Podcast / Eintauchen in die Vergangenheit
Historische Podcasts bieten eine einzigartige Gelegenheit, Geschichten zu entdecken, die oft übersehen oder vergessen werden. Die vier hier vorgestellten englischsprachigen Podcasts blicken über den europäischen Tellerrand hinaus und verpacken die Vergangenheit in spannende Häppchen, die man nach Lust und Laune hören kann.
History of Everything
Der Podcast von Stakuyi aka Steven Bell und seiner Frau Gabby ist eine wahre Erfolgsgeschichte: Was im Dezember 2021 in einer kleinen Garage mit einem billigen Mikrofon begann, ist mittlerweile ein professionell produzierter Podcast, der so ziemlich alles abdeckt, was man sich vorstellen kann.
Stakuyi selbst ist ein passionierter Geschichtsnerd, der die – für seine Nächsten leicht nervige – Angewohnheit hat, stundenlang über ein Thema zu sprechen, zu dem er gerade recherchiert. Daraus entstand die Idee, dass andere Geschichtsbegeisterte ihm vielleicht zuhören möchten und der Podcast war geboren. Seine Frau Gabby ist aber meistens mit von der Partie – und das perfekte Pendant, da sie genau die Zwischenfragen stellt, die man gerne als Zuhörer beantwortet haben möchte.
Die Gespräche der beiden sind ungezwungen, locker und, wenn es das Thema erlaubt, sehr lustig. Stakuyi hat das Talent, einerseits hochwissenschaftliche Texte zu den jeweiligen Themen zu recherchieren und andererseits das Gelernte umgangssprachlich und zugänglich zu vermitteln, ohne dass es langweilig wird.
Von der Geschichte der Kartoffel, über die Machtdynamik innerhalb der Harems des Ottomanen-Reiches und die verrückten Borgias von Italien bis hin zum Werdegang von Simón Bolívar findet sich in den mehr als 150 Episoden so ziemlich jedes Thema, das einen interessieren könnte. Eine chronologische, geografische oder inhaltliche Logik, welche Themen aufeinanderfolgen, gibt es nicht unbedingt, obwohl es einzelne „Miniserien“ gibt, wo sich der Podcaster auf ein Dossier konzentriert, das nicht in einer Stunde abgehakt ist (die Französische Revolution zum Beispiel). Öfters fällt aber in seinem Podcast der Spruch: „Darüber könnte ich eine ganze Folge sprechen!“ – und meistens tut er das dann auch einige Wochen darauf. Da Gabby und Stakuyi in den USA wohnen, liegt der Fokus der Podcast-Folgen eher auf der USA-Geschichte. Die beiden versuchen dennoch bewusst, Geschichten aus Ecken der Welt zu erzählen, die sonst nicht so im Fokus stehen, sowie auch negative Aspekte der vorkommenden Akteure zu beleuchten. In einer der jüngsten Folgen besprechen sie beispielsweise den Umgang der amerikanischen Entdecker Lewis und Clarke mit indigenen Völkern und dem Sklavenhandel. Wer seine Quellen erfahren möchte, der kann sich per E-Mail oder über der App Discord an Stakuyi wenden, einzelne erwähnt er auch während seiner Episoden. Neue Folgen gibt es in der Regel einmal wöchentlich.
Verfügbar auf Apple Podcasts, Spotify, YouTube und Patreon. Mehr Informationen zum Podcast finden sich unter https://historyofeverythingpodcast.com.
Who did what now?
Historikerin Katie Charlwood hatte vor Corona wohl nicht auf dem Schirm, dass sie einmal einen feministischen Podcast produzieren würde. Doch sie musste ihren Comic-Laden während der Pandemie schließen und mit etwas mehr Zeit im Gepäck machen sich ihre Studienabschlüsse in Geschichte und Soziologie bezahlt.
