Luxemburg / „Eine erniedrigende Erfahrung“: Probleme von Unternehmer mit Migrationshintergrund bei der Eröffnung eines Geschäftskontos
Migranten, die in Luxemburg ein eigenes Unternehmen gründen und dafür ein Geschäftskonto eröffnen wollen, haben dabei oft Schwierigkeiten. Seit mehr als fünf Jahren begleitet die gemeinnützige Vereinigung „Touchpoints“ diese Menschen bei den administrativen Prozeduren. Die Generaldirektorin des Vereins, Fabienne Colling, erklärt, dass das oft ein langwieriger und sogar erfolgloser Prozess ist.
Tageblatt: Im Dezember hat „Touchpoints asbl.“ ein Rundgespräch mit dem Titel „Ein Business-Bank-Konto in Luxemburg eröffnen – Die Hindernisse verstehen“ organisiert, das sich vor allem an Unternehmer im Großherzogtum mit einem Migrationshintergrund richtete. Warum ist es wichtig, über dieses Thema zu sprechen?
Fabienne Colling: Oft begleiten wir bei unserer Arbeit Menschen mit Migrationshintergrund, die sich im Großherzogtum selbstständig machen wollen: beispielsweise als Autohändler, Gastwirte oder Grafiker. Immer wieder taucht dabei das Problem auf, dass sie für ihre berufliche Tätigkeit kein Bankkonto eröffnen können. Dazu muss man wissen, dass Kreditinstitute in Luxemburg nicht dazu verpflichtet sind, für jemanden ein solches Konto einzurichten. Mit dem Rundgespräch wollten wir die Aufmerksamkeit auf diese Thematik lenken. Rund 50 Flüchtlinge und Menschen aus Drittländern haben daran teilgenommen.
Was bedeutet das für einen Unternehmer, wenn er kein professionelles Konto bei einer Bank hat?
Ich weiß zum Beispiel von einem syrischen Restaurant, in dem die Menschen aus diesem Grund nur bar zahlen können. Wenn man allgemein Kunden sagt, dass die Zahlung per Karte oder durch Überweisung nicht möglich ist, sind viele skeptisch und haben kein Vertrauen. Zudem will ein Unternehmer seine privaten Aktivitäten und die des Betriebs trennen – schon allein aus praktischen Gründen. Für Betroffene ist es eine erniedrigende und schmerzhafte Erfahrung, wenn sie an Dingen wie der Eröffnung eines Bankkontos scheitern. „Ich kriege nicht einmal das hin“, sagen sie dann.
Das macht sicherlich etwas mit den Menschen.
Das steht außer Frage. Ein Beispiel: Seit rund drei Jahren sind wir mit einem 28-jährigen Afghanen in Kontakt, Jawid Modasir. Er hat kurz vor der Pandemie in Ettelbrück ein Restaurant eröffnet, das nach rund einem Jahr leider wieder schließen musste. In dieser Zeit hat der junge Unternehmer alle Banken in seinem Umkreis abgeklappert. Wir waren sogar gemeinsam bei meinem Banker. Aber es ist Jawid Modasir nicht gelungen, ein Geschäftskonto zu eröffnen. Solche Situationen nehmen den Menschen das Vertrauen in das System und rauben ihnen die Motivation. Sie fragen ja nicht nach Geld, wollen kein Darlehen – es geht wirklich nur darum, Inhaber eines Kontos zu werden.
Und warum klappt das nicht?
Bei diesem konkreten Beispiel war das eingereichte Dossier nicht komplett. Oft ist das der Fall. Dabei gibt es allerdings zwei Probleme: Zum einen wird von vornherein nicht klar kommuniziert, welche Papiere überhaupt nötig sind. Es fehlt eine Liste mit den notwendigen Dokumenten. Ebenso gibt es keine Erklärungen, und das, obwohl es sich teils um komplexe Formulare handelt. Bei einer Ablehnung werden dann oft keine Gründe genannt. Die Menschen wissen nicht, warum ihr Antrag nicht genehmigt wurde und bekommen keine Erklärung. Gäbe es die, könnten beispielsweise fehlende Dokumente noch nachgereicht werden.
Das klingt nach viel Papierkram. Was gehört denn überhaupt alles zu einem solchen Antrag dazu?
