Fall Sarah B. / Engagiertes Paar wirft Gefängnisverwaltung Verstoß gegen Menschenrechte vor
Werden der Inhaftierten Sarah B. in Schrassig Grundrechte verweigert? Das Paar Lucien und Colette Schumacher erhebt Anschuldigungen gegen die Gefängnisverwaltung. Parallel zum Engagement des Paares ließ die Vereinigung „Eran, eraus, an elo?“ ein Rechtsgutachten zu dem Fall erstellen.
2015 ging die kleine Bianka spurlos verschwunden. Von ihr (oder ihrer Leiche) fehlt bisher jede Spur. Ein Gericht sah die Schuld der Mutter als erwiesen an und verurteilte sie zu 30 Jahren Haft, indessen die Staatsanwaltschaft nur 15 Jahre gefordert hatte. Die Angeklagte hatte damals darauf verzichtet, Berufung einzulegen. „Die Frau tickt eben nicht so wie wir“, sagt Christian Richartz, Präsident der Vereinigung „Eran, eraus, an elo?“. Schon bei der Urteilsverkündung hatte er damals gemeint, die Frau gehöre nicht in Haft, sondern eher in eine psychiatrische Anstalt.
„Juristisch gesehen ist die Sache gegessen“, sagt Richartz. Das Urteil sei rechtskräftig und weitere rechtliche Schritte seien nun nicht mehr möglich. Vom menschlichen Standpunkt sei aber wohl noch einiges zu sagen. „Die Monstermutter, die ihr Kind aufgegeben hat, ist schließlich auch ein Mensch.“
Dieser Meinung sind auch Colette und Lucien Schumacher. Die beiden begannen, die Inhaftierte zu besuchen. Sie sagen sich erstaunt bis schockiert darüber, dass die junge Frau quasi komplett abgeschottet von der Außenwelt lebt. „Sogar Zeitungen – nicht mal die Gratiszeitung L’ Essentiel – sind ihr nicht gestattet.“ Die Inhaftierte werde sich selbst überlassen, erzählt Colette Schumacher. Das sehe man u.a. auch an ihrer schlechten Zahnhygiene. „Ihre Zähne sind fast komplett schwarz.“
Ihr Besuchsrecht sei ihnen mittlerweile entzogen worden. Den Grund dafür sehen die beiden in kritischen Äußerungen gegenüber der Gefängnisleitung in ihren Briefen. Diese seien von der Gefängnisverwaltung geöffnet worden, was in den Augen des Paares Schumacher ein klarer Verstoß gegen die Menschenrechte darstellt. Für sein Besuchsrecht will das Paar weiterkämpfen.
Grundsätzliche juristische Fragen
Obwohl an dem Urteil selbst nichts mehr zu ändern sei, stellten sich wohl einige grundsätzliche Fragen zum Urteil. Mit diesem sei die Justiz an das äußerte Limit gegangen, um die Frau zu bestrafen, meint Christian Richartz. Seine Vereinigung hat ein Rechtsgutachten erstellen lassen, was allerdings nicht einfach gewesen sei. „Es gibt kaum noch Anwälte, die sich trauen, die Justiz zu kritisieren.“ Der, der ihnen schließlich das Gutachten erstellte, tat dies unter der Bedingung, dass sein Name unerwähnt bleibt.
Dass durch das Gutachten große Skandale aufgedeckt würden, habe man nicht erwartet. Der Rechtsexperte habe allerdings keinen vergleichbaren Fall in Europa gefunden, bei dem einerseits die Staatsanwaltschaft fünfzehn Jahre Haft fordert, die Richter aber fünfzehn (15!) Jahre mehr verhängen. Der Grund dafür sei, dass die Richter den Fall am Ende anders bewerteten als die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage. Das sei zwar im Rahmen des Gesetzes, aber bedenklich, weil es sei nämlich nicht klar, ob die Angeklagte überhaupt gewusst habe, dass die Vorwürfe gegen sie geändert hätten.
Anderer Kritikpunkt: Obwohl die Frau vorher nie verurteilt worden war, muss sie die ganze Strafe – ohne Bewährung – absitzen. Dies sei alleine darauf zurückzuführen, dass sie nicht zu ihrem Prozess erschienen war. Kritisiert wird auch die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft nicht gegen das Urteil in Berufung ging, obwohl sie die Möglichkeit dazu hatte.
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