Chronisches Leiden / Eine Betroffene erzählt von ihrem Leben mit dem Lipödem
Ramona Urbing bekam im Jahr 2017 die Diagnose Lipödem. Seitdem musste sie sich elf Operationen unterziehen. Heute hat sie ein ganz neues Lebensgefühl. Der Weg dahin war jedoch nicht einfach. Oft fehlt es zudem an Aufklärung bei der Öffentlichkeit, wie auch bei den Ärzten. Diesen Umstand möchte die „Lipödem Lëtzebuerg Asbl.“ am Samstag durch einen Informationstag ändern.
Ramona Urbing ist durch Zufall auf die Krankheit Lipödem aufmerksam geworden. Sie hörte im Radio, wie eine Ärztin über das Leiden und die Anzeichen dafür sprach – und diese kamen ihr seltsam bekannt vor. Nach einem Termin bei derselben Ärztin stand die Diagnose fest. Seit ihrer Pubertät hat die heute 41-Jährigen mit den Symptomen zu kämpfen. Das Lipödem ist eine Fettverteilungsstörung. Sie zeigt sich vor allem an Ober- und Unterschenkeln sowie im Hüftbereich und bringt Schmerzen und Spannungsgefühl mit sich.
Sie sei schon immer etwas kräftiger gewesen, erzählt sie, und habe versucht, durch Diäten ihr Gewicht zu reduzieren. Bei Ernährungsberaterinnen hat sie Hilfe gesucht. Bei Ramona sind Arme und Beine von der Krankheit betroffen. „Ich war im Alltag extrem eingeschränkt“, erzählt sie. Telefonieren, Haare föhnen, ganz alltägliche Dinge sind ihr schwergefallen. Sich auf die Knie setzen, um mit ihrer Tochter zu spielen, war nicht möglich. Jahrelang konnte sie nicht richtig gehen.
Die Diagnose und einfach Gewissheit zu haben, war eine Erleichterung für sie. So konnte sie mit der konservativen Therapie beginnen. Dies bedeutete Lymphdrainagen, die zweimal wöchentlich stattfanden. Darauf folgten elf Operationen, sogenannte Liposuktionen und Straffungen, die sie in Deutschland vornehmen ließ. Zu Beginn waren nur vier Eingriffe vorgesehen. Da Ramona jedoch nach dem ersten Beratungsgespräch über ein Jahr auf ihren Termin warten musste, hatte die Krankheit Zeit, fortzuschreiten. „Zuerst war geplant, mit den beiden Oberschenkeln zu beginnen. Doch dann war so viel Masse wegzunehmen, dass der Arzt nur Zeit für ein Bein hatte“, erzählt Ramona weiter. So sei sie eine Zeitlang nur „halbgeformt“ herumgelaufen, erinnert sie sich.
Informationstag am Samstag in Sanem
Die Vereinigung „Lipödem Lëtzebuerg“ veranstaltet am Samstag einen Informationstag rund um das Lipödem. Vor Ort finden Vorträge von Fachärzten und -personal statt. Auch eine Betroffene erzählt von ihrem Leben mit dem Leiden. Thematisiert wird zudem, wie sich trotz Lipödem und Kompressionskleidung modisch gekleidet werden kann. Eine Übersetzung der Vorträge auf Französisch ist vorgesehen. Eine Reihe von Infoständen klären über verschiedene Thematiken der Krankheit auf. Die „Lipödem Lëtzebuerg Asbl.“ wird mit einem Stand vor Ort sein.
Wo? In der „Hall polyvalent“, 41, rue de Niederkorn, Sanem
Wann? Am Samstag von 8.30 Uhr bis 18.00 Uhr
Weitere Informationen gibt es unter: www.lipoedem.lu
Trotz der Narben ist sie froh, dass sie sich für diesen Schritt entschieden hat. Heute, ein Jahr nach der letzten OP, hat sich ihr Leben verändert – doch sie kommt immer noch nicht ohne Schmerzen durch den Alltag. Aufgrund des Gewichtes, das lange Zeit auf ihre Knie gedrückt hat, leidet sie unter fortgeschrittener Arthrose. Auch damit wird sie noch weiter zu kämpfen haben. „Viele Menschen sagen mir, ich würde mich noch so sehen, wie ich vorher war.“ Ihr neues Aussehen sei noch nicht in ihrem Kopf angekommen, hat ein Arzt zu ihr gesagt. Ihr Selbstwertgefühl hat sich dennoch stark verbessert und auch in Jeans fühlt sie sich wieder wohl.
