Gesundheit / Elektronische Patientenakte: Mediziner würden sich über mehr Benutzerfreundlichkeit freuen
Jahrelang wurde in Luxemburg über die Einführung der elektronischen Patientenakte laut diskutiert. 2020 war es dann so weit. Die Bürger wurden per Post informiert, dass ihre Akte nun einsatzbereit ist. Und seitdem? Das Tageblatt hat bei der zuständigen „Agence E-Santé“ und der Vereinigung der Ärzte und Zahnärzte AMMD nachgefragt.
Grundsätzlich befürwortet die AMMD die elektronische Patientenakte (DSP*). Behandelnde Mediziner können darin Dokumente, wie etwa Untersuchungsergebnisse oder Aufnahmen, hochladen. Mit der Erlaubnis des Patienten können dann andere Mediziner sie einsehen. Dazu muss der Patient den Arzt entweder selber freischalten (Whitelisting) oder ihm einen persönlichen Code geben. „Wir haben die Notwendigkeit erkannt, dass Patientendaten besser geteilt werden müssen. Wir haben das Projekt von Anfang an unterstützt“, sagt Dr. Guillaume Steichen, Generalsekretär der AMMD. Die Ärzteschaft ist sogar im Verwaltungsrat der zuständigen Agentur „E-Santé“ vertreten.
Dort sei allerdings nicht immer auf die Ärzte und Gesundheitsdienstleister gehört worden, bedauert er: „Wir waren für ein Opt-in-System und gegen ein Opt-out-System. Schlussendlich war es so, dass die Leute dazu eingeladen wurden, sich anzumelden. Wenn sie nichts unternommen haben, wurde ihr DPS einfach aktiviert. Wir hatten dafür plädiert, dass die Patienten in einem Vieraugengespräch davon überzeugt werden sollen, dass das DSP eine gute Sache ist. Das wurde nicht umgesetzt.“
Heute werde das DSP weniger benutzt, als es könnte, bedauert Steichen. Schuld daran sei die Art, wie das Programm gestaltet ist. „Das Werkzeug (DSP) ist derzeit nicht benutzerfreundlich. Daran hapert es im Moment.“ Und: „Die Computerprogramme der Ärzte sind noch nicht alle in das System integriert. Das bedeutet, dass man ein zweites Fenster öffnen und sich wieder mit LuxTrust anmelden muss.“
Technischer Aufwand
Für die Ärzte ist jede Minute, die sie sich mit den technischen „Feindheiten“ des DSP beschäftigen, Zeit, die ihnen fehlt, um sich um ihre Patienten zu kümmern. „In einem Gesundheitssystem, in dem es nicht genug Ärzte gibt und in dem es sowieso schwer ist, einen Termin zu bekommen, bleibt die Zeit nicht, um sich fünf Minuten mit Codes herumzuschlagen.“ Einen Besuch beim Hausarzt schätzt Steichen auf 15 Minuten. Fünf Minuten wären demnach ein Drittel der Zeit.
„Wir müssen ein Gleichgewicht finden. Natürlich muss es äußerst sicher sein, da wir mit sehr sensiblen Daten umgehen.“ Andererseits dürfe es nicht so kompliziert sein, dass sich die Mediziner einen großen Teil ihrer Zeit mit Verwaltung und Technik auseinandersetzen müssen.
Die zuständige Agentur „E-Santé“ wirft ein positiveres Licht auf die elektronische Patientenakte. Die Zahlen entwickelten sich besser als erwartet. Inzwischen sind bereits 4.200.000 Dokumente in das System geladen worden – viel mehr als gedacht.
Beschleunigte Digitalisierung
„Die Zahlen sind positiver, als wir zusammen mit der Politik erwartet haben“, schreibt der Direktor von „E-Santé“, Hervé Barge, in seiner Antwort auf unsere Presseanfrage. Im Juli 2020 verzeichnete das System 270 Zugriffe pro Tag (von Patienten und Ärzten). Anfang 2021 waren es bereits 4.900 Zugriffe und im August waren es 9.000 Zugriffe pro Tag. Vor allem durch das Hochladen von Daten aus bildgebenden Verfahren seit Juni 2021 und den Berichten dazu sei das Volumen erheblich gewachsen. Auch die Zahl der Ärzte, die das System nutzen, sei erheblich gestiegen. In den letzten 18 Monaten habe sie sich verdoppelt, bemerkt Barge. Seit einigen Monaten beschleunigten einige Akteure die Digitalisierung.
Mit dazu beigetragen haben dürfte die Corona-Pandemie. Testergebnisse, wie etwa die aus dem Large Scale Testing, werden automatisch (wenn sich der Patient nicht dagegen wehrt) in das DSP hochgeladen. Bereits im Juli 2020 hatte der Minister für soziale Sicherheit Romain Schneider in einer Antwort auf eine parlamentarische Frage (Nr. 2.529) erklärt, dass die Nutzung des DSP mit der Krise stark zugenommen habe – auch durch das Uploaden von Testergebnissen. Obwohl anfangs vergessen worden war, die Resultate aus dem Large Scale Testing zum DSP hinzuzufügen. Positiv sei allerdings gewesen, dass sich zahlreiche Menschen bei „E-Santé“ darüber beschwert haben, was zeige, so Schneider, dass die Menschen das DSP nutzten.
„E-Santé“ will in Zukunft weiter aufklären. Vorgesehen seien zum Beispiel mehr und mehr Vorträge bei Patientenvereinigungen, um für das DSP zu werben, erklärt Barge. Zu ihrem Glück zwingen will die Agentur die Ärzte nicht. Viel lieber möchte man aufklären. Barge unterstreicht aber, dass Patienten von ihren Medizinern verlangen können, ein Dokument binnen zwei Wochen zu hinterlegen. So könnten die Patienten dem DSP Gewicht verleihen.
Sicher und elegant
Aber wie kommunizieren Ärzte ihre Berichte und Daten untereinander, wenn nicht über DSP? Im Prinzip müssten sie dafür die gesicherten E-Mails der „E-Santé“ benutzen, schreibt Barge. In den Krankenhäusern sei das „Chose faite“. Alle Krankenhäuser tauschten sich über das sichere System aus. „Bleibt das Problem, dass Ärzte nach wie vor personenbezogene medizinische Daten ungesichert übermitteln, was schwer zu kontrollieren ist, aber dafür sind sie allein verantwortlich, denn seit einigen Jahren gibt es ein kostenloses System – zugegebenermaßen etwas restriktiv, aber das ist der Preis für die Sicherheit –, das allen Betreuern zur Verfügung steht“, so Barge.
Steichen ist optimistisch, dass in Zukunft neue Tools herauskommen, um die Nutzung der Programme besser zu gestalten. „Ohne, dass Codes hin und her gereicht werden müssen und der Patient seinen Code parat haben muss.“ Insgesamt soll ein digitales Umfeld für Mediziner entstehen. „Wir erwarten, dass in Zukunft neben der elektronischen Patientenakte weitere Möglichkeiten entstehen. Derzeit gibt es zum Beispiel ein Pilotprojekt mit dem elektronischen Impfausweis. Das sind interessante Dinge, die dazu führen werden, dass die Kollegen verstärkt darauf zurückgreifen werden.“
* Dossier de soins partagé
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