Geschäftswelt / Eine für alle: Gespräch mit Mireille Rahme-Bley, Präsidentin der UCVL
Seit Juli 2021 steht Mireille Rahme-Bley an der Spitze des hauptstädtischen Geschäftsverbandes UCVL. Mit der angespannten gesundheitlichen Situation, der verstärkten Rückkehr zum Home-Office und den Protestkundgebungen, die seit zwei Monaten samstags die Hauptstadt heimsuchen, ist das keine einfache Aufgabe. Der sich die energische Unternehmerin allerdings mutig stellt.
Es sind große Fußstapfen, in die Mireille Rahme-Bley vor sechs Monaten getreten ist. Eine ihrer Vorgängerinnen, Corinne Cahen, hat hier die Weichen ihrer späteren politischen Karriere gestellt. Vor ihr hatte der legendäre Josy Welter 25 Jahre lang die hauptstädtische Geschäftswelt durch alle Höhen und Tiefen geführt. Sein erbitterter Kampf gegen die Geschäftszentren am Rand der Stadt und sein genauso hartnäckiger Kampf für zusätzlichen Parkraum sind in Erinnerung geblieben.
Ob sie politische Ziele verfolgt, verrät Mireille Rahme-Bley nicht. Parkplätze sind auch nicht ihre Priorität. „Ich bin mit dem Bus gekommen“, sagt sie beim Gespräch im „Café des Capucins“, eine der vier Gaststätten, die sie zusammen mit ihrem Sohn Christopher betreibt.
„Ich vertrete zwar rund 450 Geschäftsleute in der Hauptstadt, ich kann aber immer nur für meine Branche reden, insofern ich nicht die Möglichkeit habe, bei den direkt Betroffenen Rücksprache zu halten“, stellt sie von vorneherein klar.
Ich bin von Natur aus ein optimistischer Mensch. Bei mir ist das Glas immer halbvoll.Präsidentin der UCVL
Dabei kommen die praktischen Erfahrungen der neuen Präsidentin der UCVL bereits aus zwei Richtungen: 1992 eröffnete die vierfache Mutter aus rein praktischen Überlegungen ein Geschäft für Kinderbekleidung. Sie habe in dem damaligen Angebot ihr Glück nicht gefunden, habe sich mit vier Kindern nicht unbedingt teure Markenkleidung in edlen Boutiquen leisten wollen.
Das Konzept ging auf. Sehr schnell wurden Zweigstellen in den Einkaufszentren von Mersch und Kirchberg, später dann noch eine zweite Niederlassung in der Hauptstadt eröffnet. Weil das Geschäftsmodell gewissermaßen mit der jungen Kundschaft wuchs, erweiterte die Unternehmerin ihr Angebot mit Kleidung für Heranwachsende und Jugendliche, später auch für Erwachsene.
Diese Expansion war nur möglich durch eine extrem gute Organisation. Mireille Rahme-Bley wollte trotz allem Unternehmertum verfügbar für ihre Kinder bleiben. „Das ist nur als Selbstständige möglich“, sagt sie rückblickend.
Die Erfolgssträhne hat jedoch nicht angehalten. Das Angebot veränderte sich, die Nachfrage wurde eine andere, die Einkaufsplattformen wuchsen. Ein Verlustgeschäft wollte die Unternehmerin nicht machen, sie schloss ein erstes Geschäft. „Dabei bin ich von Natur aus ein optimistischer Mensch. Bei mir ist das Glas immer halb voll. Wenn ich nach einem schlechten Geschäftstag die Tür schloss, war es immer mit dem festen Glauben, dass es morgen besser wird.“
Der berufliche Wechsel
Als ihr Sohn Christopher 2011 mit dem Plan an sie herantrat, eine „Coffee-Lounge“ zu eröffnen, war der Unternehmergeist von Mireille Rahme-Bley erneut angestachelt. Das vom amerikanischen Starbucks inspirierte Konzept gab es damals in Luxemburg noch nicht. Christopher Rahmes Riecher war jedoch richtig. Sehr schnell wurde sein „Downtown“ in der Chimay-Straße eine „place to be“. „Ich habe ihm stets freie Hand gelassen“, sagt seine Mutter rückblickend.