Ein neues Lebensgefühl
Ramona passt weiter auf ihre Gesundheit auf. So treibt sie regelmäßig Sport und hat in den letzten Jahren 28 Kilogramm abgenommen. Jahrelang ist sie eigenen Aussagen zufolge „gewatschelt“. Zu Fuß zur Arbeit zu gehen, war nicht möglich. Dabei befindet sich diese nur ein paar Gehminuten entfernt. „Auf Städtereisen gehe ich wie auf einer Wolke. Vorher habe ich mich nur herumgeschleppt“, so die 41-Jährige, „jetzt fühle ich mich frei“.
Eine Operation kostet mehrere Tausend Euro. Von der Krankenkasse wurden ihr nur die zu Beginn vorgesehenen vier Operationen genehmigt. Deswegen musste sie ein Darlehen aufnehmen, um für die Kosten der Eingriffe aufkommen zu können. Diesen Kredit bezahlt sie heute noch ab.
Von den Ärzten wie auch von der Krankenkasse fühlte sie sich damals nicht ganz ernst genommen. Die „Lipödem Lëtzebuerg Asbl.“ geht davon aus, dass bei vielen Betroffenen die Diagnose erst Jahre nach dem Ausbruch gestellt wird. Bei 50 Prozent der Fälle dauert es zehn Jahre bis zum Befund. Bei 25 Prozent der Betroffenen gehen sogar 30 Jahre ins Land, schreibt die Vereinigung auf ihrer Homepage.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass das Lipödem genetisch bedingt ist und somit vererbbar. Ramona kann dies bestätigen. Sie erzählt, dass ihre Großmutter und deren Schwestern ebenfalls stämmige Beine hatten. So habe sie nicht enden wollen. Ihre Schwester sei eigentlich eine ganz dünne Person, erzählt Ramona, doch sie war ebenfalls daran erkrankt und hat sich sofort operieren lassen.
Die Krankheit
Im Schnitt ist etwa jede zehnte Frau vom Lipödem betroffen. Das Lipödem ist eine chronische Krankheit, die sich durch eine Fettverteilungsstörung ausdrückt. Der fortschreitende Prozess wird in drei Stadien unterteilt. Als Folge der Erkrankung bilden sich Wasseransammlungen, sogenannte Ödeme. Damit gehen starke Schmerzen einher. Das Hormon Östrogen spielt hierbei eine große Rolle, denn es kann Wassereinlagerungen begünstigen. Die Krankheit betrifft fast ausschließlich Frauen. Zu den Therapiemöglichkeiten gehören unter anderem die Lymphdrainagen, Kompressionstherapie sowie die operativen Eingriffe. Diese können ein Stück Lebensqualität zurückgeben, die Krankheit jedoch nicht heilen.
Wer selbst von der chronischen Krankheit betroffen ist oder mehr über die Krankheit erfahren möchte, kann sich an die „Lipödem Lëtzebuerg Asbl.“ wenden. Entstanden ist die Vereinigung aus einer Facebook-Gruppe und aus dem Wunsch, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Sie setzen sich dafür ein, dass verschiedene Therapieansätze rückerstattet werden. Eine Forderung besteht darin, dass die Dauer für die Lymphdrainage von 30 Minuten auf eine Stunde ausgeweitet wird.
Kompressionskleidung gehört zum Alltag der Erkrankten dazu. Momentan sind nur zwei Stück pro Jahr vorgesehen, die nach Herstellerangaben sechs Monate halten. Die Kleidung soll jedoch täglich getragen werden. Der Kostenpunkt liegt bei 700 Euro aufwärts. Eine weitere Forderung betrifft die Kostenübernahme der Operationen. Hier müsse unter anderem das Kontrollsystem der Krankenkasse überarbeitet werden.
Um besser über die Krankheit aufzuklären, veranstaltet die Vereinigung am Samstag einen Informationstag, bei dem alle Details zu der Erkrankung abgedeckt werden.
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