Gewalt in Luxemburgs Notaufnahmen / Eine Aufwertung der Gesundheitsberufe und mehr Personal sind dringend nötig
Gestern berichteten wir darüber, dass laut offiziellen Angaben des Gesundheitsministeriums die Fälle von Gewalt gegen das Gesundheitspersonal in den Krankenhäusern stark gestiegen sind. Mittlerweile hat sich die ANIL („Association des infirmières et infirmiers du Luxembourg“) zu dem Thema geäußert. Das Tageblatt sprach mit der Generalsekretärin der Vereinigung, Tina Koch. Dringend nötig sei eine Aufwertung der Gesundheitsberufe, eine Forderung, die gestern auch in der Chamber wiederholt wurde.
Für Tina Koch stellen die veröffentlichten Zahlen zu den Angriffen auf das Krankenhauspersonal keine Überraschung dar, allerdings melde die ANIL doch Bedenken an. „Wir fragen uns, inwiefern die Zahlen, die jetzt vorgelegt wurden, verlässlich sind.“ Vorfälle werden über das „critical incident reporting system“ (ein Berichterstattungssystem zur anonymen Meldung von kritischen Ereignissen) gemeldet, wobei aber kein Unterschied gemacht werde zwischen physischer und verbaler Gewalt.
Vor Jahren sei es noch weniger formell gewesen, man meldete einen Vorfall seinem Vorgesetzten, doch nicht immer sei etwas unternommen worden. Es seien früher wohl auch Fälle gemeldet worden, aber ob es weniger Vorfälle gegeben habe, sei dahingestellt. „Es lässt sich heute nicht sagen, wie die Situation früher war.“
Zudem sieht die ANIL ein Problem in der Nachverfolgung oder zumindest bei der Kommunikation darüber, was die Krankenhausdirektionen unternehmen. „Wir melden Vorfälle, aber was danach geschieht, wird dem Melder nicht immer mitgeteilt“, sagt Tina Koch, „wir erhalten keine Rückmeldung.“
Um möglichen Gewaltvorfällen entgegenzuwirken, setzt die Vereinigung u.a. auf Verhaltensprävention, was auch zum Teil bereits der Fall sei, doch es könnte mehr getan werden.
Wie es zu den Vorfällen kommt, kann sie leicht schildern, wie sie zu vermeiden sind, ist offenbar eine andere Sache. „Manche Menschen, die in die Notaufnahme kommen, haben eben weniger Geduld als andere, wenn sie stundenlang im Wartesaal oder anderswo warten. Auch ist es verständlich, dass die wartende Familie nervös wird, weil sie keine Informationen erhält. Daraus entstehen dann eben Frustsituationen.“
Den Personalmangel sieht die ANIL als eine der Hauptursachen – ständiges Arbeiten in Stresssituationen und immer wieder aus der Freizeit zurückgerufen werden, führe zur Überbelastung und Stress. „Es ist auch frustrierend für uns, wenn wir die Patienten wegen der langen Wartezeiten in den Notaufnahmen nicht optimal versorgen können.“
Der Grund für den Personalmangel lasse sich einfach erklären: „Es wird halt nicht genug Personal ausgebildet und es gibt viele, die den Beruf aufgeben. Seit Jahren fordern wir eine Bedarfsanalyse und es muss die Frage beantwortet werden, welches Gesundheitssystem wir uns in Zukunft wünschen.“
Es gebe immer weniger junge Leute, die sich für den Beruf interessierten, offensichtlich fruchteten die Werbekampagnen dafür nicht. Hoffnung setzt die ANIL auf die Bachelorausbildung zum Krankenpfleger: „Dadurch bekommen wir eine andere Kategorie von Bewerbern.“
Koch ist sich allerdings auch bewusst, dass das Personal mit einem schlechten Berufsbild zu kämpfen hat: „Viele Schüler müssen sich schon während ihrer Ausbildung von ihren Bekannten die Frage gefallen lassen, warum sie sich das antun.“ Beide Punkte hängen zusammen: „Wenn die Arbeitsbedingungen gut sind, kann man auch ein besseres Bild nach außen vermitteln.“
Dieselbe Debatte wie vor vier Jahren
Die Aufwertung der Gesundheitsberufe war gestern ebenfalls das Thema einer Interpellation in der Chamber. Den Ausführungen des Initiators, des Abgeordneten Marc Spautz (CSV), dass die Berufe eine Aufwertung dringend nötig hätten, schlossen sich alle Parteien an. Es sei der einzige Weg, um mehr junge Leute für den Sektor zu motivieren. Gleichzeitig wurde aber auch von allen Seiten kritisiert, dass dieselbe Debatte mit denselben Schlussfolgerungen schon vor vier Jahren stattgefunden haben, doch passiert sei wenig.
Eine hohe Arbeitsbelastung, eine schlechte Work-Life-Balance und begrenzte Aufstiegsmöglichkeiten wurden als Gründe genannt, warum so wenige Jugendliche sich für die Berufe interessierten, aber auch warum viele Berufstätige den Sektor verließen. Deswegen müssten dringend bessere Arbeitsbedingungen her. Dies sei umso dringender, da Luxemburg in Sachen Personal von der Großregion abhängig sei. Doch auch in diesen Ländern bemühe man sich um bessere Arbeitsbedingungen, um das Personal bei sich zu behalten.
Gesundheitsministerin Martine Duprez versprach ihrerseits, dass die Regierung zügig handeln werde. U.a. werde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um die Schwächen des Systems zu analysieren, was der von der ANIL geforderten Bedarfsanalyse nahekommt. Auch werde die Reform des „infirmier responsable de soins généraux“ so schnell wie möglich auf den Instanzenweg gebracht. Die Krankenpfleger sollen u.a. mehr Verantwortung erhalten.
Geplant sei auch, eine neue Karriere auf Abitur-Ebene zwischen der des „aide-soignant“ und des „infirmier“ einzuführen. Dies würde es auch den Pflegehelfern erlauben, dank ihrer Berufserfahrung und Weiterbildung in eine höhere Karriere zu wechseln.
Eine Motion der ADR, bei den Aufwertungen der Gesundheitsberufe die Tierpfleger nicht zu vergessen, rief zwar Staunen hervor, wurde allerdings einstimmig angenommen.
- Eine Aufwertung der Gesundheitsberufe und mehr Personal sind dringend nötig - 23. Januar 2025.
- In Luxemburg greifen Patienten immer häufiger Ärzte und Pfleger an - 23. Januar 2025.
- Zoologe Dr. Laurent Schley: „Angriffe auf Nutztiere stellen eher die Ausnahme dar“ - 21. Januar 2025.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos