Luxemburg-Stadt / Eine Gemeinderatssitzung voller Emotionen: Erneutes Blau-Schwarz-Bündnis wird immer wahrscheinlicher
Zwist nach angespannten Wochen Wahlkampf sieht anders aus: Nur einen Tag nach dem Urnengang in den Kommunen wird die Harmonie zwischen DP und CSV bei einer Sitzung vom Gemeinderat deutlich. Eine Koalition zwischen den aktuellen Mehrheitsparteien wird immer wahrscheinlicher.
Zielstrebig schreiten Lydie Polfer (DP) und Patrick Goldschmidt (DP) über den hauptstädtischen „Knuedler“ auf das Rathaus zu. Ein Kameramann eines Luxemburger Fernsehsenders filmt. Im Rathaus stehen gleich neben dem Empfang mehrere Politiker von DP und CSV in einem Grüppchen beisammen. Höchstwahrscheinlich ebnen sie in dem Moment den Weg für weitere sechs Jahre einer blauschwarzen Koalition in Luxemburg-Stadt. Dass dies in Zukunft politische Realität sein wird, ist nach den Gemeindewahlen vom Sonntag mehr als wahrscheinlich.
Bei diesen war die Partei rund um Bürgermeisterin Lydie Polfer mit ihren 15.212 Stimmen als deutliche Wahlsiegerin hervorgegangen. Die Negativtendenz drei vergangener Urnengänge hat sich bei der DP am 11. Juni demnach nicht fortgesetzt. Stattdessen steigern sich die Liberalen von 30,4 Prozent in 2017 auf 31,38 Prozent und sichern sich so ein weiteres Mandat. Damit ist die DP eine von lediglich drei bestehenden Parteien – neben den Piraten und der ADR –, die in diesem Jahr in der Hauptstadt zulegen können.
Koalitionsgespräche werden vorbereitet
Einen Tag nach dem Urnengang will Bürgermeisterin Polfer sich nicht weiter dazu äußern, wie es nun weitergeht: „Seit gestern hat sich nichts verändert, es gibt nichts Neues zu sagen. Aber am Dienstagmorgen kann ich mehr sagen.“ Schon in der Wahlnacht hatten die Liberalen das Gespräch mit der bisherigen Koalitionspartnerin CSV gesucht – die beim diesjährigen Urnengang deutlich verloren hat, von 25,03 Prozent in 2017 auf nun 20,6 Prozent, was die Partei einen Sitz kostet.
Als Wahlverliererin will deren Spitzenkandidat diese aber nicht sehen. „Wir wurden nicht gestärkt und das war natürlich nicht unser Ziel. Aber das ist kein Grund, Trübsal zu blasen. Laut der Interpretation von Lydie Polfer und mir ist unsere Koalition weiterhin standfest. Das exekutive Paar wurde in der Stadt bestätigt“, stellt Serge Wilmes bei seinen 11.699 Stimmen fest. Und erzählt dann, dass die aktuellen Mehrheitsparteien noch am Montagabend mit ihren Mitgliedern zusammenkommen werden, um sich für die Koalitionsverhandlungen aufzustellen. Am Dienstag wird sich der aktuelle Schöffenrat dann treffen und Weiteres klären.
So wie es schon während der Gemeinderatssitzung am Montag zum Teil passiert. Neben Lydie Polfer sitzend, blättert Serge Wilmes gemeinsam mit ihr durch Dokumente und beratschlagt sich mit ihr. Auch mit Simone Beissel von der DP sowie Maurice Bauer und Laurent Mosar von der CSV werden am Schöffenratstisch während der laufenden Sitzung immer wieder die Köpfe zusammengesteckt. Es bietet sich das Bild eines eingespielten Teams. Ein Ende des blauschwarzen Bündnisses scheint nicht in Sicht. Oder wie Serge Wilmes es formuliert: „Dass es zu Koalitionsverhandlungen kommt, ist zu 99,9 Prozent sicher.“
Zur Oppositionspolitik bereit
Das untermauern auch die Unterhaltungen mit den Verantwortlichen aus der Opposition. „Wir sind gesprächsbereit, aber auf uns ist bisher noch niemand zugekommen. Die Mehrheit scheint sich bereits zusammengefunden zu haben“, stellt der diesjährige Co-Spitzenkandidat der Grünen, François Benoy, fest. Und weist darauf hin, dass das blauschwarze Bündnis insgesamt geschwächt wurde. Während es 2017 noch auf 55,07 Prozent bei 16 Sitzen kam, sind es nun 51,98 Prozent. Da die Grünen mit hohen Ambitionen in den Wahlkampf gingen, zeigt François Benoy sich nicht hundertprozentig mit dem Ergebnis zufrieden.