Die aktuelle Präsidentin des Geschäftsverbandes steht in den Lokalen ihres Sohnes nicht hinter dem Tresen. Geht jedoch die Rede von Personalfragen, von Umsatz oder Preispolitik, dann wird sogleich klar, wo sie dem Sohn zur Seite steht. „Zur aktuell schwierigen Geschäftslage kommen substanzielle Preiserhöhungen für Strom, Gas und Lebensmittel. Das verlangt eine akribische Geschäftsführung.“
Und damit sind wir auch bei dem Thema angelangt, das der Auslöser für unser Gespräch war. Das verlangsamte Geschäftsleben, das unter der fast zweijährigen Covid-Krise leidet, die Arbeit von zu Hause, die die Menschen von der Hauptstadt fernhält, der Online-Einkauf, den man vom persönlichen Computer aus bequem machen kann, und nicht zuletzt die Demos, die vielen Familien den samstäglichen Ausflug in die Stadt vermasselt haben. Was hat die Vertreterin der Geschäftswelt dazu zu sagen? Wie geht sie damit um?
Wer trägt die Verantwortung?
Anfangs seien die am Freitag nach Feierabend veranstalteten „Marches blanches“ nicht als störend empfunden worden. „Die Demonstranten kamen in aller Ruhe von der place de l’Europe bis zur place d’Armes und haben den Abend dann dort auf den Terrassen ausklingen lassen. Das war für uns ein gutes Geschäft“, meint Rahme-Bley. Der Geschäftsverband hatte ausdrücklich darum gebeten, Demos nur außerhalb der Öffnungszeiten zu erlauben, um das vorweihnachtliche Geschäft nicht zu beeinträchtigen.
Schwierig wurde es bei den unangemeldeten Kundgebungen. Die Demo im Januar, die das Geschäftsleben in der avenue de la Gare komplett blockierte, brachte nochmals eine neue Dimension. „Die Polizei hatte nicht in dem Maße mit den Unruhestiftern aus dem Ausland gerechnet“, sagt Rahme-Bley und spricht von möglichen Entschädigungen für den Verdienstausfall.
Die Gemeindeverwaltung nimmt sie dabei nicht in die Verantwortung. „Wir arbeiten gut zusammen“, betont sie immer wieder.
Auch innerhalb des Geschäftsverbandes ist die Zusammenarbeit gut. „Ich kann auf meine beiden Vizepräsidenten (Malvina Gelezuinas und Dan Gantrel) zählen. Sie vertreten andere Geschäftsbereiche und können für ihre Branche sprechen“, beantwortet Rahme-Bley die Frage nach dem Weihnachtsgeschäft, das je nach Bereich unterschiedlich eingeschätzt wird. Die „Forains“ waren trotz Demos zufrieden, heißt es mit dem neuerlichen Hinweis, die Stadt tue alles, um dem Handel zu helfen.
Auch die Bemerkung nach den durch die Demos vermasselten „Soldes“ lässt sie nicht gelten: Es gebe mittlerweile fast das ganze Jahr über Sonderangebote. Dazu komme nochmals die Arbeit von zu Hause aus, die sich auch in alten Klamotten oder Sportkleidung erledigen lässt. Und nochmals die Konkurrenz des Online-Einkaufs. „Damit muss man als Unternehmer heute rechnen.“
Bei der Frage nach den fehlenden Parkmöglichkeiten muss sie dann trotz allem passen. Der „Knuedler“, der nur progressiv wieder benutzbar ist, die place des Martyrs, die noch immer geschlossen ist, genauso wie der Parkplatz unter dem Heiliggeist-Plateau machen dem Kunden das Leben schwer. Die Arbeiten seien schlecht koordiniert worden.
„Ich selbst fahre mit dem Bus“, betont die Präsidentin nochmals mit dem Hinweis auf den kostenlosen öffentlichen Transport. Und auf die Tatsache, dass mit dem Royal-Hamilius ja doch ein großzügiges Angebot dazugekommen ist. „Wir wollen die Oberstadt und das Bahnhofsviertel weiterhin attraktiv machen. Ich empfinde es als Chance, dabei mitmachen zu können.“
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„Die Demonstranten kamen in aller Ruhe von der place de l’Europe bis zur place d’Armes und haben den Abend dann dort auf den Terrassen ausklingen lassen. Das war für uns ein gutes Geschäft“
Die Klamottenläden waren bestimmt anderer Meinung.