/ Eine „progressive Mehrheit“: SPE-Spitzenkandidat Timmermans macht Wahlkampf in Luxemburg
Am Vortag eine Veranstaltung mit dem Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes, Luca Visentini, am Dienstagabend mit dem Spitzenkandidaten der europäischen Sozialisten und Sozialdemokraten bei den EU-Wahlen, Frans Timmermans: Die sechs Europakandidaten der LSAP haben in den vergangenen Tagen die heiße Phase ihres Europawahlkampfs in Luxemburg eingeläutet.
Frans Timmermans ist kein Ideologe. Die Vereinigten Staaten von Europa sind für ihn kein Ziel. Doch ist der Niederländer, der neben seiner Muttersprache sechs weitere europäische Sprachen beherrscht, überzeugter Europäer. Den Abend mit den luxemburgischen Genossen bestreitet er auf Deutsch, hätte aber mit gleicher Leichtigkeit ins Französische oder Italienische wechseln können.
Bereits im Dezember vergangenen Jahres stand fest, dass die SPE (Sozialistische Partei Europas) mit Frans Timmermans in den Europawahlkampf ziehen würde. Der erste Vizepräsident der EU-Kommission war einziger Anwärter für die Kandidatur. Sein größter Herausforderer ist der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP), der deutsche EU-Parlamentarier und EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber. Diesem hat Frans Timmermans immerhin Regierungserfahrung voraus. Während sich Webers politische Karriere hauptsächlich auf das Europäische Parlament beschränkt, gehörte Frans Timmermans verschiedenen Regierungen als Minister für europäische Angelegenheiten und als Außenminister an. Allerdings dürfte die EVP laut Umfragen auch bei den diesjährigen EU-Wahlen wieder als stärkste Fraktion vor den Sozialdemokraten (S&D) in das Europäische Parlament einziehen. Und wie bereits 2014 steht dem Spitzenkandidaten der stärksten Fraktion das Amt des künftigen EU-Kommissionspräsidenten zu. Sofern er eine Mehrheit im EP findet.
Kein Pakt mit Rechtsextremen
Darauf baut Frans Timmermans. Er will im EP eine „progressive Mehrheit“ schmieden, der Grüne und Liberale, Abgeordnete von Emmanuel Macron und den Linken angehören. Bislang sei die EVP immer davon ausgegangen, dass ohne sie nichts gehe. „Das ist nicht gut für die Demokratie“, findet Frans Timmermans und zeigt auf das Beispiel Luxemburg. Auch hier habe die Vormachtstellung der CSV, die der EVP angehört, gebrochen werden können.
Der Niederländer warnt die EVP allerdings, nicht vom Grundsatz Jean-Claude Junckers abzuweichen, niemals mit den Rechtsextremen zu paktieren. Eine Versuchung, die real ist. Vor allem, da der ungarische Regierungschef Viktor Orban, dessen Partei Fidesz ebenfalls der EVP angehört, auch wenn die Mitgliedschaft bis auf weiteres suspendiert wurde, genau in diese Richtung gehen will. Und mit ihm auch wohl andere.
„Wir Sozialdemokraten werden nie, nie, nie mit Rechtsextremen paktieren“, versichert Frans Timmermans. Rechtsextreme und -populisten würden darauf setzen, die Leute, die ohnehin mit Problemen beschäftigt seien, die Arbeit und Wohnen beträfen, zu verunsichern. Sie würden Themen wie Integration und Migration, Kriminalität und Identität miteinander vermischen und so weitere Unsicherheiten schaffen. „Wenn wir von Identität reden, machen wir das, um andere auszuschließen, oder machen wir das, um anderen zu zeigen, was unsere Werte sind?“, fragt Frans Timmermans und hofft, „dass die Konservativen in Europa sich zu diesen Werten bekennen“.
Soziale Maßnahmen im Vordergrund
Und der Niederländer erzählt anhand eines anderen Beispiels, inwieweit es bei der anstehenden Europawahl auch um Werte und deren Interpretation in Europa geht. Bei einer Veranstaltung in Maastricht sei er darauf angesprochen worden, warum er nichts über „christliche Werte“ gesagt habe. Er habe entgegnet, dass er sehr wohl über Solidarität, Gleichheit und Miteinander geredet habe. Asylanten kein Essen zu geben, sei hingegen nicht christlich. Und jemand, der solches tue – womit Frans Timmermans eindeutig den ungarischen Premierminister Viktor Orban im Auge hatte –, „kann sich nicht auf christliche Werte berufen, sag ich auch mal als Christ“, so der Niederländer.
