Interview / Einschätzung aus der Covid-19-Taskforce: „Das werden spannende Tage und Wochen“
Der Wissenschaftler Dr. Alexander Skupin hat unter anderem an der Exit-Strategie mitgewirkt. Im Tageblatt-Interview erläutert er, was in dieser Hinsicht in Luxemburg noch zu tun ist. Auch gibt er uns Einschätzungen zu Infektionszahlen, Zukunftsmodellen für Luxemburg und verrät uns, an welchen Publikationen er zurzeit arbeitet. Skupin ist Professor am „Luxembourg Centre for Systems Biomedicine“ (LCSB) der Uni.lu und mitverantwortliches Mitglied der Covid-19-Taskforce „Research Luxembourg“. Dort ist er für das Monitoring und die Simulationen zuständig.
Tageblatt: Haben Sie an dem Analysebericht „L’Ecole face à la Covid-19 au Luxembourg“, der im August veröffentlicht wurde und der teils als Grundlage für die neuen sanitären Maßnahmen in den Schulten gilt, mitgewirkt?
Alexander Skupin: Nein, das war unter der Federführung der „Inspection sanitaire“. Da haben drei Wissenschaftler von unserer „Statistical Projection“-Gruppe mitgewirkt. Ich persönlich war da nicht involviert.
Wie bewerten Sie den Bericht als nicht direkt Involvierter?
Angesichts der gegebenen Daten, die wir zur Verfügung hatten, hat der Bericht eine sehr solide Auswirkung. Das Ergebnis ist in gewisser Weise beruhigend für den Schulanfang. Es zeigt aber auch ganz klar auf, dass die Hygienemaßnahmen einen speziellen Beitrag leisten müssen, um die „Rentrée“ zu gestalten. Das allgemeine Problem bei solchen Berichten ist, dass man in einem rein wissenschaftlichen Setting gerne noch mehr Analysen machen würde, um am Ende zu versuchen, einen richtigen Stammbaum aufzumachen. Dies ist aber unter diesen „Emergency“-Umständen nicht möglich. Insofern denke ich, dass dieser Bericht eine sehr solide Analyse unter den gegebenen Umständen darstellt.
Sie haben auch an der Exit-Strategie mitgewirkt. Was gibt es in dieser Hinsicht in Luxemburg noch zu tun?
Ich glaube, da sind hauptsächlich zwei Dinge, die noch zu tun sind. Einerseits sollten wir uns sowohl an die beschlossenen Hygienemaßnahmen halten als auch große Menschenansammlungen vermeiden. Das ist sicherlich ein wichtiger Bestandteil, um die Epidemie weiter kontrollieren zu können. Das andere, was wir tun müssen, ist die Entwicklung weiter sehr kritisch zu beäugen. Das heißt, dass wir von der Wissenschaftsseite täglich die Daten analysieren, die wir haben. Das Gleiche gilt für das Gesundheitsministerium. Wir stehen im Austausch. Es geht darum, diese Infektionscluster frühzeitig zu erkennen und sie dann – beziehungsweise die Infektionsketten darin – zu unterbrechen. In den letzten Wochen wurde ein weiterer Anstieg der zweiten Welle erwartet, sodass es wichtig ist, rechtzeitig weitere Fälle zu identifizieren. Zum einen sollen dann diese Infektionsketten über Kontaktverfolgung unterbrochen werden, indem man diese Cluster isoliert. Zum anderen sollen über das Large Scale Testing versteckte Fälle aufgespürt werden. Bei Letzterem bezieht man sozusagen das versteckte „Spreading“ vom Virus mit ein.
Das werden spannende Tage und Wochen, denn dann sehen wir, was die Urlaubsrückkehrer für einen Einfluss auf die Epidemie habenWissenschaftler und Taskforce-Mitglied
Erwarten Sie einen neuen Anstieg der Infektionszahlen jetzt im Herbst?
In gewisser Weise ja. Die nächsten zwei Wochen werden Aufschluss geben über das Ende der Urlaubszeit und werden zeigen, ob gesteigerte soziale Interaktionen zu einem weiteren Anstieg führen werden. Ich denke, dass das vermutlich die große Stellschraube ist, an der wir uns alle beteiligen können, indem wir auch weiterhin in unserem normalen Arbeits- oder Schulalltag die Hygieneregeln so einhalten, dass wir selbst nicht zu einem weiteren Anstieg beitragen. Das werden spannende Tage und Wochen, denn dann sehen wir, was die Urlaubsrückkehrer für einen Einfluss auf die Epidemie haben. Als Bewohner ist man ja immer mehr betroffen, was passieren wird.
Gibt es Zukunftsszenarien, die für Luxemburg geplant sind?
Unsere Einschätzung ist jene, dass wir momentan vermutlich mit dem Large Scale Testing und der Kontaktverfolgung die Lage unter Kontrolle haben, soweit auch die Bevölkerung sich aktiv daran beteiligt. Also Hygienemaßnahmen einhalten, beim Large Scale Testing mitmachen und die Kontaktverfolgung aktiv unterstützen.
Wie wird man vorgehen, wenn eine Impfung da ist?
