Reise-Inspiration / Einsames Zelt-Trekking in der Femundsmarka
Der Untergrund ist uneben, überall krabbeln Ameisen herum, wir entdecken den Kot von Rehen. Wird schon gehen, stellt mein bester Freund fest. Es hilft alles nichts, sage ich. Wir folgen dem Waldweg seit einer Stunde und können die Augen kaum noch offen halten. Ein besserer Zeltplatz ist nicht in Sicht.
Der ursprüngliche Plan sah vor, im Femundsmarka-Nationalpark eine feste Route abzulaufen, mit abgesteckten Tagesetappen. Wie man das als Wanderer halt so macht. Die Frau vom Campingplatz in Elgå riet uns zu einer anderen Vorgehensweise: Schaut von Tag zu Tag, wie das Wetter wird, und entscheidet dann spontan, wohin ihr lauft.
Angetrieben von dieser ortskundigen Empfehlung sind wir nach unserer Ankunft am Abend einfach noch losmarschiert. Und stehen nun mitten im Wald. Bald ist Mitternacht.
War das eine dumme Idee? Hätten wir uns besser vorbereiten sollen? Und gibt es in dieser Gegend nicht Bären?
Das mag so sein, doch für den Moment spielen uns zwei Dinge in die Karten. Zum einen tragen wir alles, was wir in den kommenden Tagen brauchen, im Rucksack auf dem Rücken: Zelt, Isomatte, Schlafsack, warme Kleidung, Gaskocher, Verpflegung. Das Gewicht zieht uns runter, aber das Wissen, autark zu sein, beflügelt. Zum anderen wird es hier oben im Juni, als wir unterwegs sind, nie ganz dunkel.
Nordische Wildnis
Dabei liegt die Femundsmarka noch im Süden Skandinaviens, im Gränslandet zwischen Norwegen und Schweden. Die Landschaft ist geprägt von Seen, Flüssen, Wäldern und Fjells, kargen Hochebenen, die am Ende der letzten Eiszeit entstanden, vor 10.000 Jahren. Nordische Wildnis wie aus dem Bilderbuch, doch von vielen links liegengelassen.
Während auf den Lofoten oder dem Kungsleden weiter nördlich im Sommer Hunderte unterwegs sind, trifft man im Femundsmarka-Nationalpark fast niemanden – weil es kaum bewirtschaftete Hütten gibt. Eine heißt Svukuriset. Dorthin führt der Weg, den wir gewählt haben.
Beim Campingplatz in Elga, der letzten Ansiedlung direkt am idyllischen Femundsee, haben wir eine Landkarte bekommen, die alle markierten Wege im Nationalpark zeigt. Mein Freund hat außerdem eine Karte mit GPS-Tracks auf dem Handy. Die Routen führen zum Teil durch wegloses Terrain. Die Svukuriset-Hütte schien uns als erstes Etappenziel lohnend. Meine Hoffnung: frische Waffeln.
Enttäuschte Erwartungen
Am ersten Morgen kochen wir Wasser auf und trinken Kaffee. Der zweite Topf ist fürs Trockenmüsli. Lager abbauen, Rucksack schultern, die nachtsteifen Beine auf Betriebstemperatur bringen.
Der Weg führt aus dem Wald auf eine karge Anhöhe. Der Pfad ist von Steinen gespickt. Das bremst die Schritte und bringt den Gehrhythmus durcheinander. Wir kommen langsamer voran, als wir gedacht haben.
Noch vor dem Mittag kommt die Hütte in Sicht, ein typisch skandinavisches Holzhaus, rot angestrichen. Sie ist zugesperrt. Und öffnet erst in einer Woche, wie wir dann im Internet nachlesen. Die Wandersaison hat gerade begonnen, die Waffelsaison noch nicht.
Nach kurzer Rast schlagen wir den Wanderweg nach Osten ein, um tiefer in den Nationalpark zu kommen. Und weiter weg von der Zivilisation.
Als wir eine Passhöhe erreichen, steht die Sonne schon tief. Wir beschließen, genau hier unser Lager aufzuschlagen, schutzlos, aber mit grandioser Fernsicht. Das Abendlicht lässt Gräser und Büsche golden aufleuchten. Unsere Körper werfen die Schatten von Riesen mit meterlangen Beinen. Windstille, kein Laut liegt in der Luft.
