Aktive Mitarbeit erwünscht / Elternvertretung schlägt drei Szenarien für die „Rentrée“ vor
Mit dem Kurs des Bildungsministeriums sei man mehr oder weniger glücklich, sagt Alain Massen, Präsident der „National Elterevertriedung“. Dennoch wolle man diesmal wirklich aktiv in die Planung des Ministeriums miteinbezogen werden. Im Tageblatt-Gespräch schlägt Massen gleich drei Szenarien vor, die je nach Infektionslage wie ein Baukastensystem angewendet werden könnten. Ein Bericht.
Alain Massen ist Präsident der „National Elterevertriedung“ und setzt sich für die Interessen der Eltern ein. „Das Schuljahr war ein Schuljahr wie kein anderes davor“, sagt er im Tageblatt-Gespräch. Es habe normal angefangen – und ab der zweiten Hälfte habe es „nur Chaos“ gegeben. „Niemand wusste, wann er wo dran war, weil sich ständig alles geändert hat.“ Für ihn bestand die Schwierigkeit darin, dass viele Konsequenzen mit den Entscheidungen einhergingen. Massen nennt die Schüler, die ein Examen machen mussten, andere mussten sich auf das „Lycée“ vorbereiten und wiederum andere hatten keine guten Noten am Anfang des Jahres und bekamen dann im zweiten Semester plötzlich das Gefühl, dass sie das nicht mehr auffangen könnten.
„Es ist eine Situation, wie sie noch niemand, der noch lebt, bislang erlebt hat“, sagt der Präsident. Es sei Neuland für das Bildungsministerium, aber auch für die Lehrer, Schüler und Eltern gewesen. Angesichts dieser Tatsche kann er verstehen, dass kein fertiger Plan in der Schublade lag, den man hätte herausholen und anwenden können. Man musste Navigation auf Sicht machen. Jede Woche kamen neue Informationen dazu, die Zahl der infizierten änderte sich und stets tauchten neue und unterschiedliche Studien zur Infektiösität auf. „Man kann dem Ministerium nicht vorwerfen, es hätte sich keine Gedanken gemacht oder es hätte nichts probiert.“ Einfache Lösungen habe es keine gegeben, sagt Massen. Die Schule bis September geschlossen zu halten oder die Schulen trotz Virus ganz normal weiterlaufen zu lassen, das seien zwei extreme Lösungen, die der Sache nicht Rechnung getragen hätten. Deshalb sei er mehr oder weniger glücklich mit den Zwischenlösungen, die das Bildungsministerium erlassen hat.
Kritik an Informationspolitik
Die Informationen, die an die Eltern gegangen sind, waren nicht immer ganz klar und kohärent, eher konfusPräsident der Elternvertretung
Dennoch gab es aus Sicht der nationalen Elternvertretung einige Punkte, die man kritisieren sollte. Dies betreffe einerseits die Kommunikation des Bildungsministeriums. „Die Informationen, die an die Eltern gegangen sind, waren nicht immer ganz klar und kohärent, eher konfus.“ Zur Informationspolitik zählt Massen Pressekonferenzen, die abgehalten wurden, Mails, die verschickt wurden, Zeitungsartikel mit neuen Meldungen sowie Einträge auf der Webseite des Ministeriums. „Das hat sich nicht immer alles gedeckt und viele Fragen blieben offen.“ Bis zur nächsten Etappe seien die Fragen dann nach und nach beantwortet worden.
Das Problem der Sprachen
Ein anderes Problem nennt Massen die Sprachen. Damit sei er als Präsident der Elternvertretung oft konfrontiert worden. „Da kamen so viele Anfragen von Eltern, die kein Luxemburgisch oder Französisch verstehen.“ Die Pressekonferenzen seien ja auf Luxemburgisch und in französischer Übersetzung verfügbar gewesen. Aber viele Leute in Luxemburg sprechen keine der beiden Sprachen, sagt Massen.
