meinte, dass man sich zur Besprechung einer Rolle in seinem Hotelzimmer treffen könnte.
Grantige Originale wie Franz Josef Strauß sind mittlerweile in der Bayerischen Regierungspartei CSU ausgestorben. Der jetzige Ministerpräsident Markus Söder oder dessen Vorgänger Horst Seehofer, der beizeiten schon mal Migranten als „Mutter aller Probleme“ bezeichnete, haben nun das Sagen. Mit solch skrupellosen Karrieristen, die nach links keulen und nach rechts arschkriechen, hat Uschi Glas wenig am Hut. Während die politische Landschaft Deutschlands Richtung angsterfüllter Autoritarismus abdriftet, bleibt Uschi Glas trotzig stehen, denn: „Widerspruch lohnt sich.“ Und siehe da, plötzlich wirkt sie nicht mehr stockkonservativ, sondern wie eine aufgeklärte Demokratin, die aus der Mitte der Gesellschaft heraus feministische und antirassistische Errungenschaften verteidigt. Verdrehte Welt.
Uschi Glas: Ein Schätzchen war ich nie. Mosaik Verlag, München 2024. 224 S. 22,43 Euro.
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