Doch zeichnet sich die Europawahl nicht nur durch eine Richtungswahl aus. Er habe mittlerweile 16 bis 17 EU-Staaten besucht, wobei ihm im Austausch mit den Menschen Gemeinsamkeiten aufgefallen seien. Die Leute fühlten sich nicht genügend beschützt, es fehle ihnen an Mitmenschlichkeit, er sei gefragt worden, warum nur Banken gerettet würden. Er sieht, wenn er Kommissionspräsident werden sollte, eine „Riesenaufgabe“ auf sich zukommen. Die er mit sozialen Maßnahmen angehen will.
Nicht nur wolle er dafür sorgen, dass die „Riesenunterschiede“ in der Entlohnung zwischen Männern und Frauen behoben werden. Er fordert ebenfalls einen europäischen Mindestlohn, der bei 60 Prozent des Medianlohns im jeweiligen Mitgliedstaat liegen soll. Europa müsse zudem dafür sorgen, dass die großen multinationalen Unternehmen ihren Anteil an Steuern zahlen. Es könne nicht angehen, dass die „Riesen in der Wirtschaft“ weniger Abgaben leisten als kleine Unternehmen. „Das muss geändert werden und das kann nur Europa“, so Frans Timmermans, dem ein Mindeststeuersatz „um die 18 Prozent“ für Betriebe vorschwebt.
Klimapolitik soll Chefsache werden
Der Nationalstaat würde die Umverteilung nicht mehr schaffen. Das sei an einer immer mehr in Bedrängnis geratenden Mittelschicht zu erkennen. Der SPE-Spitzenkandidat will daher neben einer Umverteilung bei den Gehältern und der Bildung auch eine Umverteilung der Macht. Die Gewerkschaften in Europa müssten wieder gestärkt werden, so der Niederländer am Vortag des 1. Mai. Damit sie etwa Verträge für ganz Europa aushandeln könnten, was beispielsweise in neuen Wirtschaftszweigen wie den Lieferdiensten der Fall sein sollte. Ein anderes für viele Menschen nicht nur in Luxemburg, sondern europaweit zunehmendes Problem ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Frans Timmermans schlägt vor, die europäischen Strukturfonds zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus in der EU zu nutzen. Wenn der Anteil der Sozialwohnungen an den Neubauten in einem Mitgliedstaat mindestens 30 Prozent beträgt, sollten finanzielle Mittel aus den EU-Strukturfonds bereitgestellt werden, so der SPE-Spitzenkandidat.
Ein anderes großes Thema unserer Zeit werde er zur Chefsache machen, sollte er Hausherr im Brüsseler Berlaymont-Gebäude werden. „Als Kommissionspräsident übernehme ich persönlich die Verantwortlichkeit für die Klimapolitik“, versichert Frans Timmermans, der ebenfalls die Zuständigkeit für Nachhaltigkeit, die er jetzt bereits als Vizepräsident der Kommission innehat, übernehmen will.
Und auch hier schwebt ihm ein sozialer Ansatz vor. Um die Unterstützung auch „der normalen Leute“ für eine weitergehende Klimapolitik zu bekommen, müsse auf soziale Nachhaltigkeit gesetzt werden. Das sei eine Lehre, die aus der Bewegung der Gelbwesten in Frankreich gezogen werden könne. Das bedeute etwa, dafür zu sorgen, dass Beschäftigte aus der Kohleindustrie umgeschult werden und neue Jobs erhalten.
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Echec : Wei waer dann sein Anfloss als Vizepresident der jetziger Kommissio’un ?
Onglaafwierdeg !
Timmermanns hat im Journal von RTL Télé eine klare, deutliche, für jedermann verständliche Sprache gesprochen. Er konnte überzeugen. Schade, dass viele unserer Politiker und besonders Kandidaten*innen für’s Europaparlament diese Sprache nicht beherrschen.