Das kann ich nicht so beantworten. Das wird davon abhängen, was diese klinischen und vorklinischen Studien zeigen, welcher Stoff wie effektiv ist und ob es da Nebenwirkungen gibt. Ganz allgemein, aus einem rein wissenschaftlichen Standpunkt, ist es sinnvoll, besonders ausgesetzte Personen wie zum Beispiel medizinisches Personal als Erste zu impfen. Auch vulnerable Menschen, also ältere Personen und Leute mit potenziellen Vorerkrankungen, sollten prioritär behandelt werden. Das ist der sinnvollste Ansatz, wenn der Impfstoff gut verträglich ist. Wenn sich allerdings herausstellt, dass der Impfstoff nicht so gut verträglich ist, wird man vermutlich nicht zuerst die Menschen mit Vorerkrankungen impfen. Es ist jetzt zu früh, um da eine klare Prognose zu machen.
Können Sie eine Prognose machen, wann es einen Impfstoff geben wird?
Nein. Ich habe nur eine persönliche Meinung dazu.
Parallel dazu sind wir dabei, allgemein aus diesem „Emergency“-Beitrag, den wir für die Regierung gemacht haben, ein bisschen Abstand zu nehmen und uns vermehrt auf akademische Publikationen zu konzentrierenWissenschaftler und Taskforce-Mitglied
Paul Wilmes, ebenfalls Professor am LCSB und mitverantwortliches Mitglied der Covid-19-Taskforce, hat uns in einem Tageblatt-Interview („T“-Ausgabe vom 10. September; Anm. d. Red.) verraten, dass er zurzeit an einer wissenschaftlichen Publikation arbeitet, bei der es darum geht, den Analysen-Bericht „L’Ecole face à la Covid-19“ auszuarbeiten. Sind Sie da auch dabei?
Nein, an dieser Studie nicht. Es ist die sozusagen erste wissenschaftliche Publikation, die auf diesem Analysebericht basiert. Parallel dazu sind wir dabei, allgemein aus diesem „Emergency“-Beitrag, den wir für die Regierung gemacht haben, ein bisschen Abstand zu nehmen und uns vermehrt auf akademische Publikationen zu konzentrieren. Das sind einerseits Publikationen zum Large Scale Testing, weil das weltweit eine relativ bedeutende Datenbank ist, die wir zum einen publizieren wollen und zum anderen der wissenschaftlichen Community mittelfristig zur Verfügung stellen wollen. Andererseits arbeiten wir an einer weiteren Publikation, bei der es um Modellierungen geht. Das war über die letzten sechs Monate unser täglich Brot. Es geht darum, die Daten zu analysieren und damit Modelle zu parametrisieren, um dann zu sehen, inwieweit das Large Scale Testing dort geholfen hat, die Einschätzungen zu machen. Zudem geht es um die detaillierten Informationen, die wir in die Modelle haben einfließen lassen, und die es überhaupt erst ermöglicht haben, spezifische Vorhersagen oder Abschätzungen zu treffen. Gerade diese sektorenweise Öffnung, die wir damit begleitet haben, ist sonst kaum irgendwo anders gemacht worden. Weil auf der einen Seite das Know-how nicht vorhanden war und auf der anderen Seite die Datenlage nicht so kohärent war wie hier in Luxemburg.
Wir haben einen starken Unterschied gesehen, wie sich Fallzahlen oder positive Fälle nachher in den Krankenhäusern niedergeschlagen haben. In der ersten Welle war das wesentlich stärker ausgeprägt als in der zweiten.Wissenschaftler und Taskforce-Mitglied
Können Sie daraus bereits etwas schlussfolgern?
Was wir an den Simulationen sehen, ist, dass das Large Scale Testing sehr effizient dazu beitragen kann, eine zweite Welle zu unterdrücken, wenn sich die Bevölkerung daran beteiligt. Außerdem haben wir in dem Modell gesehen – etwas, das sich dann auch in den Daten widergespiegelt hat –, dass das Large Scale Testing zu einer Verringerung der Dunkelziffer geführt hat. Das sind die asymptomatischen Fälle, die dann zu einem verdeckten „Spreading“ des Virus führen können. Das sind Dinge, die wir schon ganz klar sehen. Das andere, was wir darin analysieren, ist, inwiefern sich die zweite Welle von der ersten unterschieden hat. Wir haben einen starken Unterschied gesehen, wie sich Fallzahlen oder positive Fälle nachher in den Krankenhäusern niedergeschlagen haben. In der ersten Welle war das wesentlich stärker ausgeprägt als in der zweiten, was zum einen durch die andere Altersstruktur bedingt ist. Dennoch erklärt die Altersstruktur alleine den Effekt nicht. Das heißt, es gibt noch andere Faktoren, die da eine Rolle spielen. Wir sind nun dabei, diese miteinander zu vergleichen.
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„In der ersten Welle war das wesentlich stärker ausgeprägt als in der zweiten, was zum einen durch die andere Altersstruktur bedingt ist. Dennoch erklärt die Altersstruktur alleine den Effekt nicht. Das heißt, es gibt noch andere Faktoren, die da eine Rolle spielen. Wir sind nun dabei, diese miteinander zu vergleichen. “ Genau! Die erste Welle hat uns voll erwischt,vor allem die Risikogruppe.Und bis wir wussten was uns geschieht und uns an die neuen Regeln gewöhnt hatten war es für viele schon zu spät. Die erwähnten Regeln Abstand-Hygiene sind ausschlaggebend für die nächsten Jahre,nicht Monate.
@HTK
„Und bis wir wussten was uns geschieht und uns an die neuen Regeln gewöhnt hatten war es für viele schon zu spät. Die erwähnten Regeln Abstand-Hygiene sind ausschlaggebend für die nächsten Jahre,nicht Monate.“
Genau und hier tummeln sich noch immer Leute die nicht an Dinge glauben die sie nicht sehen können, aber an Götter glauben die trotzdem.