Toter in Givenich / Eine Frage der Zuständigkeit: Gefängnis lässt Vorwürfe nicht auf sich sitzen
Justizministerin Sam Tanson und das Gefängnis von Givenich stehen im Kreuzfeuer. Wie konnte es zu dem Todesfall in der Haftanstalt kommen? Das CPG weist die Verantwortung von sich.
Der Todesfall im Givenicher Gefängnis (CPG) schlägt weiter Wellen: Das Tageblatt berichtete über den Vorfall und ließ dabei auch einen Mithäftling zu Wort kommen, der schwere Vorwürfe gegen die Gefängnisverwaltung erhebt. Diese wollte die drei erschienenen Artikel sowie die Vorwürfe des Häftlings allerdings nicht unkommentiert auf sich sitzen lassen.
Der Mithäftling, der aus Sorge vor Repressalien lieber anonym bleiben möchte, berichtete dem Tageblatt, dass sich der Häftling vor seinem Tod in einem schlechten körperlichen Zustand befunden haben soll. K. sprach von sichtbar schlecht durchbluteten Extremitäten und großen Wunden des übergewichtigen 30-Jährigen. Der Mann sei sogar ins Krankenhaus gebracht worden. K. zweifelte generell an der Haftfähigkeit des nun toten Gefangenen.
Die Gefängnisverwaltung verweist hierbei auf die parlamentarische Frage an Justizministerin Sam Tanson, in der sie ausführte, dass der Häftling sogar dreimal ins Krankenhaus gebracht wurde – am 18., 25. und 29. Juni. Die zuständigen Ärzte hätten den Gefangenen allerdings jedes Mal wieder zurück in das CPG entlassen, was für seine Haftfähigkeit spreche, so die Verwaltung. Hätte es daran Zweifel gegeben, wäre auch so gehandelt worden und der Gefangene wäre nicht zurück ins CPG verlegt worden, heißt es weiter. Eine Frage der Zuständigkeit also?
Das CPG betont nämlich, dass das Arztgeheimnis auch für Häftlinge gilt. „Die Gefängnisverwaltung hat demnach absolut keine Kenntnis über den Gesundheitszustand des Häftlings und auch keinen Zugriff auf seine Krankenakte“, schreibt das CPG. Auch wenn ein Gefangener für eine medizinische Untersuchung ins Krankenhaus muss, habe die Verwaltung keine Kenntnis über den Grund der Untersuchung. Darum könne die Gefängnisverwaltung sich auch nicht über die Haftfähigkeit ihres eigenen Häftlings äußern – diese Einschätzung obliege einzig und allein der medizinischen Abteilung.
Erstellung der Haftfähigkeitsbescheinigung
Das CPG erklärt, wie die Haftfähigkeitsbescheinigungen erstellt werden. Jeder Gefangene werde binnen 24 Stunden nach seiner Ankunft im Gefängnis von einem Arzt und bei Zweifeln auch von einem Psychiater begutachtet. Sollten diese den Neuankömmling für haftunfähig befinden, werde das den zuständigen Behörden – je nach Stand des Dossiers beim Untersuchungsrichter, Strafvollzug usw. – mitgeteilt und der Häftling wieder aus dem Gefängnis entlassen. Demnach wird das Zertifikat kurz vor Haftantritt einer Person ausgestellt.
K. zweifele nicht daran, dass die Haftfähigkeitsbescheinigung vorschriftsgemäß von einem Arzt ausgestellt wurde. Er macht allerdings darauf aufmerksam, dass sich die Eignung für den Freiheitsentzug im Verlauf der Zeit ändern kann und wirft den Verantwortlichen mangelnde Empathie vor.
Es sei an der medizinischen Abteilung der Haftanstalt, zu reagieren, wenn sich der Gesundheitszustand eines Gefangenen verändere oder Zweifel an seiner Haftfähigkeit bestehen sollte, merkt das CPG an. Das sei auch der Fall, wenn ein Gefangener ins Krankenhaus gebracht werden muss. Im Fall einer Haftunfähigkeit würde die Justiz die zuständige Behörde informieren und der Gefangene würde nicht wieder ins Gefängnis zurückkehren.
Auch die Vorwürfe, dass der Häftling am Vorabend seines Todes mehrfach den Alarmknopf gedrückt habe, weist die Gefängnisverwaltung von sich. Wie schon Tanson in ihrer Antwort auf die parlamentarische Anfrage anführte, sagt das CPG, dass zwei Beamte überprüft und dokumentiert hätten, dass kein Alarm ausgelöst worden sei.
Eine Frage der Zuständigkeit
Das Tageblatt eröffnete einen rezenten Artikel mit folgendem Satz: „Justizministerin Sam Tanson sieht sich momentan mit einigen Fragen zum Strafvollzug konfrontiert.“ Anschließend verwies es auf die RTL-Serie zum „Centre socio-éducatif de l’Etat“ (CSEE) in Dreiborn. Die Verwaltung der Haftanstalt Givenich verweist darauf, dass das Jugendgefängnis nicht dem Justizministerium, sondern dem Ministerium für Bildung, Kinder und Jugend unterstehe. Das werde erst mit dem Inkrafttreten des geplanten Jugendstrafrechts ändern. Wenngleich die Klarstellung des CPG durchaus berechtigt ist, ändert das nichts an der Ausgangssituation, dass Justizministerin Sam Tanson sich aufgrund des Sterbefalls in Givenich derzeit „mit einigen Fragen zum Strafvollzug konfrontiert“ sieht.
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Die 1933 im päpstlichen „Luxemburger Wort“ erfolgte Bejahung der nationalsozialistischen Rassenhygiene war eine nie erlöschende Lizenz für alle Katholiken, gewissensfreie und dekalogfreie volkshygienische Maßnahmen durchzuführen.
(„Du bist nichts, dein Volk ist alles!“)
Eine tabuisierte Vergangenheit ist die Basis für eine ungebrochene Kontinuität.
▪ Nicht auszuschließende Todesfälle
Am 23. September 2003 wurde in der Abgeordnetenkammer eine parlamentarische Anfrage gestellt, wo von „dysfonctionnements aux conséquences humaines parfois désastreuses“ im Rahmen des CHNP die Rede war. Autor dieser Anfrage an den damaligen liberalen Gesundheitsminister Carlo WAGNER war der sozialistische Abgeordnete Mars di BARTOLOMEO. Die Anfrage erfolgte kurze Zeit, nachdem ein Artikel im „L’Investigateur“ die skandalösen Zustände in Ettelbrück angeprangert hatte. (…)
Jean-Marie SPAUTZ, der zuständige Direktor, behauptet, daß es seines Wissens nie zu Todesfällen bei Fixierungen kam. Ganz ausschließen könne er es aber nicht. SPAUTZ behauptet weiter, dass es ihm nie möglich gewesen sei, in all das Einblick zu haben, was sich vielleicht im „stillen Kämmerlein“ abgespielt hat. (…)
(Laurent GRAAFF, Revue, 13.05.2006)
MfG
Robert Hottua