Großbritannien / Englische Polizei rüstet sich für weitere schwere Krawalle
„Die Vorhersage ist düster“ – mit dieser Aussage haben hohe Polizeibeamte die Briten am Mittwoch auf anhaltende Unruhen im Land eingestimmt. Gleichzeitig beteuerten Regierung und Sicherheitskräfte, sie seien auf alle Eventualitäten vorbereitet.
Für den Abend hatten Rechtsextremisten seit mehreren Tagen zu Angriffen mit Molotow-Cocktails auf Flüchtlingshelfer und Asyl-Anwälte aufgerufen; die Rede war von gewalttätigen Protesten gegen Immigranten in bis zu 30 englischen Städten. Um im Zweifelsfall rasch die örtlichen Kollegen unterstützen zu können, postierte die Polizei mobile Hundertschaften an strategisch günstigen Autobahn-Auffahrten. „Wir werden alle gesellschaftlichen Gruppen beschützen“, versicherte Premierminister Keir Starmer.
Seit mehr als einer Woche ziehen die Protestierer, fast ausschließlich weiße Männer, nicht nur wahllos durch englische Innenstädte, zünden Polizei- und Privatautos an und plündern Geschäfte. Mittlerweile häufen sich auch Berichte von gezielten Angriffen auf Menschen mit schwarzer und brauner Hautfarbe. Immer wieder sind Moscheen das Ziel von Märschen, zu denen unter dem Motto „Schützt unsere Kinder“ aufgerufen wird.
Damit wird auf den Amoklauf von Southport bei Liverpool Ende Juli Bezug genommen. Dort hatte ein knapp 18-jähriger Mann mit ruandischen Wurzeln drei weiße Mädchen im Alter von sechs, sieben und neun Jahren erstochen sowie zehn weitere Menschen teils schwer verletzt. Der mutmaßliche Täter sitzt in Haft. Gezielte Falschmeldungen im Netz identifizierten den in Großbritannien geborenen Mann als Muslim und kürzlich angekommenen Asylbewerber. Auch wurde, unter anderem vom nationalpopulistischen Abgeordneten Nigel Farage, fälschlich behauptet, der Täter sei bereits als Extremist unter Beobachtung des Geheimdienstes gestanden.
X-Chef Elon Musk gießt Öl aufs Feuer
Zur Mobilisierung der gewalttätigen Straftäter tragen die sozialen Netzwerke bei. Auf Telegram kursierte eine Liste mit 39 Adressen von Organisationen und Anwälten, die sich für Asylbewerber einsetzen. Auf X faselte dessen Besitzer Elon Musk von einem „unvermeidlichen Bürgerkrieg“ und griff die Regierung an, diese behandele Proteste unterschiedlicher Gruppierungen unterschiedlich. „Völliger Unsinn“, teilte Londons Polizeipräsident Mark Rowley mit: Die Polizeiarbeit auf der Insel geschehe ohne Ansehen der Person. Gegen die rassistischen Krawalle werde man „mit Behändigkeit und überwältigender Zahl“ vorgehen. Der Chef der bei weitem größten Polizeibehörde des Landes hat mehrere Hundert Beamte in Englands Norden geschickt, weil es in der Hauptstadt selbst bisher ruhig blieb. Auch Wales und Schottland blieben von den Krawallen verschont.
Organisationen wie „Stand up to racism“ mobilisierten für Mittwochabend zu Gegendemonstrationen vor den im Internet genannten Asylzentren und Anwaltskanzleien. Zusätzlich ist für Samstag eine Großdemonstration in London geplant. Man wolle „die Solidarität mit Muslimen, Migranten und Andersfarbigen“ ausdrücken, hieß es in dem Aufruf unter dem Banner „Flüchtlinge willkommen“. Genannt wurden mehrere Adressen in London, aber auch in Städten wie Liverpool, Derby und Southampton. Damit handeln die linken und muslimischen Aufrufer gegen die ausdrückliche Bitte der Polizei.
Deren Sorge vor einer Eskalation durch Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Gruppen bewahrheitete sich zu Beginn der Woche bereits in mehreren Städten. Am Rande einer Kundgebung im südenglischen Plymouth, bei der Menschen gegen die Rassisten und Rechtsextremen demonstrierten, kam es am Montagabend zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Erste Randalierer verurteilt
In Bordesley Green, einem Stadtteil der mittelenglischen Metropole Birmingham mit hohem Muslimen-Anteil, hinderten maskierte Motorradfahrer ein Fernsehteam an der Arbeit. Die Reporterin von Sky News war vor Ort, weil im Internet Gerüchte über einen rechtsextremen Angriff auf das islamische Zentrum kursiert waren und sich junge Männer, vorgeblich zu dessen Schutz, versammelten. Später griff ein maskierter Mob im benachbarten Stadtteil Yardley das örtliche Pub The Clumsy Swan an, wo sich friedfertige Trinker hinter verbarrikadierten Türen verschanzen mussten. Ein Mann wurde zusammengeschlagen und mit Fußtritten traktiert. Tags darauf erschien eine Delegation der örtlichen Moschee, um sich zu entschuldigen. Die Polizei ermittelt wegen schweren Landfriedensbruchs und Körperverletzung.
Unterdessen geht die Bestrafung der weit über 500 bisher Festgenommenen weiter. Ausdrücklich setzen der frühere Chef-Staatsanwalt Starmer und seine Regierung auf Abschreckung der Straftäter, zu denen auch Kinder und Jugendliche zählen. Weil er einem Polizisten ins Gesicht geschlagen hatte, erhielt ein 58-Jähriger im Krongericht Liverpool eine Freiheitsstrafe von drei Jahren. Zwei Spießgesellen wurden wegen schweren Landfriedensbruchs zu 30 und 20 Monaten Haft verurteilt. Bei entsprechender Schwere der Tat werde er auch „Anklage wegen Terrordelikten“ erheben, kündigte der Leiter der Staatsanwaltschaft von England und Wales, Stephen Parkinson, an.
Düster ist die Vorhersage zunehmend auch für den Einzelhandel. Viele Shopper meiden die englischen Innenstädte, in Manchester und Nottingham waren am Wochenende 20 Prozent weniger Menschen unterwegs als normalerweise.
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