Gerichtsprozess / Ein verstörender Prozess: Warum eine Frau zu Tode gekommen ist, bleibt ungeklärt
R. ist ein verstörender Mann. Er wird beschuldigt, seine Frau im Schlaf erstickt zu haben. Er streitet ab, hält es wohl aber auch für möglich, die Tat selber begangen zu haben. „Psychisch krank“, so die Verteidigung, die auf mildernde Umstände hofft. „Ein Schauspieler“, so die Staatsanwaltschaft. Sie fordert lebenslänglich.
R. trägt einen weißen Pullover. Zu Beginn des Prozesses trug er Anzug und Krawatte. Wie am ersten sitzt er auch am achten Verhandlungstag fast regungslos auf der Anklagebank. Dem 70-Jährigen wird vorgeworfen, seine Frau vor zwei Jahren nachts im Schlaf erstickt zu haben. Nahezu ohne sichtbare Emotionen verfolgt er den Prozess.
Am Mittwoch ist es an Me Lynn Frank, der Verteidigerin des Beschuldigten, ihre Argumente vorzulegen. Jedem sei klar, was passiert sei, hatte Me Philippe Penning, der Anwalt der Nebenkläger, am Dienstag gesagt. Dem widerspricht die Anwältin: „Klar ist nur, dass es sich um ein Familiendrama handelt, sonst ist nichts klar“, sagt Me Frank. Ja, die Frau sei keines natürlichen Todes gestorben. Ja, R. habe bereits 2012 versucht, seine Frau zu töten. Ja, in der Nacht vom 7. auf den 8. November seien das Opfer und R. alleine in der Wohnung gewesen. Doch von all dem, so die Anwältin, solle man sich aber nicht zu voreiligen Schlüsseln oder wilden Spekulationen hinreißen lassen.
Schuldfähigkeit
Wenn ihr Mandant seine Frau getötet haben sollte, sich aber nicht daran erinnern könne, wenn er einerseits sage, er habe sie nicht umgebracht, andererseits dies aber selber nicht komplett ausschließe und wiederholte Male frage „Und wenn ich es dann vielleicht doch gewesen bin?“, dann könne nur eine psychische Ursache mit im Spiel sein. Eine andere Möglichkeit gebe es nicht. Um einen vorsätzlich geplanten Mord würde es sich jedenfalls nicht handeln, so Me Frank.
Die Verteidigerin ist zudem der Meinung, dass viele Fakten zum Gesundheitszustand und der Zurechnungsfähigkeit ihres Mandanten nicht ausreichend berücksichtigt wurden: vor allem sein Alkoholproblem, seine Depression, seine psychiatrische Therapie und die damit verbundenen Medikamente. Diesen Umständen sei bei der Einschätzung des Beschuldigten am 8. November 2019 nicht Rechnung getragen worden.
Ja, man müsse den Tod der Frau aufklären, man müsse deswegen aber nicht alle verworren scheinenden Elemente zulasten des Beschuldigten auslegen. Man müsse sich auch fragen, warum R., wenn er dann vorgehabt hätte, seine Frau umzubringen, so vorgegangen sei, wie er vorgegangen ist? All dem müsse man bei einem Urteilsspruch Rechnung tragen und mildernde Umstände walten lassen.
Anklage fordert lebenslange Haft
Der Vertreter der Anklage sieht die Sache anders. Hieb- und stichfest sind seine Argumente nicht. Trotzdem sieht er es als erwiesen an, dass der Beschuldigte seine Frau willentlich und wissentlich getötet hat. Mildernde Umstände lässt er nicht gelten. Er fordert lebenslange Haft und Zahlung von Schadensersatz an die Hinterbliebenen.
Das letzte Wort hat der Beschuldigte. „Warum, wieso, soll ich meine Frau getötet haben?“ Diese Frage beschäftige ihn täglich und lasse ihn nachts keine Ruhe finden, sagt er unter Tränen.
Das Urteil wird am 20. Januar gesprochen.
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