Résidence Walferdingen / Eine Verletzung als Chance: Coach Amadeo Dias über den Aufschwung
Mit einer regelrechten Aufholjagd zum Schluss der Qualifikation, mit acht Siegen in Folge, sicherte sich die Résidence Walferdingen förmlich in letzter Sekunde noch einen Platz in der Titelgruppe und steht in einer verrückten Damenmeisterschaft, in der es so eng zugeht wie lange nicht, inzwischen auf dem dritten Tabellenrang. Dabei war es ausgerechnet eine Verletzung, die sich für das Team im Nachhinein als Glücksfall herausstellen sollte, wie Coach Amadeo Dias im Gespräch erklärt.
Tageblatt: Die Last-Minute-Qualifikation für die Titelgruppe, inzwischen neun Meisterschaftssiege in Folge und kein Ende in Sicht. Wie erklären Sie sich diesen Aufschwung Ihres Teams?
Amadeo Dias: Zum einen ist die Siegesserie darauf zurückzuführen, dass wir inzwischen unseren kompletten Kader zurück haben, mit einer US-Amerikanerin, deren Spielstil einfach zum Team passt. Amanda Cahill ist das Puzzlestück, das über weite Strecken der Qualifikation gefehlt hat (am zweiten Spieltag zog sich Cahill einen Fußbruch zu und feierte erst Anfang Januar ihr Comeback; d. Red.). Doch ihre Verletzung hat uns gleichzeitig auch geholfen. Zwar wurde mit Vicky McIntyre kurzfristig ein Ersatz unter Vertrag genommen, da sie jedoch nicht so spielstark ist, sind wir in eine Situation geraten, in der die Verantwortung im Team einfach auf mehrere Schultern aufgeteilt werden musste.
Das klingt so, als wäre der Ausfall für das Team im Endeffekt ein Glücksfall gewesen?
Jetzt, wo wir die Qualifikation für die Titelgruppe geschafft haben, sehe ich das Ganze auch positiv. Denn die Situation hat es meinem Team ermöglicht, sich erheblich weiterzuentwickeln, besonders den jungen Spielerinnen. Man darf nicht vergessen, dass ich in dieser Phase eine Starting Five aufgestellt habe mit drei Spielerinnen im Alter von gerade einmal 18 Jahren, das ist schon außergewöhnlich. Sie haben gelernt, sich gegenseitig zu vertrauen und in den letzten Wochen viel Selbstvertrauen gewonnen. Wenn eine Profi-Spielerin nun in einer Partie nicht so gut in Form ist, können sie dies auch kompensieren.
Dabei lastete in den letzten Wochen sehr viel Druck auf ihrem jungen Team …
Vor dem letzten Spieltag der Titelgruppe wurde beispielsweise viel über die verschiedenen Szenarien geredet, wer sich in welcher Situation qualifiziert und wer nicht, das ist natürlich mit einem gewissen Druck verbunden. Doch für uns war das alles andere als eine neue Situation. Wir waren eigentlich schon aus dem Play-off-Rennen ausgeschieden, mussten seit Mitte Dezember jedes Spiel gewinnen. Bei einer Niederlage wären wir definitiv raus gewesen. Da reicht es nicht, nur eine talentierte Mannschaft zu haben. Das Talent hat es den jungen Spielerinnen vielmehr ermöglicht, die Situation zu erkennen, sich voll reinzuknien und hart zu arbeiten. Sie mussten nicht nur einen Schritt nach vorne machen, sondern gleich zwei oder drei. Dass sie das geschafft haben, kann ich ihnen nicht hoch genug anrechnen, da kann ich nur das Beispiel Camille Kohll nennen.
Inwiefern?
Sie saß während zwei oder drei Spielen auf der Bank, kam gar nicht zum Einsatz. Als ich sie dann gerade gegen den Tabellenführer Hostert eingewechselt habe, hat sie das Spiel zu unseren Gunsten entschieden. Da habe ich gesehen, dass bei ihr das „Mindset“ absolut stimmt. Andere Spielerinnen hätten sich in einer solchen Situation vielleicht hängen gelassen, sich gesagt, ich habe ja in letzter Zeit eh keine Einsatzzeit bekommen. Sie hat ihre Chance hingegen genutzt.
