Staatsvisite in Portugal / Eine Freundschaft mit Potenzial: Luxemburgs Minister zu Besuch in Lissabon
Die Beziehungen zwischen Portugal und Luxemburg sind außergewöhnlich. Und doch gibt es noch viel zu tun, lautet die Aussage der beiden Luxemburger Minister Jean Asselborn und Corinne Cahen nach dem ersten Tag der Staatsvisite an der lusitanischen Küste. Währenddessen signalisieren Wirtschaftsminister Franz Fayot und Finanzministerin Yuriko Backes, dass die wirtschaftlichen Beziehungen der beiden Länder noch mehr Potenzial aufweisen. Das Tageblatt berichtet aus Lissabon.
Die Staatsvisite in Lissabon ist von Empfängen, militärischen Ehren und touristischen Highlights geprägt. Unterdessen war Familien- und Integrationsministerin Corinne Cahen (DP) zu Arbeitsunterredungen mit portugiesischen Mandatsträgern unterwegs. Jean Asselborn (LSAP) hatte am Donnerstag Gespräche mit „politischer Substanz“. Wirtschaftsminister Franz Fayot (LSAP) und Finanzministerin Yuriko Backes (DP) äußerten sich ihrerseits am Donnerstagmorgen zu ihren Treffen mit portugiesischen Mandatsträgern. Fazit: Trotz guter Beziehungen sei noch eine Menge mehr Potenzial in den bilateralen Beziehungen zwischen Portugal und Luxemburg. Auch Ukraine-Krise und Corona-Pandemie waren Thema während der ministeriellen Unterredungen.
„Ich hatte meinen ersten Kontakt mit portugiesischen Auswandern als Gemeindebeamter in Steinfort“, sagt Jean Asselborn am Mittwochabend. Die Menschen seien damals mit ihrem wenig Hab und Gut nach Luxemburg gekommen und hätten sich hochgearbeitet. „Ihre 50-jährige Präsenz in Luxemburg hat unser Land zum Guten verändert – ohne ihr Zutun wäre Luxemburg nicht da, wo es heute steht“, stellt Asselborn fest.
15 Prozent der Luxemburger Einwohner haben laut dem Luxemburger Außenminister die portugiesische Nationalität – mehr als jede andere Einwanderer-Community in Luxemburg. „Trotz unserer guten Beziehungen dürfen wir die durch die Immigration entstandenen Probleme nicht beschönigen“, meint Asselborn. Besonders die schulische Integration sei ein Problem und: „Nicht jeder, der nach Luxemburg kommt, wird auch reich“, meint Asselborn. Aber: „Ihnen soll eine Möglichkeit geboten werden, das Leben bestmöglich zu meistern.“
„Paradox“ der wirtschaftlichen Beziehungen
Nachholbedarf sieht der LSAP-Minister auch bei den wirtschaftlichen Beziehungen der beiden Länder. Ein Umstand, den auch Wirtschaftsminister Franz Fayot als Paradoxon zwischen zwei eng verbundenen „demokratischen Ländern mit einem gut funktionierenden Rechtsstaat“ bezeichnet. „Portugal hat 2021 auf dem 24. Platz für Luxemburger Exporte gelegen“, sagt Franz Fayot. Bei den Importen liege Portugal auf dem 20. Platz. „Wir wollen Brücken bauen, um die beiden Ökosysteme und die darin gelegenen Unternehmen zusammenzubringen“, sagt Fayot.
Großherzog Henri hat während seines Besuches im Lissaboner Rathaus die portugiesische Hafenstadt als „Silicon Valley“ Europas bezeichnet. Und auch Wirtschaftsminister Franz Fayot stellt fest, dass Portugal in den vergangenen Jahren eine enorme Entwicklung im Bereich der Digitalisierung vollzogen hat. „Hier bietet es sich an, weitere Synergien zu schaffen, da unsere strategische Ausrichtung gut zusammenpassen“, sagt Fayot. Wie auch Luxemburg setze Portugal einen besonderen Fokus auf Nachhaltigkeit.
