Luxemburg / Engpässe, aber kein Notstand: Wie Apotheken mit Lieferproblemen bei Medikamenten umgehen
Seit einigen Jahren sind Lieferengpässe von Medikamenten immer wieder Thema. Auch Luxemburg bleibt davon nicht verschont, wie die Nachfrage bei Verantwortlichen aus dem Gesundheitssektor zeigt.
Mit dunklen Regenwolken und Schmuddelwetter ist der Herbst so richtig in Luxemburg angekommen. Kein Wunder, dass momentan viele mit kleineren, viralen Infekten zu kämpfen haben – wie sie für die Saison üblich sind. „Aktuell sind viele mit Halsschmerzen geplagt. Fälle von Gastro sind eigentlich immer dabei“, erklärt die Vizepräsidentin des Syndikates der Luxemburger Apotheken, Danielle Becker-Bauer. Auch gab es laut Luxemburger Santé in den letzten Wochen wieder mehr Erkältungen und Covid-Erkrankungen – wobei in Bezug auf letztere die Situation noch nicht vergleichbar mit der vom letzten Winter ist.
Doch die Menschen in Luxemburg kränkeln – und nachdem ein Mangel an Medikamenten bereits in der vergangenen Zeit Thema war, gibt es erneut Engpässe. Besonders Antibiotikum ist dem „Syndicat des pharmaciens luxembourgeois“ und dem Gesundheitsministerium zufolge knapp. Letzteres weist darauf hin, dass die angespannte Lage potenziell alle Arzneimittel betrifft. Danielle Becker-Bauer, die seit 35 Jahren in dem Bereich arbeitet und eine Apotheke in Bettemburg besitzt, stellt fest: „In all den Jahren habe ich noch keine Situation wie diese erlebt.“
Wie das Gespräch mit der Apothekerin und die Nachfrage bei der Santé zeigen, sind mehrere Gründe für die angespannte Versorgungslage verantwortlich: Erst während Covid und dann durch den Krieg in der Ukraine wurde unter anderem wegen der steigenden Energiepreise weniger produziert. Fabriken machten dicht. Insgesamt werden inzwischen weniger – für die Arzneimittelherstellung nötigen – Grundstoffe produziert. Eine geringe Anzahl an Herstellern muss also eine große Nachfrage decken.
Panik vermeiden
Beim Gesundheitsministerium weist man noch darauf hin, dass auch die Herstellung von Verpackungen – aus Glas oder Karton – leidet. Außerdem gab es logistische Probleme mit den Lieferungen aus den Ländern außerhalb der Europäischen Union, in denen unter niedrigeren Kosten produziert wird. „Die typische Problematik einer globalisierten Welt. Wir sind abhängig von anderen Ländern“, sagt Danielle Becker-Bauer und nennt als Beispiel auch Masken und Tests, die zu Beginn der Pandemie von China aus importiert werden mussten.
Außerdem werden vor allem die Länder bedient, in denen die Preise für Medikamente höher ausfallen. „In der Pharmaindustrie wird knallhart kalkuliert“, erklärt Danielle Becker-Bauer. Die Preisstruktur in Luxemburg definiert sich zum Großteil über den Markt in Belgien, zu einem kleineren Teil dann auch über die Märkte in Deutschland und Frankreich. Damit liegen die Preise in den Apotheken des Großherzogtums laut Danielle Becker-Bauer in einem „normalen“ Schnitt. Grund zur Nervosität sei das nicht, erklärt die Apothekerin und weist darauf hin, dass es ausgehandelte Mengen an Arzneimitteln gibt, die jedem Land zustehen.
Allgemein ist man bei dem Apothekenverband darauf bedacht, keine unnötige Panik zu schüren. So beruhigt Danielle Becker-Bauer: „Letzten Winter haben wir Lösungen gefunden und können auch jetzt stets Alternativen anbieten. Es haben immer noch alle bekommen, was sie gebraucht haben.“ Die Lager seien entsprechend aufgestockt worden. Die Apothekerin rät dann auch dazu, sich bei Fragen an die Spezialistinnen und Spezialisten in den Gebäuden mit dem grünen Kreuz zu wenden. Da dort Ausweichmöglichkeiten gefunden werden können und sich innerhalb des Apothekennetzwerkes untereinander ausgetauscht wird.
Vorbereitet sein
Und auch auf nationaler Ebene will man sich vorbereiten. So hat es laut Danielle Becker-Bauer vor einigen Wochen ein Treffen mit der Gesundheitsbehörde gegeben, um festzulegen, was in einen nationalen Notvorrat gehört: zum Beispiel das Antibiotikum Amoxicillin, Ibuprofen oder auch Paracetamol. Durch den Aufbau einer solchen Reserve soll künftig schneller Alarm geschlagen werden können, bevor Medikamente nicht mehr auf Lager sind. An dem Pilotprojekt wird laut Gesundheitsministerium aktuell gearbeitet. Wann der Vorrat dann wirklich stehen könnte, ist noch nicht gewusst. Im kommenden Frühling soll das Projekt bewertet werden, um festzulegen, welche Anpassungen für die kommende Saison nötig sind.
Engpässe bei Impfstoff gegen das RS-Virus
Bei verschiedenen Arzneimitteln gibt es Engpässe und auch Impfstoff gegen RSV – ein Erreger von Atemwegserkrankungen bei Säuglingen – wird aktuell knapp. Obwohl laut Angaben des Gesundheitsministeriums Ende September 4.500 Dosen des Präventivmedikaments geliefert wurden, bestätigt die „Société luxembourgeoise de pédiatrie“, dass es momentan nicht genug Impfstoff gibt. Erklärend dazu heißt es: „Das liegt an der Firma, die für ganz Europa nicht auf einen Schlag genug Impfstoff zur Verfügung stellen kann. Die Auslieferung verläuft schleppend und mit Wartezeiten. Deshalb gibt es eine interne Verabredung, dass die Jüngsten und damit Vulnerabelsten zuerst versorgt werden.“ Da es aktuell noch nicht viele Infektionen mit dem Virus gibt, sieht die Gesellschaft für Pädiatrie zurzeit noch kein größeres Problem. An Eltern ist es der Rat, abzuwarten und sich von der Kinderärztin oder dem Kinderarzt informieren zu lassen, wann die nächsten Dosen bereitstehen. Auf Basis der Geburtenstatistik des vergangenen Jahres sind laut Santé bis Ende 2023 Lieferungen von insgesamt 8.000 Dosen geplant. Für die Jahre 2023 und 2024 wurden im Total 14.200 Dosen bestellt. Gegen Corona oder die Grippe sollte man sich indes problemlos impfen können.
Auf europäischer Ebene behält außerdem die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) die Verfügbarkeit von Medikamenten im Blick. Luxemburg ist an den Arbeiten der Agentur beteiligt, wie man bei der Santé erklärt: „Die zielen darauf ab, drohende Engpässe zu identifizieren und Maßnahmen zur Abhilfe vorzuschlagen, zum Beispiel der Rückgriff auf andere, gleichwertige Arzneimittel, Anträge auf eine Anpassung der Produktion bei der Industrie oder auch Handelsbeschränkungen.“ All diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass Engpässe in Zeiten von Erkältungen und Co. weniger Thema sind.
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