Coronavirus / „Eine Schwangerschaft oder eine Geburt kann man nicht einfach mal pausieren“
Auch während einer Krise werden Kinder geboren. Wegen der Corona-Pandemie mussten sich Entbindungsstationen, Hebammen und die werdenden Mütter in Luxemburg umstellen und neu orientieren.
Luxemburg befindet sich wegen des Coronavirus in einer Ausnahmesituation. Das hat auch weitreichende Folgen für schwangere Frauen und ihre Partner. Kurse zur Geburtsvorbereitung sind abgesagt, Hebammen-Sprechstunden fallen aus, Kinder- und Frauenärzte führen weniger Untersuchungen durch. „Das führt dazu, dass viele Schwangere sich mit ihren Fragen an uns wenden“, sagt Yolande Klein vom Hebammen-Verband in Luxemburg (ALSF). „Eine Schwangerschaft oder eine Geburt kann man eben nicht einfach wegen einer Pandemie pausieren.“
Eine der häufigsten Fragen, die von den werdenden Eltern gestellt werden, sei: Wie funktioniert das jetzt in Coronazeiten denn bei der Geburt? „Das hängt von der Entbindungsstation ab“, sagt Klein. „Jede hat da ihre eigenen Regeln.“ Auf der Webseite des Hebammen-Verbands habe man eine Übersicht über die Einschränkungen und Veränderung erstellt.
Gebärsäle für Covid-19-Patientinnen
In der Entbindungsklinik Bohler von den „Hôpitaux Robert Schuman“ werden die werdenden Mütter gleich im Eingangsbereich auf Covid-19-Symptome untersucht. „Es wird Fieber gemessen und sie müssen ihre Hände desinfizieren“, sagt der Gynäkologe Laurent Juncker. In der Bohler-Klinik habe bisher noch keine Schwangere mit einem Verdacht auf eine Covid-19-Infizierung ein Kind geboren, aber man sei auf solche Fälle vorbereitet.
Drei von sechs Gebärsälen seien speziell für Covid-19-Patienten ausgestattet worden. Außerdem seien diese strikt von den „normalen“ Sälen getrennt. „Hier können wir Schwangere mit Verdacht auf eine Coronavirus-Erkrankung betreuen – oder Frauen, die positiv auf den Virus getestet wurden“, sagt Juncker. „Ärzte, Hebammen und Krankenpfleger werden dann Schutzanzüge, Mundschutz und Schutzbrillen tragen.“ Kommt es vor oder bei der Geburt zu akuten Atemwegsproblemen bei einer an Coronavirus erkrankten Schwangeren, muss ein Notfall-Kaiserschnitt durchgeführt werden. „Das passiert dann in einem Operationssaal“, erklärt Juncker.
Der Partner der werdenden Mutter dürfte beim Verdacht auf eine Coronavirus-Erkrankung die Klinik nicht betreten. „Besteht kein Verdacht, darf der Partner zwar bei der Geburt anwesend sein, aber danach muss die Person das Krankenhaus sofort wieder verlassen“, sagt Juncker. „Wenn Mutter und Kind nach wenigen Tagen von der Entbindungsstation entlassen werden, kann der Partner sie dann abholen.“
Keine Plazenta-Übertragung
Allgemein würde das Coronavirus für Schwangere kein größeres Risiko darstellen. „Außer sie gehören wegen Vorerkrankungen zur Risikogruppe“, sagt Juncker. Eine Übertragung der Krankheit von der Mutter auf das Kind – etwa über die Plazenta – sei bisher noch nicht nachgewiesen worden. „Das ist der Wissensstand heute“, sagt der Gynäkologe. Dieser beruhe aber nur auf den Erkenntnissen der vergangenen drei Monate. Nach der Geburt dürfe das Kind auch weiter bei der Mutter bleiben, wenn diese positiv auf Covid-19 getestet wurde. „Außer der Mutter geht es so schlecht, dass sie beatmet werden müsste. Dann kommt das Kind auf unsere Neonatologie-Station.“
Für Frühchen könnte das Coronavirus dann zur Gefahr werden, wenn sie durch andere Erkrankungen bereits geschwächt seien, erklärt der Arzt. Hebamme Yolande Klein sieht ein größeres Problem für zu früh geborene Kinder darin, wenn der Kontakt der Eltern zu ihren Babys beschränkt werden würde. Das ist in anderen Ländern wegen der Pandemie der Fall, in Luxemburg bisher noch nicht. „Der direkte Hautkontakt ist besonders für Frühchen sehr wichtig. Das wäre ein Drama für alle Beteiligten.“
Bisher keine Versorgungsengpässe
Sorgen um Material gibt es auf der Entbindungsstation der Bohler-Klinik bisher nicht. „Wir haben alles, was wir brauchen, um uns und unsere Patienten zu schützen“, sagt Gynäkologe Juncker. Auch ALSF-Hebamme Klein bestätigt, dass es bisher noch nicht die Situation gegeben habe, „dass uns etwas auszugehen drohte“. Für freiberufliche Hebammen sei es derzeit aber schwieriger, an die nötigen Ressourcen heranzukommen.
Engpässe bei der Versorgung durch Hebammen sieht Yolande Klein momentan nicht. „Es ist mir bisher nicht bekannt, dass eine der Hebammen am Virus erkrankt ist.“ Außerdem sei man gut aufstellt. Die Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsministerium, den Entbindungskliniken und den Hebammen funktioniere sehr gut. „Das sieht man auch daran, wie schnell die Technik für Teleuntersuchungen auf die Beine gestellt wurde“, sagt Klein. „Das ermöglicht es uns, den werdenden Müttern auch bei der Versorgung zu Hause zur Seite zu stehen.“
In Luxemburg sind Geburten in der Entbindungsklinik die Regel. „Es gibt nur eine Hebamme, die Hausgeburten anbietet. Sie nimmt zurzeit keine neuen Patientinnen an“, sagt Klein. Wegen des Coronavirus würden aber nun einige Paare eine Hausgeburt vorziehen. „Von einer Hausgeburt ohne kompetente Hebammenbegleitung ist aber abzuraten“, warnt Yolande Klein.
Geburten in Luxemburg
Seit 2010 wurden in Luxemburg im Schnitt 6.037 Kinder im Jahr geboren. 2018 gab es laut der Statistikbehörde Statec genau 6.274 Lebendgeburten. Das wären aufs Jahr verteilt etwa 17 Kinder pro Tag.
Die Entbindungsklinik Bohler gehört zu den größten des Landes. Hier wurden im vergangenen Jahr 2.340 Kinder zur Welt gebracht.
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