Tokyo 2020 / „Einem Skater zieht man keine Uniform an“
Skateboarden ist eine der neuen Sportarten bei Olympia und sorgte bereits in der ersten Woche für Aufsehen. Ob die Sportart zu Olympia passt, darüber wurde bereits im Vorfeld viel diskutiert. In Luxemburg hat die Olympia-Aufnahme bereits positive Auswirkungen gehabt. So gibt es seit diesem Jahr einen Skateboard-Verband. Olympia kann den Sport voranbringen, das Rebellische kann ihm allerdings keiner nehmen.
Skateboarden gehörte in der ersten Woche zu den absoluten Highlights der Olympischen Spiele. Nachdem die Medaillen in der Disziplin Street vergeben wurden, geht es nun weiter mit der zweiten Disziplin, Park. Die Aufnahme der Sportart in das olympische Programm hat sich für das Internationale Olympische Komitee (IOC) gelohnt. Wie sieht es aber für das Skateboarden aus? Passt der Sport wirklich in diesen konservativen Rahmen?
In der Szene gab es unterschiedliche Meinungen. Einige äußerten ihre Bedenken, dass das Skateboarden seine Seele, das Rebellische, verliere. Bedenken, die Tom Jungbluth, Dan Gantrel und Alex Welter für unbegründet halten: „Skateboarden passt definitiv zu Olympia, da es seit jeher die Grenzen immer weiter gepusht hat“, sagen alle drei. Sie setzen sich seit langen Jahren für die Förderung des Skatens in Luxemburg ein und haben nun mit Unterstützung des Nationalen Olympischen Komitees die Luxembourg Skateboard Federation gegründet. Der Anlass war gerade die Aufnahme der Sportart ins olympische Programm.
Olympia als großes Label
„Skateboarden hat sich in den vergangenen 20 bis 30 Jahren enorm entwickelt“, sagt Gantrel. Vor Jahren noch war der Sport sehr eng mit unterschiedlichen Szenen verbunden, der Punk- oder Hip-Hop-Szene, je nachdem, wo man fuhr. „Diese Revoluzzer-Mentalität gibt es immer noch, aber es gibt eben auch einen Teil der Skate-Gemeinschaft, die nicht nur ein bisschen fahren, sondern richtig für Wettbewerbe trainieren.“ Die zunehmende Professionalität würde das Rebellische nicht vollends verdrängen, sagt Tom Jungbluth, Gründungsmitglied der LSF. Das Rebellische zeigt sich sogar teilweise bei den Spielen in Tokio. „Einem Skater zieht man keine Uniform an“, so Jungbluth. Auch hier gab es große Bedenken aus der Skater-Szene. Für Tokio haben sich die Ausstatter deshalb etwas Besonderes einfallen lassen und Kollektionen herausgegeben, die in der Skater-Szene gut ankamen, vor allem die Kollektion von Nike. Die großen Marken haben das Skaten auch wieder für sich entdeckt und sehen natürlich die Chance, einen neuen Markt zu erschließen.
„Olympia ist eigentlich nichts anderes als ein sehr großes Label“, sagt Alex Welter. Bislang hätten Skate-Wettbewerbe bei X-Games oder Street League Skateboarding stattgefunden. Labels, die eher Insidern bekannt sind. Mit Olympia sei Skateboarden im Mainstream des Sports angekommen. „Das Wort ist vielleicht verpönt, aber Skateboard gehört immer mehr zum Mainstream. Das hat Vor- und Nachteile“, so Welter, für den die Vorteile überwiegen. Gemeinsam mit Gantrel hat er 2004 die Asbl Skatepark.lu gegründet, die sich für die Schaffung eines großen Skateparks in der Hauptstadt einsetzte. Zwölf Jahre später wurde der Skatepark in der Péitruss eröffnet.
Bessere Förderung
Durch die Gründung des Verbands soll das Skaten noch besser gefördert werden. Dafür braucht es vor allem die nötigen Strukturen. „Gebe es keine Fußballplätze, würde auch niemand Fußball spielen“, so Welter. Ende der 90er-Jahre hatten viele Gemeinden angefangen, kleine Skateparks zu errichten. Es waren aber lediglich einzelne Module, die auf einem Parkplatz standen. Es bietet sich der nächste Fußball-Vergleich an: „Wenn man einem Fußballer sagt, er müsse auf einem Feld im Hang spielen, macht es ihm weder Spaß, noch hat er die Möglichkeit, sich wirklich zu verbessern.“
Gantrel und Welter haben selbst internationale Wettbewerbe bestritten. „Gegen diejenigen, die täglich in richtigen Skateparks trainieren konnten, hatten wir keine Chance“, so Gantrel, der wie seine beiden Kollegen dazu beitragen will, dass kommende Generationen bessere Bedingungen in Luxemburg vorfinden, um ihrem Hobby nachzugehen.