In den letzten Wochen wurde im nationalen Basketball viel über Profispieler und Nachwuchsarbeit diskutiert. Walferdingen scheint bei den Damen immer wieder junge Talente hervorbringen zu können …
Ich bin erst seit dieser Saison bei den Damen in Walferdingen tätig, kann deswegen nicht so viel zu den letzten Jahren sagen. Doch fest steht, dass dies ein Verein ist, der auch sein Damenteam richtig unterstützt. Als ich engagiert wurde, hat man mir zwar gesagt, dass ich auch gerne noch Spielerinnen mitbringen könnte, wenn das Interesse besteht. Dies wollte ich aber nicht, ich wollte den Kern der Mannschaft, der sich seit der Jugend kennt, nicht durcheinanderbringen.
Dennoch hat der Klub in den vergangenen Jahren auch viele Spielerinnen frühzeitig verloren, weil sich diese für ein Studium im Ausland und gegen den Basketball in Luxemburg entschieden haben …
In der Tat befinden sich vier Spielerinnen meines Teams zurzeit ebenfalls mitten in der Vorbereitung auf das Abitur. Einige von ihnen werden im nächsten Jahr sicherlich im Ausland studieren. In dieser Konstellation wird das Team in den nächsten zwei, drei Jahren sicherlich nicht mehr zusammen sein. Für den Klub ist das eine blöde Situation, besonders langfristig gesehen. Ich als Trainer, der einen Auftrag für diese Saison hat, sehe darin aber auch eine Chance. Denn jetzt können die Mädchen zusammen noch etwas erreichen, frei nach dem Motto „jetzt oder nie“. Aus dieser Spielzeit kann man so vielleicht gemeinsam noch besser das Maximum herausziehen.
Nach den letzten Wochen ist Ihr Team sicherlich kein Underdog in der Meisterschaft mehr, welche Gefahren bestehen und hat sich die Zielsetzung nun grundlegend geändert?
Die Gefahr besteht nun natürlich darin, dass wir vergessen, wie wir dort oben hingekommen sind. Zudem haben wir alle Teams, gegen die wir in der Titgelgruppe antreten, in dieser Saison schon geschlagen und sogar höher als wir das Spiel gegen sie verloren haben. Wenn man neun Partien hintereinander gewinnt, dann kann man sich auch nicht mehr nur mit dem Erreichen der Titelgruppe zufriedengeben. Wir müssen jetzt schauen, zwei weitere Teams hinter uns zu lassen, um ins Halbfinale einzuziehen. Es klingt zwar blöd, aber uns hat vor ein paar Wochen keiner mehr den Sprung in die Titelgruppe zugetraut, zu verlieren haben wir eigentlich nichts mehr. Und wenn nicht in dieser Saison, in der alles möglich scheint, wann denn sonst?
Warum ist die Meisterschaft Ihrer Meinung nach gerade in diesem Jahr so ausgeglichen?
Diese Frage stellen sich viele, ohne eine wirkliche Antwort zu finden. Die Teams sind einfach enorm homogen. Meine These lautet, dass sich die US-Spielerinnen in vielen Begegnungen, nicht in allen, neutralisieren und so das Team gewinnt, das in dem Moment die besten Luxemburgerinnen auf dem Parkett hat. Wenn man bedenkt, dass elf Siege in dieser Saison nicht gereicht haben, um in die Titelgruppe zu kommen, ist das schon verrückt. In meiner Zeit als Herrentrainer bei der Résidence haben sogar schon mal sechs gereicht. Ich bin wirklich froh, dass mein Team nicht im Play-down antreten muss, wo die Musel Pikes nun kein Spiel mehr gewinnen müssen und trotzdem nicht absteigen würden. Mein Respekt an die, die sich da noch motivieren können, das war nämlich meine größte Angst: in die Abstiegsgruppe zu müssen und eigentlich kein Ziel mehr für den Rest der Saison zu haben.
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