Esch Clinics / Einblicke in Arbeit und Probleme der Escher Streetworker: Von allem zu wenig
Vier Streetworker gibt es in Esch, was ganz offensichtlich nicht ausreicht, um sich besser um die Abgehängten der Stadt zu kümmern. Das jedenfalls war das Fazit der „Esch Clinics“.
So langsam aber sicher kommt Leben in die „Esch Clinics“ von Markus Miessen, Inhaber des Lehrstuhls zur Stadterneuerung Eschs an der Universität Luxemburg. Sie sind eine Art Forum zur Zukunft der Stadt. Um den Austausch mit der Bevölkerung zu fördern, war es Miessens Wunsch, ein Ladenlokal im Brill-Viertel zu beziehen. Mitte März wurde das „Nachbarschaftsbüro“ offiziell eröffnet. Und letzte Woche fand in den Lokalitäten eine Diskussionsrunde mit den Streetworkern der Stadt Esch sowie den Verantwortlichen des „Ensemble Quartiers Esch“ statt.
Die Streetworker der Stadt Esch waren in den vergangenen Monaten und Jahren immer wieder Thema in den Escher Gemeinderatssitzungen. Dabei wurde stets bemängelt, dass die vier Sozialarbeiter nicht genügend auf der Straße unterwegs seien, um ihren Aufgaben gerecht zu werden. Das bestätigten Dan Draut und Mauro Almeida Cabral bei den „Esch Clinics“. „Wir haben im Moment nicht viel Zeit, um auf der Straße unterwegs zu sein, weil wir viel Papierkram erledigen müssen“, sagt Dan Draut bedauernd. Draut arbeitet seit 2010 mit Obdachlosen, erst im hauptstädtischen „Centre Ulysse“, dann im Escher Abrisud. Seit 2019 ist er als Streetworker unterwegs, bzw. sollte es sein. Er und sein Kollege Cabral würden sich wünschen, besser ihrer eigentlichen Aufgabe nachkommen zu können, doch dafür benötige es mehr Personal. Vier Streetworker für eine Stadt wie Esch reichen nicht, sagen sie unisono in der Runde mit den Studenten.
Abrisud und „Fixerstuff“
Kurz zuvor hatten sie einen DIN-4-Ordner herumgehen lassen. Darin ist dokumentiert, was sie in letzter Zeit so alles gesehen haben. Die ersten Seiten sind harmlos, sie zeigen die Escher Auffangstrukturen. Zum Beispiel das Abrisud. „Wir haben Platz für 14 Männer und vier Frauen, allerdings ist die Warteliste lang“, sagt Draut. Sechs Monate Wartezeit sind die Regel, die Obdachlosen können einige Monate bleiben, je nachdem, wie sie ihr Projekt, um wieder Fuß zu fassen, umsetzen. „Es muss vorangehen, sonst wird der Aufenthalt abgebrochen“, so Mauro Almeida Cabral. Eigentlich sollte das neue Gebäude des Abrisud spätestens 2022 bezugsbereit sein, doch das Projekt für das zukünftige Heim mit 25 bis 30 Betten in der rue de la Fontaine wurde von der alten (und neuen) Mehrheit im Gemeinderat einstweilen nach hinten verschoben. In einem Presseartikel im Februar 2022 sprach Sozialschöffe Christian Weis (CSV) von einer Eröffnung des neuen Abrisud für den Winter 2024 bzw. im Laufe des Jahres 2025. Der Gemeinderat hatte 2020 dem Kauf des Wohngebäudekomplexes an der Brunnenstraße für knapp 6,3 Millionen Euro zugestimmt.
Da die aktuellen Strukturen vorne und hinten nicht ausreichen, wird in Esch im Vergleich zu anderen Ortschaften überdurchschnittlich viel „gesquattet“, also verlassene Orte als Schlafstellen gebraucht. Davon berichtet der von den beiden Streetworkern zusammengestellte Ordner. Auf den Fotos sind Squats in unbewohnten Häusern, in verlassenen Industrieanlagen und im Wald zu sehen. „Die Menschen haben oft keine andere Wahl, selbst wenn das ‚Squatten‘ illegal ist“, sagt Draut. Die Behörden sehen die Situation kritisch, wollen diese Schlafplätze am liebsten geschlossen sehen. Schon allein aus Sicherheitsgründen. Zu groß ist die Gefahr in den oftmals baufälligen Gebäuden. Außerdem findet dort niemand einen Drogenabhängigen mit einer eventuellen Überdosis.
Langer Prozess des Vertrauensaufbaus
Es gibt demnach gute Gründe für eine neue Einrichtung. Oft sei es aber auch so, dass sich die Obdachlosen nicht helfen lassen wollen, wie die Sozialarbeiter berichten. „Als Streetworker ist es schwierig, eine Beziehung zu ihnen aufzubauen“, sagt Mauro Almeida Cabral, „es ist eine Sisyphusarbeit, eine Vertrauensbasis aufzubauen, ein langer Prozess. Wir müssen immer wieder erklären, dass wir nichts von ihnen wollen“. Natürlich mache es die Arbeit nicht leichter, dass viele der Obdachlosen Suchtprobleme hätten. Im Vergleich zur Hauptstadt sei die Drogenszene in Esch weniger aggressiv, weshalb Süchtige auch bewusst nach Esch kommen, um in Ruhe und sicher konsumieren zu können. Zum Beispiel in der „Fixerstuff“ in der Luxemburger Straße, dem zweiten Drogenkonsumraum des Landes.
Den Escher Streetworker-Dienst gibt es seit 2019. Seitdem hätten sie mehr als 400 Menschen kennengelernt, schätzen Draut und Cabral. Sie sehen 40 bis 50 Personen pro Woche. Die meisten sind permanent in Esch, auch wenn sie im Gegensatz zu den Obdachlosen (oder Drogenabhängigen) in der Hauptstadt weniger sichtbar sind im Stadtbild. Genauso wie übrigens die Prostitution, die in Esch ausnahmslos hinter verschlossenen Türen stattfände. Dass die Streetworker selbst stärker sichtbar werden, ist jedenfalls ihr Wunsch.
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