Entwicklungshilfe / „Engineers Without Borders“ aus Luxemburg bringen ökologische Technik in die Dritte Welt
Als Student im Fach Ingenieurwesen andere Länder bereisen, andere Kulturen kennenlernen und sein theoretisches Wissen zum ersten Mal praktisch umsetzen, das will „Engineers Without Borders Luxembourg“ (EWB). Corona hat dem Wissenstransfer auf Freiwilligenbasis zwar Grenzen gesetzt. Der Wille, an technischen Lösungen zu tüfteln, ist nach wie vor ungebrochen.
Für Yasmine el Omari (29) sind die „Engineers Without Borders“ (EWB) ein Glücksfall. Sie ist noch Studentin an der Uni.lu in einem Austauschjahr, als sie Schülern in Marokko warmes Wasser bringt. Es ist eine ländliche Region, wo es keine Schulbusse gibt. Drei Stunden Fußmarsch zur Schule sind keine Seltenheit. In Zerkten, nahe Marrakesch, gibt es ein Internat. Der dazu gehörende Hammam soll mit erneuerbaren Energien geheizt werden.
Das Gemeinschaftsbad ist neben der Dusche fester Bestandteil der Körperpflege. Üblicherweise dient Holz dazu, das Wasser zu erwärmen. Abholzung in einer ehedem schon wenig bewachsenen Landschaft ist die Regel. „Engineers Without Borders Luxembourg“ installiert ein Solarthermie-System auf dem Dach der Schule, Omari leitet das Projekt. Sie spricht Arabisch und hat marokkanische Wurzeln. Seit 2018 können die 400 Grundschüler dort baden.
Ein Unternehmen vor Ort baut und installiert die Paneele. Die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern gehört zur Philosophie der Organisation. Es bleibt der einzige Auslandseinsatz für Omari und eine wertvolle Erfahrung. „Ich konnte das Projekt von der ersten Kalkulation bis zum Ende begleiten“, sagt die Bauingenieurin, die heute in Paris lebt und in einem Architekturbüro arbeitet.
Fidschi, Marokko oder Indien: von der Theorie zur Praxis
Ein auf Energietechnik spezialisierter Maschinenbauer aus Trier hat die Organisation 2013 in Luxemburg gegründet. In dem Jahr kommt David Norta (35) mit einem Stipendium vom „Fonds national de la Recherche Luxembourg” (FNR) als Doktorand nach Luxemburg, um seine Arbeit in Kooperation zwischen der Uni.lu und der „Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule“ (RWTH) Aachen zu schreiben. An der RWTH hat er zuvor einen Abschluss als Energietechniker erworben.
„Ich wollte keine Zeit damit verschwenden, etwas zu studieren, was nicht gegen den Klimawandel hilft“, sagt er. Er promoviert mit einer Entwicklung zu Wasserturbinen, die in Flüssen installiert Energie produzieren. Er kennt „Engineers Without Borders“ aus Deutschland und baut mit Mitstudenten und Freunden die Organisation in Luxemburg auf.
Das erste Projekt ist auf den Fidschi-Inseln im Pazifik, wo Strom nicht aus der Steckdose, sondern von Generatoren kommt. Sie werden mit Diesel betrieben, der lange Wege über das Meer hinter sich hat und den Strom unglaublich verteuert. „Die Einwohner zahlen in entlegenen Dörfern umgerechnet 1,00 Euro für eine Kilowattstunde Strom“, sagt Norta. „In Deutschland kostet die gleiche Menge rund 30 Cent.“ Die Insulaner zahlen das Dreifache bei einem wesentlich niedrigeren Gehaltsniveau.
Sprachprobleme und interkulturelle Unterschiede
Die EWB-Freiwilligen installieren Fotovoltaik-Paneele für insgesamt rund 14.000 Euro auf einer der 300 Inseln des Inselstaates. Die Sonne ist umsonst, der Dieseltransport wird unnötig. Die Herausforderungen sind enorm. „Es gibt keine gut sortierten Baumärkte in diesen Ländern“, sagt Norta. Material zu beschaffen, ist schwierig, Sprachprobleme, mangelndes technisches Verständnis und eine andere Kultur kommen hinzu.