Charlwood will vor allem eins: die Geschichten erzählen, die von vielen Historikern aus den Geschichtsbüchern ausgelassen werden. Frei von Scham lässt die Historikerin tief in die unter den Teppich gekehrten, teils schlüpfrigen Details der Historie blicken. „Wenn Sie wütende feministische Tiraden der comic-historischen Art mögen, dann sind Sie hier genau richtig!“, warnt sie selbst auf der Webseite ihres Podcasts.
Neue Folgen ihres Podcasts kommen einmal wöchentlich raus. Bisher wurden 114 Episoden veröffentlicht, darunter zum Beispiel die Lebensgeschichte der queeren Ikone Tallulah Bankhead, Erklärungen zum Phänomen der „Satansangst“ in den 1980ern oder die Entwicklung der Spielzeugpuppe „Barbie“. Charlwoods Erzählstil erinnert ein wenig an „Klatsch und Tratsch bei Kaffee und Kuchen“ und entlockt den Zuhörern immer wieder das ein oder andere Schmunzeln.
Charlwood ist übrigens auch für die Kurzfassungen ihrer Episoden auf TikTok und Instagram bekannt, wo sie die interessantesten Fakten in kurzen Videos vermittelt. Sie ist auch Autorin des Buches „Whores, Hussies and Harlots: The Incredible Lives of the Bad Women of History“.
Verfügbar auf Apple Podcasts und Spotify. Mehr Informationen zum Podcast finden sich unter https://whodidwhatnowpod.com/.
Afriwetu
Die Geschichte des afrikanischen Kontinents wird außerhalb der Kolonialzeit in den europäischen Geschichtsbüchern kaum erwähnt. Wer jedoch seinen Horizont erweitern möchte, dem kann der Podcast von Mona Nya Muchemi behilflich sein: Die in Kenia ansässige Podcasterin hat es sich zur Aufgabe gemacht, ihren Zuhörern die Geschichte Afrikas näherzubringen. Dabei klärt sie nicht nur über die Königreiche und Imperien auf, sondern geht auch auf die vielfältigen Kulturen und Aspekte wie Glaubensrichtungen ein.
Es gibt zum Beispiel mehrere Episoden über das Rozvi-Imperium, ein Bantu-Reich im südlichen Afrika, das von 1684 bis 1834 bestand oder das Rwanda-Königreich, dessen viele Intrigen eigentlich auch die Basis einer spannenden TV-Serie bilden könnten.
Mona Nya Muchemi führt gut gelaunt durch bereits fünf Staffeln mit bis zu 20 Folgen. Die Episoden sind auch für Gelegenheitshörer leicht zugänglich – und bereichern zeitgleich den Wortschatz, da Muchemi das ein oder andere Mal Begriffe aus den Sprachen der jeweiligen Reiche erklärt.
Verfügbar auf Apple Podcasts und Spotify.
History that doesn’t suck
Für Gelegenheitshörer vielleicht etwas überwältigend, aber höchst interessant ist der Podcast „History that doesn’t suck“ von Universitätsprofessor Greg Jackson. Er konzentriert sich spezifisch auf die USA und erzählt die Geschichte von der Entstehung der Vereinigten Staaten bis in die Moderne chronologisch. Dabei versucht er aber die Fallstricke der trockenen Universitätskurse zu vermeiden.
Jede Folge beginnt gleich: Jackson beschreibt detailreich eine bestimmte Szene – ein Angeklagter, der auf einen Gerichtsspruch wartet; ein Soldat, der von einer Kugel getroffen wird; ein Reiter, der durch ein Gewitter eilt. Im Anschluss fällt dann meistens der Satz: „Doch wie kam es dazu? Lasst uns die Zeit zurückdrehen.“ Erst danach nimmt Jackson die Zuhörer mit auf eine kleine Reise durch die Geschichte, bis sie gegen Mitte der Episode wieder bei der Szene landen, mit der die Folge begann.
Anders als manche US-zentristische Podcasts vermeidet Jackson eine Verherrlichung seiner Heimat und ihrer Geschichte, sondern diskutiert eingehend auch die zahlreichen negativen Aspekte der US-Vergangenheit – und ihre bis heute spürbaren Folgen.
Verfügbar auf Apple Podcasts und Spotify.
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