Esch / Eine Einladung für alle: „Luxembourg Pride 2022“ am Wochenende
In den letzten Tagen stand Esch ganz im Zeichen der „Luxembourg Pride 2022“. Mit dem großen Solidaritätsmarsch am Samstag sowie einem das Wochenende über dauernden Straßenfest stehen weitere Höhepunkte der Sensibilisierungswoche nun bevor. Im Gespräch mit den Co-Koordinatoren von „Rosa Lëtzebuerg“ Andy Maar und Laurent Boquet zeigt sich: Es gibt viele Gründe, warum es zum Ende der Woche in Esch noch einmal bunt und laut wird.
Tageblatt: In Esch gehen am Samstag wieder Menschen für den „Equality March“ auf die Straße, danach findet an diesem Tag und auch am Sonntag das Straßenfest statt. Was ist das Ziel der Veranstaltungen zur „Luxembourg Pride 2022“?
Andy Maar: Die LGBTIQ+-Gemeinschaft hat Forderungen und auf diese machen wir während der Pride aufmerksam. Wir wollen die Gesellschaft sensibilisieren und uns der Tatsache entgegensetzen, dass hart erkämpfte Rechte schnell wieder verschwinden können. Für uns ist es in Luxemburg außerdem schwer, sichtbar zu sein. Denn es gibt keine „Safe Spaces“ – also geschützte Räume für queere Personen, in denen sie ganz sie selbst sein können, ohne verurteilt zu werden. Wir bieten unter anderem mit dem Straßenfest queeren Künstler:innen eine Plattform. Durch die verschiedenen Sprachen ist die Gemeinschaft hier auch zersplitterter. Bei der Pride wollen wir die Menschen zusammenbringen.
Wer darf sich den solidarischen Fußmarsch, die kostenlosen Konzerte und die bunte Party nicht entgehen lassen?
A.M.: Die Pride richtet sich an alle – es ist eine Einladung an die gesamte Gesellschaft, um uns und die queere Kultur kennenzulernen. Auch wenn wir die Schaffung von mehr „Safe Spaces“ fordern und die „Pride“ sozusagen als einen solchen temporären, sicheren Raum sehen, wollen wir uns keineswegs isolieren. Alle können kommen und Solidarität zeigen. Für uns ist die Pride außerdem immer auch ein Ort, um mit den Verantwortlichen aus der Politik in Kontakt zu kommen.
Sie haben die Rechte von Menschen der LQBTIQ+–Gemeinschaft angesprochen. In diesem Jahr legen Sie den Fokus auf sechs Forderungen. Zum Beispiel?
Laurent Boquet: Eine davon betrifft Trans*-Menschen. Es ist so, dass Transsexualität mittlerweile von der Gesundheitskasse nicht mehr als psychische Krankheit eingeordnet wird – das finden wir gut. Und doch ist für eine geschlechtsangleichende Operation immer noch ein psychiatrisches Gutachten erforderlich. Oft ist damit dann medizinisches Personal befasst, das in diesem Bereich nicht spezialisiert sind. Diese Anforderungen müssen dringend von der CNS überarbeitet werden. Wir fordern also die Entpsychiatisierung und die Loslösung der ärztlichen Kontrolle.
Und auch in anderen Bereichen gibt es Handlungsbedarf.
A.M.: In Luxemburg gibt es keine automatische Elternschaftsanerkennung für Menschen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Wir kennen viele Fälle, in denen zum Beispiel lesbische Paare durch eine Samenspende ein Kind bekommen. Die zweite Mutter muss den Nachwuchs dann adoptieren. Und damit geht eine ganze Prozedur einher – die Monate dauern kann. Erst wenn diese abgeschlossen ist, hat sie dann das Recht auf sozusagen den „Pappecongé“. Viele Vorgesetzte sind in diesen Fällen zwar kulant und doch: Gerade in der Zeit, in der man einfach nur für das Kind da sein will, ist man mit Administrativem beschäftigt.
Eine Woche mit vielen Veranstaltungen liegt bereits hinter Ihnen und auch am Wochenende wird noch einmal viel geboten. Wie viel Arbeit steckt hinter der Organisation?
A.M.: Von „Rosa Lëtzebuerg“ haben sich sieben Mitglieder:innen um die Organisation gekümmert – seit 2018 arbeiten wir daran. Schon alleine aus beruflichen Gründen können nicht alle dauernd helfen. Ich habe mir bei der Arbeit jetzt drei Wochen freigenommen – aber es muss ja nicht jeder so verrückt sein. Mein Partner ist immer nach 17 Uhr von der Arbeit nach Hause gekommen und hat dann noch bis Mitternacht daran gearbeitet. Da die Pride in diesem Jahr zum Programm von Esch2022 gehört, fällt diese größer aus. Hinzu kommen dann noch die Freiwilligen, die bei den Veranstaltungen beispielsweise hinter den Tresen helfen.
Sie setzen sich für mehr sichere Orte in Luxemburg ein – und die Nachrichten von vor rund zwei Wochen aus Norwegen zeigen offenbar, wie wichtig dies ist: Kurz vor der „Oslo Pride“ wurden in einer Bar Menschen erschossen oder verletzt …
A.M.: Oslo gilt als ziemlich liberal und deshalb war der Schock für alle umso größer. Wir kennen die Organisator:innen. Ihnen wurde von der Polizei davon abgeraten, die Parade noch durchzuführen – da man nicht wusste, was noch kommt. So was ist frustrierend. Aber dann gab es eine Art alternative Pride: Die Menschen wollten sich nicht davon abschrecken lassen und sind aufgetaucht, obwohl offiziell nichts organisiert war. Sie wollten denen das Feld nicht einfach so überlassen.