Ein weiteres interessantes Projekt verfolge Portugal mit dem Aufbau eines Weltraumzentrums auf der Insel Santa Maria nahe den Azoren. Ein Projekt, das noch in den Kinderschuhen stecke, jedoch unter dem Schirm der ESA interessante Möglichkeiten für die Zukunft biete. „Im Bereich der Erdobservation kann besonders im Kampf gegen den Klimawandel oder gegen illegale Fischerei noch viel unternommen werden.“
Pandemie und Ukraine
Ein weiterer wichtiger Aspekt sei laut Außenminister Asselborn auch der wirtschaftliche Aufschwung nach der Corona-Pandemie. Portugal erhalte aus dem Coronavirus-Krisenfonds „Next Generation“ der EU 16,6 Milliarden Euro. „Davon müssen 13,9 Milliarden Euro nicht zurückgezahlt werden“, sagt Asselborn und lobt auch die politische Haltung Portugals in Immigrationsfragen. „Als Emigrationsland versteht Portugal, dass es auch was zurückgeben muss“, sagt Asselborn. „Wenn es darum geht, geretteten Menschen aus dem Mittelmeer Zuflucht zu bieten, hat Portugal stets die gleiche Linie wie Luxemburg und Irland verfolgt.“
Besonders in der Ukraine-Krise hat sich Portugal zu einem sicheren Hafen für ukrainische Flüchtlinge entwickelt. „Bereits vor dem Ukraine-Krieg beherbergte Portugal die fünftgrößte ukrainische Auswanderer-Gemeinschaft“, bestätigt auch Integrationsministerin Corinne Cahen. Nach Ausbruch des Krieges seien 35.000 Menschen aus der Ukraine nach Portugal geflüchtet. „Nun befindet sich in Portugal die zweitgrößte Gemeinschaft von Auswanderern aus der Ukraine.“ Ein Thema, das auch mit der portugiesischen Staatssekretärin für Migration und Chancengleichheit, Isabel Almeida Rodrigues, besprochen wurde.
Im Anschluss daran stand ein Treffen mit Ana Sofia Antunes, Staatssekretärin für die Inklusion von Menschen mit Behinderung, auf dem Programm von der DP-Ministerin. Ein Treffen, das die Stärken und Schwächen, aber auch Gemeinsamkeiten bei der Inklusionspolitik beider Länder offenlegt, wie Corinne Cahen zu Protokoll gibt. Abschließend traf Cahen noch die portugiesische Ministerin für Arbeit, Solidarität und soziale Sicherheit, Ana Mendes Godinho. „Gemeinsam mit der portugiesischen Regierung wollen wir eine Informationskampagne starten, damit die portugiesische Bevölkerung sich aktiv bei den Gemeindewahlen 2023 beteiligt“, sagt Corinne Cahen. Man wolle, dass Demokratie auf Gemeindeebene gelebt werde. „Obwohl wir die Beteiligungsrate von elf auf 22 Prozent bei den letzten Wahlen verdoppeln konnten, sind weitere Anstrengungen nötig.“ Eine engere Zusammenarbeit mit der portugiesischen Regierung und den portugiesischen Medien werde in dem Kontext angestrebt. „Wir müssen den portugiesischen Einwohnern klarmachen, dass sie Teil unseres Landes sind.“
Auf der Suche nach neuen Talenten
Finanzministerin Yuriko Backes, die in ihrer vorigen Funktion als Hofmarschall bereits an der Organisation der Staatsvisite mitgewirkt hatte, hat ihrerseits auf die finanzwirtschaftliche Bedeutung der Visite hingewiesen. „Großherzog Henri war von Anfang an der finanzwirtschaftliche Aspekt der Visite sehr wichtig“, sagt Backes. In dem Rahmen habe sie sich am Mittwoch mit dem portugiesischen Finanzminister Fernando Medina getroffen. Dieser habe auf die Vorbildfunktion Portugals hingewiesen, wenn es darum gehe, gestärkt aus einer Krise hervorzugehen.
Teil der Luxemburger Delegation ist auch Luxembourg for Finance und das Luxembourg House of Financial Technology (LHoFT). „Auch Versicherungsunternehmen haben Interesse am portugiesischen Markt gezeigt“, sagt Finanzministerin Yuriko Backes. Luxembourg for Finance habe unterdessen Networking Events mit der „Nova School of Business and Economics“ veranstaltet und Seminare mit dem portugiesischen Finanzsektor organisiert. „Es ist wichtig, die nötigen Kontakte zu schnüren und die jungen Talente zu erreichen“, sagt Backes.
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