Vergessen sind Rehkot und Ameisenplage von der ersten Nacht. Von unserem Logenplatz aus schauen wir über die Ebene bis zur Horizontlinie, die fünf oder 25 Kilometer entfernt liegt. Man kann es nicht abschätzen in dieser baumlosen Wildnis.
Traue niemals allein dem Handy
Am übernächsten Tag: Ein Pfad führt auf eine felsige Ebene. Wir laufen wie an einer Linie gezogen auf eine kleine Baumgruppe zu, die Oase genannt wird und in der Einöde tatsächlich so wirkt. Als wir dort ankommen, ziehen wir die Wanderschuhe aus und löschen unsere wunden Füße im eiskalten Wasser ab.
Der GPS-Track führt nach Nordosten. Wir wollen noch den See Nedre Roasten erreichen und dort unser Lager errichten.
Es ist erstaunlich, wie die scheinbare monotone Landschaft der Femundsmarka immer wieder ihren Charakter ändert. Aus einem Moor am Morgen ging es hinaus aufs eiszeitliche Felsenmeer – nun betreten wir einen Kiefernwald, der uns eher an Kanada denken lässt. Und an die Bären, die es in dieser Gegend vereinzelt gibt. Manchmal glauben wir, einen Tatzenabdruck zu erkennen. Aber je länger wir hinschauen, umso unsicherer sind wir uns. Wild rauscht der Fluss.
Der GPS-Track führt zweimal über den Strom. Also, sagt mein Freund, müssen wir rüber und die zweite Brücke suchen, etwas flussabwärts. Zwei Brücken mit nur wenig Abstand voneinander zu bauen – das macht doch keinen Sinn, halte ich dagegen. Der Trail muss falsch sein. Wir diskutieren. Tatsächlich müssen wir zurück, wieder über den Fluss, und parallel zum Ufer nördlich laufen. Wir finden einen Pfad.
Am See wartet ein beschaulich gelegener Lagerplatz. Das Freiluft-Dinner besteht wie jeden Abend aus gefriergetrockneter Outdoor-Nahrung. Zu Pasta mit Lachspesto und Chicken Tikka Masala schauen wir auf das stille Gewässer und sind ein bisschen stolz, den Tag souverän gemeistert zu haben.
Im Rhythmus der Natur
Der Morgen bringt zum ersten Mal Regen. Wir schlagen einen Weg zurück in Richtung Elga ein, erst am See entlang, dann durch den Wald und über ein melancholisch verregnetes Plateau. Nachmittags ziehen dunkle Wolken auf, in der Ferne zucken Blitze. Wir marschieren schneller, um vor dem Wolkenbruch einen Platz für unsere Zelte zu finden, schon wieder nahe der Svukuriset-Hütte. Unsere Rundtour ist fast komplett.
Man könnte sagen, dass wir schlussendlich einen Tag früher als geplant zurück in Elgå sind. Aber das ist die falsche Formulierung. Wir sind ohne Plan gelaufen, Tag für Tag im Rhythmus der Natur, und am Ende hat sich eine Route ergeben, die genau richtig war. (dpa)
Femundsmarka
Reiseziel: Der norwegische Femundsmarka-Nationalpark und die angrenzenden Schutzgebiete in Schweden gehören zum Gränslandet, das insgesamt sieben Naturschutzareale umfasst.
Anreise: Mit dem Flugzeug nach Stockholm oder Oslo. Von dort weiter mit Bahn und Bus oder Mietwagen. Der ideale Ausgangspunkt für Touren im Nationalpark ist Elga am Femundsee. Dort gibt es Lodges, einen Campingplatz und ein Besucherzentrum.
Klima und Reisezeit: Für eine Trekkingtour eignen sich die Sommermonate von Juni bis August. Tagsüber wird es angenehm warm, nachts können die Temperaturen in höheren Lagen empfindlich abkühlen. Ein warmer Schlafsack ist Pflicht.
Unterkünfte und Verpflegung: Der Nationalpark ist ein Trekkinggebiet für Selbstversorger. Abgesehen von den wenigen Hütten und dem markierten Wegenetz gibt es keine Infrastruktur. Das Jedermannsrecht erlaubt es, überall in der Natur sein Zelt aufzuschlagen. Man sollte genug Essen dabei haben.
Währung: 10 Norwegische Kronen = 0,84 Euro (Stand: 2. Mai 2023)
Informationen: www.visitnorway.de
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