Bereiten solche Nachrichten einem Sorgen? Wie reagiert man da als Organisationsteam?
A.M.: Man muss dazu wissen, dass wir für unsere Veranstaltungen immer schon in Kontakt mit der Polizei sind. Das gehört für uns dazu. Bei einem „Equality March“ – ich glaube, es war 2019 – wurden wir mit Eiern beworfen. Ein anderes Mal gab es einen gewalttätigen Überfall nach einer After-Party. Nach den Nachrichten aus Oslo hat man uns versichert, dass nichts dem Zufall überlassen wird. Um die Sicherheit aller zu garantieren, wurde die Anzahl der Einsatzkräfte bei der Polizei erhöht.
Aktuell wird im Kontext der Berichterstattung zu den Affenpocken immer wieder auch das Sexualleben von homosexuellen Männern thematisiert. Befürchten Sie Diskriminierung und Stigmatisierung?
L.B.: Jahrzehntelang haben wir gegen die Stigmatisierung im Zusammenhang mit HIV gekämpft. Und ja, wir stellen fest, dass die Leute im aktuellen Kontext Angst vor einer Stigmatisierung haben. Wir merken das an den Reaktionen, wenn wir zu dem Thema einen Beitrag in den sozialen Medien bei Facebook posten. Auch aus den Nachrichten an uns lässt sich herauslesen, dass diese Gefahr für viele real ist. Wir werden oft aber auch mit Verweisen auf unsensible Formulierungen in Pressetexten angeschrieben und dann gefragt: „Sagt ihr dazu nichts?“
Das Programm am Wochenende
Samstag (9. Juli):
„Equality March“ (12.30 Uhr, Parking Aloyse Meyer in Esch)
Offizielle Eröffnung mit Schweigeminute und Willkommensansprache (15 Uhr, Main Stage)
Leona Winter (15.15 Uhr, Main Stage)
DJ Pippa (15.15 Uhr, Village Stage)
LLEO (16.15 Uhr, Main Stage)
Wilhelmine (17.10 Uhr, Main Stage)
George Philippart (17.30 Uhr, Village Stage)
Luxembourg’s Drag Stars (18.00 Uhr, Main Stage)
Fada’s Family & Delux Showgirls (18.30 Uhr, Village Stage)
CHAiLD (18.45 Uhr, Main Stage)
Luxembourg’s Drag Stars (19.30 Uhr, Village Stage)
Edsun (19.45 Uhr, Main Stage)
Promis3 (20.35 Uhr, Village Stage)
Boy George & Culture Club (21.30 Uhr, Main Stage)
Pride After Party (22.30-3.00 Uhr, Kulturfabrik in Esch)
Sonntag (10. Juli):
Regenbogenfrühstück und Drag Bingo (10 Uhr)
Paus. de Podcast Live! (11 Uhr)
Fada’s Family & Delux Showgirls (11.50 Uhr)
Katey Brooks (12.35 Uhr)
Leona Winter (13.30 Uhr)
Daniel Schuhmacher (14.25 Uhr)
Luxembourg’s Drag Stars (15.15 Uhr)
Poli Genova (16 Uhr)
Jendrik & Band (17 Uhr)
Jaouad feat. Gustaph (18 Uhr)
Ende (20 Uhr)
Hinweise: Die Hauptbühne befindet sich auf dem Escher Rathausplatz, die „Village Stage“ in der rue Helen Buchholtz. Am Sonntag finden alle Veranstaltungen auf der Hauptbühne vor dem Rathaus statt.
In der vergangenen Zeit hat ein anderes Virus die Menschen auf Trab gehalten. Wie ist das für Sie, wenn die Pride nach zwei Jahren wieder in gewohnter Form stattfinden kann?
A.M.: Schon alleine weil die Pride zum Programm von Esch2022 gehört, war es notwendig, dass wir mehrere Back-up-Pläne parat haben. Bis Ende Juni das neue Gesetz im Zusammenhang mit Covid gestimmt wurde, wussten wir nicht mit Sicherheit, wie alles ablaufen wird. Es ist nun eine große Erleichterung – mit einem doch etwas fadem Beigeschmack. Denn wir wissen alle, dass wir nicht so einfach wieder in unsere alten Gewohnheiten zurückfallen können. Und so appellieren wir an die eigene Verantwortung.
Und auf was können sich die Gäste beim verantwortungsbewussten Feiern freuen?
A.M.r: Nach dem Erfolg in 2019 ist der „Equality March“ in diesem Jahr so lange wie noch nie – sowohl was die zurückgelegte Strecke als auch die Größe angeht. Es haben sich viele Gruppen angemeldet und statt eines Kilometers legen wir in diesem Jahr rund vier zurück. Auf zwei Bühnen kann man sich während zwei Tagen Konzerte von unter anderem CHAiLD, Edsun und Jendrik ansehen. Oder von Poli Genova, die schon beim Eurovision Song Contest dabei war. Und Boy George natürlich mit Culture Club. Sonntags gibt es ein Regenbogenfrühstück mit Bingo und eine Live-Aufzeichnung vom Podcast Paus.
- „Gibt noch viel zu tun“: Lydie Polfer äußert sich zur Sicherheit an Zebrastreifen - 20. November 2024.
- Nach Urteil im Zebrastreifen-Streit: Gemeinde legt Berufung ein - 18. November 2024.
- Nach Urteil im Zebrastreifen-Streit: Gemeinde will am Montag reagieren - 15. November 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos