Traditionshaus / Eine letzte Blume an Silvester: Fleurs Wetzel schließt seine Türen
Im Jahr 1900 gründete Joseph Wetzel in einem Gebäude an der avenue John F. Kennedy in Ettelbrück eine „Handelsgärtnerei und Samenhandlung“. Der damals unter der Telefonnummer 200 erreichbare Betrieb war der Grundstein für ein Unternehmen, das nun seit vier Generationen in der Hand der Familie Wetzel ist. Oder besser gesagt war, denn am 31. Dezember schließen sich die Türen dieses Traditionshauses für immer.
Das Areal an der avenue John F. Kennedy zeigte sich schnell als zu klein und so entschied sich Joseph Wetzel bereits vier Jahre nach der Gründung seiner Gärtnerei und Samenhandlung dazu, auf ein Gelände an der avenue Salentiny in Ettelbrück umzuziehen. Auf diesem rund 48 Ar großen Grundstück gab es genügend Platz für Kulturkästen, in denen Joseph sowohl Blumen als auch Gemüse züchten konnte.
Die Nachkommen Antoine und später dessen Sohn Camille Wetzel investierten weiter in die eigene Züchtung von Pflanzen und so entstand nach und nach ein wahres Meer an Kulturkästen. Der Familienbetrieb wurde nicht zuletzt wegen der Qualität seiner Produkte nicht nur im Norden des Landes schnell bekannt.
Bereits in der vierten Generation übernahmen Marco Wetzel und seine Frau Christiane 1993 die Geschicke des Unternehmens. Marco, wohl besser bekannt als Mick Wetzel, trug sich damals gleich mit dem Gedanken, die Gärtnerei komplett umzugestalten. Das junge Paar legte selbst Hand beim Abbau der unzähligen Kulturkästen an, ein Schaufelbagger sorgte für den anschließenden Aushub der Betonelemente und den Abriss der Kamine der noch mit Kohle betriebenen Heizanlage.
Kompletter Umbau
Somit war der Platz frei für das Errichten mehrerer großer Gewächshäuser und eines neuen Verkaufsraums, in dem, neben dem kleineren Geschäftslokal im angrenzenden Elternhaus, die Kundschaft bedient werden konnte. Zudem wurden die Zufahrt zur Gärtnerei umgestaltet und Parkplätze angelegt. Doch kaum war das junge Paar mit der Umgestaltung des Betriebs fertig, wurde die Gärtnerei durch das Hochwasser im März 1995 arg in Mitleidenschaft gezogen.
„Es war damals keine einfache Zeit“, so Christiane Wetzel-Weis heute. „Es war eigentlich über all die Jahre nicht einfach, da wir ein Gewerbe betrieben haben, das überaus viel von den Temperaturen und Wetterbedingungen im Allgemeinen abhängt. Es brauchte nicht viel, um eine gesamte Produktion an Blumen oder sonstigen Pflanzen zu zerstören.“ Und ihr Mann Mick hakt ein: „Ich erinnere mich an eine Nacht, in der das Thermometer viel tiefer sank, als vorausgesagt wurde. In dieser einen Nacht waren Hunderte von hochgezüchteten Weihnachtssternen der Kälte zum Opfer gefallen. Das sind Rückschläge, die man nicht so schnell verkraftet.“
Rückblickend war das immense Arbeitspensum die größte Herausforderung für Mick und Christiane. „Es gab jedes Jahr neue Trends, und denen musste man gerecht werden, wollte man seine Klientel nicht enttäuschen. Dazu kam, dass z.B. die Bestellungen von Pflanzen und Bestecken zu Gelegenheiten wie Erste-Kommunion-Feier, Geburtstagen, Eröffnungen von Geschäften, Hochzeiten, um nur diese zu nennen, mit den Jahren drastisch zurückgingen. Allein bei Begräbnissen gehen noch Bestellungen ein, was aber wiederum eine Herausforderung für die Betriebsorganisation bedeutete, denn in diesen Fällen mussten innerhalb von zwei Tagen die von der Kundschaft gewünschten Blumen vorhanden, die Blumengarben und -kränze zusammengestellt und geliefert sein. Solche Arbeitstage begannen oft bereits um 5 Uhr in der Früh.“
25.000 Pflanzen
Beim Besuch in der Gärtnerei „Fleurs Wetzel“ geht es durch gähnend leere Gewächshäuser, in denen bis vor Kurzem mehrere Tausend Blumen und Pflanzen standen. „In diesem Gewächshaus züchteten wir jedes Frühjahr bis zu 25.000 Geranienpflanzen hoch. Die wurden anschließend bis zu den drei Eisheiligen im beheizten Gewächshaus gehegt und gepflegt, bis dann der Startschuss für den Verkauf fiel“, so Mick Wetzel.
An Silvester, Punkt 16 Uhr, endet aber nun die Geschichte der Gärtnerei Wetzel. Es gebe gleich mehrere Gründe, warum man nicht mehr mit dem Traditionsbetrieb weiterfahren möchte. „Wir sind nicht jünger geworden“, so Mick lächelnd, „unsere beiden Söhne haben andere Berufsinteressen, die Energie- und Unterhaltskosten fressen uns auf, die Supermärkte machen die Preise kaputt, der Mangel an geeignetem und in der Floristik ausgebildetem Personal wird von Jahr zu Jahr größer, … brauchen Sie noch mehr Gründe?“
Auf die Frage, wie es sich denn nun anfühlt, wenn man das letzte Kapitel einer 122-jährigen Geschichte geschrieben hat, meint Christiane Wetzel: „Ich hatte, ehrlich gesagt, noch keine Zeit, mir darüber ernsthaft Gedanken zu machen. Bis heute wurden wir noch tagtäglich von der Arbeit dermaßen in Beschlag genommen, dass nicht viel Zeit zum Nachdenken blieb.“
Bei der Abfahrt vom Parkplatz fällt der Blick im Rückspiegel ein letztes Mal auf die Gewächshäuser, die kurz- bis mittelfristig dem Erdboden gleichgemacht werden und einem Wohnungsbauprojekt Platz machen sollen.
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