Der Skatepark in der Péitruss war in dieser Hinsicht ein Meilenstein, aber noch nicht ausreichend. Um in Luxemburg das ganze Jahr über skaten zu können, braucht es überdachte Parks. Bislang gibt es den nur in Hollerich, wobei die Anlage den aktuellen Bedürfnissen nicht mehr gerecht wird. Immer mehr Jugendliche fahren vor allem Skate und betreiben den Sport nicht mehr einfach neben einer anderen Sportart, die sie im Verein ausüben. „Es gibt immer mehr junge Talente, die sich ganz auf das Skaten konzentrieren wollen und dann auch bei Wettkämpfen antreten“, sagt Jungbluth.
Es wird immer die beiden Strömungen geben. Die, die es als Leistungssport betreiben und die, für die es einfach ein Lifestyle istGründungsmitglied der LSF
Durch Olympia erwartet sich das Trio, das auch zu den Organisatoren des LXB Cup gehört, einen weiteren Aufschwung in Luxemburg. „Man braucht sich nur das Publikum und den Erfolg des LXB Cups anzuschauen. Dort kamen Familien mit Kleinkindern und Großeltern. Die Begeisterung war groß“, so Jungbluth. Skateboarden ist eine spektakuläre Sportart und über die große Bühne Olympia wird der Sport einem breiten Publikum bekannt, wodurch Vorurteile gegenüber dem Skaten beseitigt werden können. „Unsere Eltern wären nie mit uns skaten gegangen, wir gehen heute aber mit unseren Kindern skaten.“ Genau wie jede andere Sportart verändert sich das Skateboarden mit der Zeit.
Leistungssport und Lifestyle
Etwas, das sich auch bei der Weltelite zeigt. Die Szene wird internationaler und das Niveau steigt ständig. „Heute werden Tricks gelandet, die man sonst nur bei Tony Hawk auf der Playstation gemacht hat“, sagt Jungbluth. In Luxemburg gibt es einige vielversprechende junge Talente. Beim LXB Cup schafften Luxemburger den Sprung in die Top Ten. Dort waren Sportler vertreten, die nun in Tokio am Start sind. Den jungen Talenten will der neue Verband nun die Rahmenbedingungen bieten, um ihren Sport so optimal wie möglich auszuüben. Neben den benötigten Strukturen sollen auch Trainingseinheiten für Anfänger angeboten werden.
Die LSF und Gantrel, Welter und Jungbluth würden sich für die Zukunft wünschen, dass der eine oder andere Verein gegründet wird, damit sich das Skateboarden in Luxemburg weiterentwickeln kann und vielleicht irgendwann einmal ein Luxemburger an Olympischen Spielen teilnimmt. „Am liebsten schon 2024“, sagt Jungbluth. Es wäre die Kirsche auf dem Kuchen für die Pionierarbeit, die das Trio in den vergangenen Jahrzehnten geleistet hat.
Wird Skateboarden durch Olympia denn jetzt nicht doch zum reinen Leistungssport? „Es wird immer die beiden Strömungen geben. Die, die es als Leistungssport betreiben und die, für die es einfach ein Lifestyle ist“, sagt Gantrel. Es sei aber nicht schwarz-weiß, sondern vermische sich immer mehr in Grautöne, sagt Jungbluth. Wenn es dafür eine Bestätigung brauchte, hat Olympia sie gleich mitgeliefert: Einem Skater zieht man halt keine Uniform an.
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Wird auch Zeit, dass die kriegerischen Sportarten wie Fechten, Speerwurf, Ringen, Boxen, Pistolenschießen, Gewehrschießen, Bogenschießen, Kugelstoßen, Hammerwerfen usw abgeschafft werden in angeblich völkerverbindenden Spielen.
Manche sagen auch dass Weltmeisterschaften und kontinentale Meisterschaften nationalistisch sind. Eigentlich müsste Wrestling in die Olympiade aufgenommen werden, da geht’s nur um die Show.