Bei der LSAP scheint man sich schon mit weiteren Jahren auf der Oppositionsbank angefreundet zu haben. Einen Tag nach den Wahlen sagt Co-Spitzenkandidat und aktuelles Ratsmitglied Gabriel Boisanté: „Wir werden weitere sechs Jahre eine gute Oppositionspolitik leisten. Mit uns hat bisher niemand geredet – das hat in der Hauptstadt allerdings Tradition. Ich lade dazu ein, dies zu ändern.“ Dabei hebt er hervor, dass die Sozialisten nicht deutlich verloren haben und ihre drei Sitze in Luxemburg-Stadt behalten konnten. Änderungen wird es dennoch geben.
Neben Gabriel Boisanté werden nämlich nicht mehr länger Cathy Fayot und Tom Krieps im Gemeinderat sitzen. Stattdessen ziehen Co-Spitzenkandidatin Maxime Miltgen und Antónia Afonso Bagine ins Rathaus ein. Nach 12 Jahren am „Knuedler“ sagt Tom Krieps: „So ganz habe ich das noch nicht realisiert und es wird mir fehlen. Persönlich finde ich das natürliche keine super Sache. Aber das ist eigentlich zweitrangig. Mehr Sorgen bereitet mir, dass wir allgemein unser Ergebnis nicht verbessern konnten.“ Während der Ratssitzung richtet er herzliche Worte an alle Scheidenden und umarmt unter anderem Ana Correia Da Veiga („déi Lénk“) tröstend.
Enttäuschung bei „déi Lénk“
Corinne Cahen gibt Ministerposten ab
Die Ministerin für Familie, Integration und die Großregion, Corinne Cahen (DP), wird diese Posten niederlegen, wie sie dem Tageblatt am Montag bestätigte. Denn: Bei den Gemeindewahlen am Sonntag kam sie aus dem Stand heraus auf 11.328 Stimmen. „Ich werde das Mandat annehmen, das ich von den Wählern bekommen habe. Noch wahrscheinlich diese Woche werde ich daher den Ministerposten abgeben“, erklärte die liberale Politikerin. Eine Ministerin oder ein Minister muss das nämlich tun, wenn ein Einzug in den Gemeinderat erfolgen soll. Da die Koalitionsverhandlungen erst noch geführt werden, kann die Politikerin nicht sagen, für welchen Bereich sie am „Knuedler“ Verantwortung übernehmen wird. Eines sei allerdings klar: „Der Posten der Bürgermeisterin steht nicht zur Diskussion.“ Abschließend wies die Noch-Ministerin darauf hin, dass es nicht ihre Entscheidung sei, wer ihre Nachfolge in der Regierung übernehmen wird.
Auch ihr wird es schwer ums Herz, wenn sie daran denkt, künftig nicht mehr an den Ratssitzungen teilzunehmen. Denn wie in vielen Gemeinden im Land, hat „déi Lénk“ auch in der Hauptstadt verloren und ist von 6,79 Prozent in 2017 auf nun 5,74 Prozent abgerutscht. Was sie einen Sitz kostet. Der übriggebliebene wird von der Meistgewählten Nathalie Oberweis besetzt. Sie wird laut Ana Correia Da Veiga im Hintergrund von der Mannschaft unterstützt werden. Das aktuelle Ratsmitglied sagt: „Ein Sitz weniger – was soll man da sagen? Die Enttäuschung ist groß. Dennoch zweifele ich nicht an unserem Programm und an unserer Vision für diese Stadt.“
Nicht am Montag im Gemeinderat präsent waren die Piraten sowie die ADR. Das wird sich allerdings schon bald ändern. Bei den Piraten war am Wahlsonntag nämlich die Freude über ein neues Mandat groß; bei der ADR war man zufrieden, erneut auf einen Sitz zu kommen und diesen nun auch wieder mit einem Parteimitglied – Tom Weidig – besetzen zu können. Nachdem Ratsmitglied Marceline Goergen aus der ADR ausgetreten war, hatte sie als unabhängige Gemeinderätin ihr Mandat ausgeübt. Die neu gegründete „Fokus-Sektioun Stad Lëtzebuerg“ und die neue „Biergerlëscht – Liste Citoyenne – Mir d’Vollek“ bekamen am Sonntag indes keine Sitze.
Wenn sich die verschiedenen Ratsmitglieder – in einer für den hauptstädtischen Gemeinderat doch eher ungewohnt freundschaftlichen Manier – auch bereits am Montag Küsschen gebend beglückwünschen, tröstend drücken oder einander Mut zusprechen, wird das nicht die letzte Ratssitzung in der aktuellen Konstellation gewesen sein. Bereits am Freitag steht eine weitere Sitzung an und dann noch eine am 10. Juli. Bis dahin wird wahrscheinlich schon längst absolut sicher sein, dass es in der Hauptstadt keine großen Veränderungen gibt.
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