Norta hat Erfahrung damit, denn eines seiner ersten Projekte in Indien scheitert daran. Die europäischen Konstruktionspläne überfordern die Bauarbeiter vor Ort. Sie sind mit der landesüblichen Bauweise nicht vereinbar. Das Waisenhaus „St. Anthony’s Orphanage“ im indischen Adoni hat nach dem Einsatz der EWB-Ingenieure zwar ein Monsun-sicheres Dach, neue Fenster und neue Stromleitungen. Der Bau einer Toilettenanlage aber klappt nicht.
„Das war schon oft ‚lost in translation’, weil wir nicht wussten, ob richtig übersetzt wird“, sagt Norta. Die asiatische Kultur des Nicht-Nein-Sagen-Wollens, weil es als unhöflich gilt, kommt hinzu. Seine Einsicht: „Es macht keinen Sinn, mit Plänen aus Europa loszuziehen“, sagt er. „Wir müssen die Fähigkeiten vor Ort gleich bei der Planung einbeziehen.“
Reisen nicht möglich, aber tüfteln
Der Wissenstransfer hat nach Projekten der EWB Luxembourg in Kolumbien, Fidschi, Marokko und Indien mit Covid-19 ein abruptes Ende gefunden. Umso ungebremster läuft die vorbereitende Entwicklungsarbeit in Luxemburg. Die Technik für eine Anlage, um auf der kolumbianischen Isla de San Andrés Trinkwasser aus dem Meer zu gewinnen, entsteht in Luxemburg und wird hier getestet.
Aquaponik ist ein weiterer Punkt. Das Verfahren, das Fischzucht und Gemüseanbau in einem Kreislaufsystem ermöglicht, ist das Steckenpferd von Max Schmit (35). Der Luxemburger ist Präsident Nortas Vize bei EWB Luxemburg. Er hat Mechatronik an der Uni.lu studiert und macht über Fernstudium an der Universität Stuttgart gerade einen Master in „grünem“ Innovations- und Technologiemanagement.
Da er schon arbeitet – er managt für den CIGL Esch die „Camping’s Stuff“ auf dem „Gaalgebierg“ – und derzeit nicht reisen kann, tüftelt er. Er ist dabei, die Aquaponik-Anlagen in Größe und Technik an die Bedingungen in Entwicklungsländern anzupassen. Die Idee ist, die Bevölkerung so ressourcenschonend mit Nahrung zu versorgen.
Es ist das Einzige, was gerade möglich ist. Die Arbeit der grenzenlosen Ingenieure hat mittlerweile Grenzen. „Wir machen aktuell mehr Beratung als Arbeit vor Ort“, sagt Schmit. EWB-Präsident Norta prophezeit „sogar mehrere Jahre“, bevor der nächste Einsatz im Ausland möglich ist. Das zeigt, dass die freiwillige Entwicklungshilfe vor Ort einer der großen Verlierer der Covid-19-Krise ist – von dem Verlust für die Studenten ganz zu schweigen.
Engineers Without Borders Luxembourg
Die Organisation mit rund 20 zahlenden Mitgliedern finanziert sich über Spenden. Die Fluggesellschaft „Emirates“ spendet kostenlose Flüge für die Freiwilligen, die Unterbringung erfolgt bei Projektpartnern vor Ort. Die bislang größte Spende kam von der „Œuvre nationale de secours Grande-Duchesse Charlotte“. Für 70.000 Euro hat EWB im Projekt „Mateneen“ Workshops veranstaltet und Flüchtlingen die Technik für Solarthermie, Meerwasserentsalzungsanlagen oder Aquaponik-Anlagen nähergebracht.
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DAS ist der richtige Weg. Und jetzt noch über Geburtenkontrolle reden dann kommen wir weiter.