Persönliche Dokumente, wie etwa eine Kopie des Identitätsausweises und eine Meldebescheinigung. Dann ein Auszug aus dem Handelsregister sowie die Gewerbeerlaubnis. Es muss aber auch ein Geschäftsplan vorgelegt werden, damit man bei der Bank verstehen kann, was der Unternehmer vorhat und wo das Geld herkommen wird. Meist kommen dann noch für die Bank spezifische Dokumente hinzu. Und auch interessant: ein Schreiben, warum man gerade bei dieser Bank ein Konto eröffnen will. Das alles kann ganz schön aufwendig sein, vor allem wenn man als neuer Bürger das Luxemburger System noch nicht gut kennt und nicht weiß, wie man an diese Dokumente kommt. Deshalb begleitet „Touchpoints“ Menschen bei diesem Prozess. Kompliziert wird es beispielsweise auch, wenn ein Diplom nicht anerkannt wird.
Betrifft das denn ausschließlich Menschen mit Migrationshintergrund?
Nein. Auch Unternehmer aus Luxemburg würden davon profitieren, wenn von vornherein klar kommuniziert würde, welche Dokumente eingereicht werden müssen. Wenn man diese Prozeduren verändern könnte, würde es das für alle leichter machen. Die Banken müssen sich da mehr Mühe geben und sich fragen: „Wie können wir es besser machen?“ Und einfach klar sagen, was erwartet wird.
Und doch sind gerade Migranten von dem Problem betroffen. Man könnte den Banken fast einen bösen Willen unterstellen.
Es ist so: Mit der Eröffnung eines Kontos sind für eine Bank immer auch Kosten verbunden. Das Kreditinstitut muss sich fragen, wie interessant es aus wirtschaftlicher Sicht ist, einen Kunden aufzunehmen. Und ob das eventuell ein Risiko darstellt. Unsere Erfahrung zeigt: Wenn eine Person mit Migrationshintergrund eine solche Anfrage stellt, muss sie mehr Aufwand betreiben, damit es am Ende auch klappt. Bei einem Flüchtling beispielsweise werden mehr Fragen gestellt. Dieser Mensch wird es schwerer haben, sich selbstständig zu machen, als ein Luxemburger. Das ist aber kein schlechter Wille der Banken, sondern das Ergebnis der Gesetzgebung.
„Das Ergebnis der Gesetzgebung“ – wie ist das gemeint?
Im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismus muss jede Bank hohe internationale Standards erfüllen. Tut ein Kreditinstitut das nicht, stehen darauf Strafen. Sehr hohe Strafen. Aus Eigeninteresse müssen die Kreditinstitute also streng sein. Vor allem bei Menschen aus als Risikogebiete eingestuften Ländern wie Afghanistan, Irak oder Syrien sind sie deshalb wachsam. Das ist eine indirekte Diskriminierung, die allerdings nicht beabsichtigt ist. Bei Betroffenen führt das jedoch zu Kollateralschäden. Die Antragsteller bekommen ja gar nicht die Möglichkeit, sich zu erklären oder zu verteidigen und bekommen auch keine zweite Chance.
Wir wissen nun, warum Banken so handeln. Aber können die Kreditinstitute etwas tun, um die Situation zu ändern?
Es liegt in ihrer Hand, wie sie dazu kommunizieren. Bei fehlenden Dokumenten können sie den Menschen beispielsweise mitteilen, dass es daran gescheitert ist. An unserem Rundgespräch haben unter anderem Schlüsselakteure aus dem Bankensektor und auch zwei Banken teilgenommen. Sie haben erklärt, dass sie sich an die Regeln halten müssen. In der Diskussion mit den Betroffenen haben sie aber auch gesehen, dass das Auswirkungen hat. Es war wichtig, dass die Zuhörer ihre persönlichen Geschichten erzählen konnten, um zu zeigen, dass hinter diesen Anfragen Menschen stehen. Für sie war es auch sehr wichtig zu sehen, dass es nicht an ihnen liegt.
Ein erster Schritt scheint damit gemacht zu sein, geht man bei „Touchpoints“ demnach positiv gestimmt in das neue Jahr?
Es gibt jetzt einen Dialog. Wir sind beispielsweise nun mit einer Bank in Kontakt, um zu schauen, wie Informationen besser kommuniziert werden können. Es wird an einer Liste mit den bei einem Antrag beizulegenden Dokumenten gearbeitet. Gemeinsam schauen wir, wie man besser informieren kann. Außerdem wurde unser Budget für das kommende Jahr bewilligt. Wir wollen die Unternehmer spezifisch über dieses Thema und das Bankensystem informieren. Wer selbst betroffen ist, kann sich übrigens an „Touchpoints“ wenden und einen Termin machen.
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