Meisch bezieht Akteure nicht mit ein
Kritik der nationalen Elternvertretung gibt es ebenfalls für das Vorgehen des Bildungsministers Claude Meisch (DP) bei der Partizipation. „Das Einbeziehen aller Akteure wäre bei der Aufstellung der Pläne sinnvoll gewesen“, sagt Massen. Der Minister habe sich zwar regelmäßig bei ihm gemeldet, doch leider immer erst dann, wenn die Pläne schon feststanden. Tröpfchenweise sei vom Ministerium über die neuen Pläne kommuniziert worden und irgendwann haben die Eltern, Lehrer und Gemeinden das fertige Produkt vorgelegt bekommen. Mit den Gemeinden sei wahrscheinlich schon darüber diskutiert worden, meint Massen, um die Umsetzung oder Machbarkeit zu erörtern. Mit den anderen Akteuren aber nicht.
Das Einbeziehen aller Akteure wäre bei der Aufstellung der Pläne sinnvoll gewesenPräsident der Elternvertretung
Massen findet diese Vorgehensweise sehr schade. Er sagt, dass Eltern sehr viele Fragen an ihn gerichtet hätten. Insbesondere nach Pressekonferenzen, wo die Pläne vorgestellt wurden, sei er kontaktiert worden. Dies hätte man vermeiden können und die Fragen und Anliegen der Akteure in den Entwicklungsprozess der Pläne mit einbeziehen können. Massen bedauert, dass Eltern und Lehrer kein Teil der Arbeitsgruppe oder Task Force des Bildungsministerium seien. Diese Fragen würden schließlich fast die ganze Gesellschaft betreffen, weil viele an das schulische Konzept gebunden seien. Das seien nicht nur Schüler, Lehrer und Eltern, sondern auch die Arbeitgeber und andere Akteure.
Plan für die „Rentrée“
Der Präsident der Elternvertretung kann sich vorstellen, dass das Bildungsministerium jetzt schon dabei ist, an einem Plan für die „Rentrée“ zu arbeiten. Bis jetzt sei er noch nicht kontaktiert worden. Zum letzten Mal habe er den Bildungsminister nach der Aufhebung des Splittings gesehen. Dort meinte Meisch, dass man sich im August zusammensetzen werde. „Die Frage ist nur, ob wir mitarbeiten dürfen, oder ob wir lediglich über das Vorhaben informiert werden.“ Massen sagt klar und deutlich: „Wir wollen mitarbeiten. Wir sind 12 Vertreter, eingeteilt in Grundschule, Sekundarunterricht und Kompetenzzentren.“ Er vertritt die Meinung, dass man jeden dieser drei Bereiche einzeln betrachten und nicht ein System für alles entwickeln sollte. Die drei Bereiche haben laut Massen unterschiedliche Funktionsweisen und Voraussetzungen. Zudem habe sich mittlerweile herausgestellt, dass Jugendliche einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt seien als Kinder.
Die Frage ist nur, ob wir mitarbeiten dürfen, oder ob wir lediglich über das Vorhaben informiert werdenPräsident der Elternvertretung
Drei unterschiedliche Szenarien
Unabhängig von den drei Bereichen schlägt Massen unterschiedliche Szenarien vor. Da man nicht wisse, wie die Situation Mitte September sein werde oder zwei Wochen nach der „Rentrée“, sei es wichtig, einen Plan A, B und C zu haben. Somit könne man, je nach Situation, schnell zwischen den Szenarien hin und her switchen. Die Situation könne sich nach der Rückkehr der Urlauber aus dem Ausland verändern. Durch die vielen Restriktionen und dadurch bedingte veränderte Urlaubsgewohnheiten könnten Wissenschaftler seiner Meinung nach nichts genau vorhersehen. Szenario A könnte man demnach einsetzen, wenn alles relativ „normal“ sei. Hier gebe es gewisse Hygiene-Maßnahmen, die eingesetzt werden. Ansonsten laufe der Unterricht relativ normal. Plan B könnte eingesetzt werden, falls sich die Situation verschlechtert. In etwa wie jetzt zum aktuellen Stand, sagt Massen. Hier könne es jederzeit „wackeln“, man sollte gut aufpassen, aber man sollte nicht in Panik verfallen. Szenario C wäre anzuwenden, wenn wir in der Katastrophe stecken, sagt Massen. Diese drei Szenarien müssten nun ausgearbeitet werden, so der Vorsitzende der Elternvertretung.
In der Grundschule
In der Grundschule hält Massen ein Splitting für wenig sinnvoll, vorausgesetzt, dass man sich nicht im Szenario C befindet. Denn die Klassen seien hier allgemein eher kleiner und durch eine eventuelle Maskenpflicht in der Klasse könnte man für den nötigen Schutz sorgen. Das Splitting in der Grundschule würde weitere Maßnahmen nach sich ziehen, wie die Betreuung der Kinder in der Übungswoche. Um dieser Problematik zu entfliehen, sei das Splitting bis auf Szenario C besser zu vermeiden.
