Editorial / Eine Aufwertung der Berufsausbildung bleibt eine Frage des politischen Willens
Fachkräftemangel und die Anpassung der Qualifikationen an einen sich wandelnden Arbeitsmarkt sind Herausforderungen, mit denen in Europa sehr viele Länder zu kämpfen haben. Wenn von Fachkräftemangel die Rede ist, geht es zum einen um hoch spezialisierte Berufe in der IT-Branche zum Beispiel, aber auch um viele freie Stellen im Handwerk, dem Gesundheitswesen oder dem Handel. Um diesem Mangel entgegenzuwirken, spielt die Berufsausbildung eine wichtige Rolle. Am Mittwoch hatte die Arbeitnehmerkammer CSL ihre Forderungen für eine Aufwertung dieses Bildungsbereiches vorgestellt.
Eine Aufbesserung ist seit Jahren dringend notwendig. Wer sich heute in Luxemburg für den Weg der Berufsausbildung entscheidet, der bekommt oftmals noch den Stempel, dass er in der Schule gescheitert ist. Dass die Berufsausbildung für viele Jugendliche ein durchaus erstrebenswertes Ziel sein kann, zeigt das Beispiel der Schweiz. Hier entscheiden sich rund zwei Drittel der Schüler für eine solche Ausbildung. Sie haben gute Karrierechancen und genießen ein hohes Ansehen. In Luxemburg waren es 2020 laut OECD-Studie rund 35 Prozent. Bessere Karrierechancen und ein höheres Gehalt sowie ein Bildungssystem, das sehr stark darauf ausgerichtet ist, die Schüler auf ein Hochschulstudium vorzubereiten, sind einige der Gründe, wieso sich immer weniger junge Menschen für den Weg einer Berufsausbildung entscheiden. Es ist ein Trend, den man in vielen Ländern beobachten kann und dem es entgegenzuwirken gilt. Ansonsten wird die Kluft zwischen den Anforderungen des Arbeitsmarktes und den Qualifikationen der potenziellen Arbeitnehmer immer weiter auseinanderdriften. Deshalb muss die Politik versuchen, die Rahmenbedingungen anzupassen, um die Attraktivität der Berufsausbildung zu steigern.
Genau daran fehlt es aber seit Jahren, und das, obwohl Arbeitnehmervertreter wie Patronatsverbände eine Aufwertung fordern, auch wenn sich ihre Vorstellungen vom Weg dahin selbstverständlich unterscheiden. Eine Stärkung der Berufsausbildung ist vielschichtig. Sie beginnt mit einer zielgerichteten Orientierung der Schüler und geht über einen klaren Ausbildungsweg bis hin zu einer gerechten Bezahlung der Auszubildenden und einer Aufwertung der Diplome. Der aktuelle Bildungsminister Claude Meisch (DP), der sich bewusst ist, dass sich in der Berufsausbildung noch etwas tun muss, hat sich in einem Rundtischgespräch des Erziehungs- und Wissenschaftssyndikats SEW übrigens gegen Letzteres ausgesprochen. Bis auf die ADR waren alle anderen Parteien für eine Aufwertung der Diplome.
Wer den Fachkräftemangel bekämpfen will und dem Handwerk sowie anderen Berufen endlich die Wertschätzung zugestehen will, die sie verdienen, sollte bei der Ausbildung ansetzen. Die Reformen der vergangenen Jahre haben im Bereich der Berufsausbildung noch nicht zu einer Verbesserung beigetragen. Es ist letztendlich einzig und allein eine Frage des politischen Willens.
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Seit Jahrzehnten ist die duale Berufsbildung ein Stiefkind unserer Politik. Eine Aufwertung im Sinne einer Berufsmatura mit der man später Fachhochschulen besuchen kann, wurde nie angegangen. Dies würde interessante Perspektiven eröffnen und die Attraktivität für die duale Berufsbildung erhöhen.
Im möchte nicht schon wieder die Schweiz bemühen, im Artikel steht genug darüber, doch sie hat das beste Fachwissen weltweit.
Möge die Politik die richtigen Entscheidungen treffen im Sinne unserer Jugend🙏
Leider ist der Tend bei uns über die letzten Jahre hin zu einem „premières“-Abschluss. Jeder muss diesen haben, jeder muss diesen bekommen. Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen „classique“ und „technique“, denn Gott verbiete man würde sich nicht für sein Technikerdiplom schämen, da man es ja nicht auf der besseren Klasse geschafft hat, so die Attitüde über die letzten Jahre. Dass dies vollkommenen Blödsinn ist, zeigt die Realität. Wir brauchen Handwerken, wir brauchen Arbeiter und wir brauchen qualifizierte Leute, also warum unseren Kindern einreden dass sie weniger Wert sind, wenn sie eine solche Karriere anstreben, anstelle sie zu unterstützen in ihrer Wahl? Es braucht keine längere Schulpflicht, sondern eine Aufwertung des Handwerks und mehr Kooperation zwischen der Praxis (Berufswelt) und der Theorie (Schule), nicht weniger. Ich gebe dem Artikel vollkommen Recht, es ist eine politische Entscheidung, bei der leider mehr auf das schönigen von Statisitken gelegt wird, damit wir im EU-Vergleich besser da stehen, als auf Qualität und die Nöten der Schüler.
Nach den Wahlen lässt der politische Willen bekanntlich und erfahrungsgemäss recht schnell nach.