Asselborns außenpolitische Erklärung / Eine Zeit der Verletzlichkeit
Die Erklärung zur Außenpolitik des Landes ist irgendwie das Pendant zur Erklärung der Lage der Nation. Und es gibt einige Parallelen zwischen der Asselborn’schen Deklaration, die er am Dienstag vor den Parlamentariern gab, und der Bettel’schen, die bereits einige Wochen zurückliegt, angefangen bei der Rededauer von rund 100 Minuten. Asselborn kam wie Bettel nicht an einer ausführlichen Behandlung der Corona-Pandemie vorbei und behandelte daneben Brexit, US-Wahl und so ziemlich alle Krisen dieser Erde.
Wie ein globaler Tsunami habe die Covid-19-Pandemie eine Region dieser Erde nach der anderen getroffen und vieles verändert, so der Außenminister. Dabei habe das Virus eine bereits vorher bestehende Tendenz beschleunigt: jene der Verletzlichkeit der gesamten Weltordnung. In dem Kontext sei die Wahl eines US-Präsidenten zu begrüßen, der nach vier Jahren „Desaster“ wieder einen kultivierten Umgang der Nationen fördern werde.
Die Luxemburger Diplomatie sei durch das Virus vor enorme Aufgaben gestellt worden: Krisendiplomatie sei notwendig gewesen, etwa um rund 1.000 Einwohnern Luxemburgs zu helfen, nach Hause zu kommen, um die Versorgung mit medizinischem Gerät und Medikamenten zu garantieren. Das Land habe in der Pandemie ebenfalls Solidarität gezeigt, französische Patienten behandelt, spezialisiertes Schutzmaterial nach China und Spanien geliefert.
Grenzkontrollen in Schengen
Die Großregion ansprechend, erinnerte Asselborn daran, dass am 26. März, genau 25 Jahre nach Inkrafttreten des Schengener Abkommens, in dem Grenzort wieder Kontrollen stattfanden. Offene Grenzen und Bewegungsfreiheit in der Union seien wieder zu Herausforderungen für die Außenpolitik geworden. Nur nach vielen Gesprächen, Erklärungen und diplomatischen Anstrengungen seien Grenzschließungen, wie zu Beginn der Krise, jetzt keine erneute trennende Realität.
Es habe zwar etwas gedauert und nationalstaatliche Reflexe seien erst wieder erwacht; dann aber habe die EU in einigen wichtigen Bereichen auf die Pandemie reagiert und neben der Koordination von diversen Maßnahmen auch ein Finanzpaket von 750 Milliarden Euro als Aufbauinstrument geschnürt. Der Außenminister sieht als notwendige Konsequenzen der gemachten Erfahrungen unter anderem einen verbesserten weltweiten Dialog in Gesundheitsfragen, die Regulierung von Lebensmittelketten, ein weltweites Frühwarnsystem für Krankheiten und entsprechende neue europäische Infrastruktur.
Asselborn bedauerte hingegen, dass gegen zwei EU-Mitgliedstaaten eine Prozedur zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit eingeleitet werden musste. Das Vertrauen in die Justiz der anderen Mitgliedstaaten sei dabei essenziell für den Zusammenhalt der Union.
Slowenischer „Solist“
Dass der slowenische Premier aus heiterem Himmel und als „Solist“ Trump in seinen Aussagen unterstützte, dieser habe die US-Wahl gewonnen, stört Asselborn ebenso wie die Entwicklung in Polen in Sachen Schwangerschaftsabbruch und das undemokratische Benehmen des türkischen Präsidenten Erdogan.
Der Migrationsdruck habe im Rahmen der Pandemie nachgelassen; diese Entspannung sei aber voraussichtlich nur von kurzer Dauer. Luxemburg werde sich weiter dafür einsetzen, dass eine Lösung, die auf der Solidarität in der EU basiert, gefunden werde. „Solidarität darf es nicht à la carte geben“, betonte Asselborn. Luxemburg praktiziere diese Solidarität konsequent.
Nachdem der Minister den Brexit behandelt und die Briten dazu aufgerufen hatte, nicht weiter unnötig zu „pokern“, ging er auf die Klimaproblematik ein und verwies auf die entsprechenden Anstrengungen Luxemburgs und der EU. Die Erweiterung der Europäischen Union sieht der Außenminister im westlichen Balkan; die Türkei hingegen entferne sich von der Gemeinschaft.
Die Institutionen dieser Union mit Sitz in Luxemburg versuche er durch eine verstärkte Präsenz der Kommission zu erreichen, so Asselborn, der bedauerte, dass die Kommission plane, die Agentur Chafea (zuständig für Verbraucherschutz, Gesundheit, Ernährung …) von Luxemburg abzuziehen.
UNO-Menschenrechtsrat
Im Rahmen des Luxemburger Engagements für die Menschenrechte kündigte der Außenminister an, dass das Land Kandidat für den Zeitraum von 2022 bis 2024 für eine Mitgliedschaft im UNO-Menschenrechtsrat sei.
Asselborn ging weiter auf die zahlreichen aktuellen Krisenherde dieser Erde ein. So betonte er, Lukaschenko habe die Wahlen in Belarus gefälscht und die EU habe gezielte Sanktionen gegen das Regime genommen. Besorgt sei er über den Konflikt in Bergkarabach zwischen Armenien und Aserbaidschan; den nun geschlossenen Frieden sieht er mit Skepsis, die von Armenien abgegebenen Territorien seien bedenklich groß. Erdogan spiele auch hier eine destabilisierende Rolle und heize Konflikte – auch in Libyen – weiter an.
Den Dialog mit Russland halte Luxemburg aufrecht, ohne aber die Menschenrechtssituation aus den Augen zu verlieren. So sei der Mordversuch an Navalny eine schwere Verletzung des Völkerrechts gewesen. Anschließend ging der Minister auf die Lage in der Sahel-Zone, in Libyen und Syrien ein und wiederholte seine Ansicht, dass nur eine Zwei-Staaten-Lösung Frieden zwischen Israel und Palästina ermöglichen könne.
Nach der Wahl sei er zuversichtlich, dass die Vereinigten Staaten und Europa wieder ein echtes Vertrauensverhältnis entwickeln können und – auch im Sinne des Kampfes gegen den Klimawandel – wieder zusammenarbeiten werden.
Zugverbindung Bettemburg – Chengdu
China bleibe ein wichtiger Partner, so der Minister, der an die Einweihung der Zuglinie Bettemburg – Chengdu im Vorjahr erinnerte. Auch in den Verbindungen mit China dürfe die Frage der Menschenrechte nicht außen vor gelassen werden. Er unterstrich weiter das Potenzial des afrikanischen Kontinents: Mehrere Luxemburger Firmen hätten dieses erkannt und würden dort investieren.
Abschließend rief Asselborn dazu auf, gerade in Zeiten der Verletzlichkeit müsse sich Luxemburg aktiv für die Grundwerte der Demokratie einsetzen.
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