War es ein Experiment, um zu sehen, was es ausmachen wird? Ich kann das nicht sagen.Präsident der Elternvertretung
In den Lyzeen
Anders sehe es laut Massen in den Lyzeen aus. Dort seien die Klassen allgemein größer, es würden mehr Leute in den Gebäuden verkehren, es gebe auch mehr Wechsel von Klassenräumen und Lehrern. Hier sollte man vielleicht eher über ein Splitting nachdenken. Die Betreuung von Jugendlichen in der Übungswoche sei zudem weniger problematisch als jene bei Kindern im Grundschulalter. Insbesondere bei den Eltern von „Lycée“-Schülern sei die Skepsis bei der Aufhebung des Splittings groß gewesen, sagt Massen. Nach den Prüfungen wurde vielerorts nur noch wenig gearbeitet. Das hätten viele Eltern nicht eingesehen. Der Elternvertretung wäre es auch lieber gewesen, das Splitting bis zu den Sommerferien beizubehalten. „War es ein Experiment, um zu sehen, was es ausmachen wird?“, fragt Massen. „Ich kann das nicht sagen.“
Homeschooling
Die Jugendlichen müssten im Homeschooling gezielt betreut werden. „Damit die Schüler in der Übungswoche zu Hause keine Ferien machen und ins Hintertreffen geraten“, sagt er. Dazu müsste eine Truppe an Lehrkräften bereitstehen, die das Homeschooling betreuen. Und das Ministerium sollte allen Schülern die nötigen technischen Voraussetzungen ermöglichen. Dazu gehören Tablets und Zugang zum Internet. Homeschooling per Smartphone sei wenig sinnvoll.
Man sollte praktisch parallel ein anderes Schulsystem bereitstellen können, das jederzeit dazugeschaltet werden kann.Präsident der Elternvertretung
Für Massen sollte das Homeschooling keine Eintagsfliege sein. Das Bildungsministerium habe eine gute Webseite mit vielen Übungen eingerichtet. Darin müsse nun weiter investiert werden. Das Ganze sollte ausgebaut werden. „Man sollte praktisch parallel ein anderes Schulsystem bereitstellen können, das jederzeit dazugeschaltet werden kann.“ Man wisse ja nicht, wie lange Corona uns noch begleiten werde, so der Präsident. Auch ohne Corona habe ein solches System einen Nutzwert. Angelehnt an das Homeoffice könne er sich vorstellen, in Zukunft auch einen Tag Homeschooling für Schüler einzuführen, an dem diese eigene Recherche betreiben könnten und lernen, autonom zu arbeiten. Oder für Leute, die arbeiten und parallel lernen wollen. Oder für Menschen mit Verhaltensauffälligkeiten, die nicht in einer Schule betreut werden.
Jene, die im Homeschooling nichts gemacht haben, haben auch eher nicht an der Umfrage teilgenommenPräsident der Elternvertretung
Zur generell positiven Auswertung des Homeschoolings durch das Ministerium möchte Massen Folgendes anmerken: „Jene Leute, die an der Umfrage teilgenommen haben, sind eher Menschen, die sich dafür interessieren und die sich auch darin investiert haben.“ Das drehe das Resultat natürlich ins Positive. „Jene, die im Homeschooling nichts gemacht haben, haben auch eher nicht an der Umfrage teilgenommen.“ Und genau das sei der Teil der Gesellschaft, den man nicht verlieren dürfe. Deshalb fordert Massen eine gezielte Betreuung im Homeschooling. Auch dies müsse ausgebaut werden.
Corona in der Schule
Die Corona-Pandemie beeinflusst viele Bereiche unseres Lebens. Insbesondere in den Schulen hat die Politik im Laufe der Krise immer wieder verschiedene Wege eingeschlagen und für viel Diskussionsstoff gesorgt. Wir lassen in unserer Serie „Corona in der Schule“ verschiedene Akteure des Bildungswesens zu Wort kommen, die uns über ihre Erlebnisse der letzten Wochen vor den Sommerferien berichten und uns Einschätzungen geben, wie es zur „Rentrée“ im September weitergehen könnte.
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