OGBL-Kampagne „Grad elo“ / Eine Gewerkschaft verliert die Geduld
Verschobene Steuerreform, Hinhaltetaktik bei den Familienzulagen, zunehmende Dramatik der Wohnungskrise, wachsende soziale Ungleichheit: Der OGBL ist dabei, die Geduld mit der Regierung und den Verhältnissen im Land zu verlieren. Aus diesem Grund hat der Nationalvorstand der Gewerkschaft am Dienstag eine groß angelegte Kampagne unter dem Motto „Grad elo“ ins Leben gerufen. Präsidentin Nora Back ging auf die Schwerpunkte ein.
Die Themen der Kampagne sind nicht neu. Doch gerade deswegen soll sie nun zur politischen „Rentrée“ den Druck erhöhen. Seit Jahren wiederhole die Gewerkschaft die gleichen Forderungen, ohne dass die Regierung den wissenschaftlich zu beobachtenden zunehmenden Ungleichheiten und der auseinandergehenden Schere zwischen Arm und Reich konsequent entgegensteuere.
Sechs Themen hat der OGBL in einer Broschüre, die demnächst an alle Haushalte verteilt werden soll, zusammengestellt; Informationskampagnen in den Betrieben, Konferenzen und weitere Möglichkeiten des gewerkschaftlichen Handelns werden in den kommenden Monaten genutzt, um gerade im Anschluss an die sanitäre Krise zu verhindern, dass diese zu einer sozialen wird.
Ehe sie auf die Details einging, rief Nora Back die Regierung dazu auf, den versprochenen Sozialdialog nicht auf die lange Bank zu schieben und die Tripartite (Dreierrunde zwischen Regierung, Gewerkschaften und Arbeitgebern) schnell einzuberufen. Auch erinnerte sie an das Versprechen von Blau-Rot-Grün, keine Austeritätspolitik zu riskieren; der Widerstand gegen eine kontraproduktive Sparpolitik würde schnell und heftig ausfallen.
Kaufkraft steigern, Löhne erhöhen
Um die Binnennachfrage zu erhalten, sei es unabdingbar, die Kaufkraft der Arbeitnehmer und Rentner, besonders jener mit niedrigen und mittleren Einkommen, zu stärken. Dazu gehöre auch die 2014 versprochene und bislang nicht durchgeführte Indexierung der Sozialleistungen, insbesondere der Familienzulagen. Diese nach dem Jahreswechsel, also nach der nächsten Index-Tranche, anzupassen, sei eine weitere Hinhaltetaktik, die einen zusätzlichen Einkommensverlust für die Familien bedeute und so nicht hinnehmbar sei, so Back.
Die Erhöhung des Mindestlohns, gute Kollektivverträge und die Ausweitung des Systems auf mehr Beschäftigte durch sektorielle Verträge, also eine Reform des entsprechenden Gesetzes, sind weitere Bausteine zum Erreichen des Ziels einer verbesserten Kaufkraft.
Ein Dauerbrenner im Forderungskatalog des OGBL ist die Verteidigung und der Schutz der Arbeitsplätze. Dies soll laut Vorstellungen der Gewerkschaft durch erweiterte Möglichkeiten der beruflichen Weiterbildung, aber auch durch einen verbesserten Kündigungsschutz und eine Reform der Konkursbestimmungen mit besserem Schutz der Beschäftigten geschehen. Dass das Arbeitslosengeld mit zunehmender Periode des „Chômage“ gekürzt und schließlich überhaupt nicht mehr ausbezahlt wird, erfülle den Tatbestand der Bekämpfung der Arbeitslosen anstelle des Einsatzes gegen die Arbeitslosigkeit, so die OGBL-Präsidentin weiter.
Konsens gegen Spekulation: Jetzt handeln
In Bezug auf die Wohnungskrise erinnert die Gewerkschaft an ihre bekannten Vorschläge, von denen die Bekämpfung der Spekulation sowohl auf brachliegendem Bauland als auch auf bestehendem Wohnraum mittlerweile allgemein als Notwendigkeit gesehen werde. Jetzt sei es endlich Zeit, entsprechend zu handeln: „Grad elo“ ist auf dem Gebiet eine absolute Notwendigkeit. Auch der Bau von Wohnungen durch die öffentliche Hand sei immer noch absolut unzureichend.
Dass die ebenfalls dringend notwendige und angekündigte Steuerreform nun doch nicht umgesetzt werden soll, bedauert die Gewerkschaft und verweist auf die ungerecht hohe Besteuerung der Arbeit im Vergleich zu jener aus Kapitaleinkünften. Die Indexierung der Steuertabelle und eine gerechtere Steuerpolitik seien überfällig, wobei der OGBL daran erinnert, dass er für einen finanzstarken und somit handlungsfähigen Staat eintritt; nur die Herkunft des Geldes müsse sozial angepasst werden.
Nora Back verwies darauf, dass Austeritätspolitik oft nach Wahlen, also zu Beginn einer neuen Legislaturperiode, durchgeführt worden sei. Die Gewerkschaft werde die Regierungspolitik also nicht nur während der beiden verbleibenden Jahre der aktuellen Regierungsperiode, sondern auch darüber hinaus sehr genau beobachten und gegebenenfalls mit aller Konsequenz reagieren.
Sechste Urlaubswoche, Vier-Tage-Woche
Seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts gilt die 40-Stunden-Woche in Luxemburg. Zur besseren Vereinbarkeit von Arbeit und Freizeit bzw. Familie sei es an der Zeit, den diesbezüglichen Rückstand auf zahlreiche andere Länder aufzuholen. Die Forderung nach einer arbeitsrechtlich verankerten sechsten Urlaubswoche sei durch den zusätzlichen Feier- und den zusätzlichen Urlaubstag nicht entkräftet worden und gilt weiterhin. Nora Back führte das Beispiel Island an, wo inzwischen 86 Prozent der arbeitenden Bevölkerung in den Genuss der Vier-Tage-Woche kommen, ohne dass die dortige Wirtschaft gelitten habe. Arbeitszeitverkürzung ist demnach weiter ein prioritäres Thema des OGBL.
Und schließlich tritt die Gewerkschaft für ein „starkes, universelles und solidarisches System der sozialen Sicherheit“ ein. Auf keinen Fall dürfe der Anteil des Staates oder der Arbeitgeber an der Finanzierung dieses Systems verringert werden. Die Bedeutung gut funktionierender, öffentlicher medizinischer Infrastruktur habe die Covid-Pandemie verdeutlicht. Privatisierungstendenzen, die Auslagerung öffentlicher Versorgungsaufgaben in private Firmen seien kontraproduktiv und würden Personal und Patienten schaden, so der OGBL besonders mit Blick auf die Krankenhäuser.
Die Absicherung der Renten und Verbesserung der Altenpflege sind weitere Aspekte des Forderungskatalogs, dessen Umsetzung eben „grad elo“ geschehen solle.
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