Editorial / Entzerrung von Sportkarrieren und Einführung des Safeguarding: Eine wichtige Trendwende
Mit 19 Jahren hat Céleste Mordenti im Herbst 2022 den Sprung in die Niederlande gewagt, wo sie sich neben ihrem Studium in Amsterdam auch auf ihre Kunstturn-Karriere konzentriert. Beim Verein „TurnZ“ hat sie die optimalen Trainingsbedingungen und Infrastruktur gefunden, um in ihrer Karriere im Hochleistungssport den nächsten Schritt machen zu können. Im Herbst hat sie bei der WM in Antwerpen im Alter von 20 Jahren dann auch ihre bisherige persönliche Bestleistung im Mehrkampf aufgestellt. Es ist ein Alter, in dem noch vor Jahren die Karriere im internationalen Kunstturnen nicht gerade erst an Fahrt aufgenommen hätte, sondern fast schon beendet gewesen wäre. Es sind jedoch längst nicht mehr die jungen Turnerinnen, die noch mitten in der Pubertät stecken, die das Teilnehmerfeld dominieren und sich die Medaillen schnappen.
Im weiblichen Kunstturnen ist nämlich in der rezenten Vergangenheit eine begrüßenswerte Trendwende eingekehrt, weg von einer Karriere, in welcher der Peak bereits vor dem Erwachsenenalter erreicht und mit Anfang 20 oftmals schon beendet war. So holte sich die Italienerin Vanessa Ferrari bei den letzten Olympischen Spielen in Tokio im Alter von 30 Jahren die Silbermedaille am Boden. Auch bei der letzten Europameisterschaft in Antalya waren die 31-jährige Rebecca Downie mit Silber und die 29-jährige Elisabeth Seitz mit Bronze am Stufenbarren bereits in einem Alter, in dem sie früher wohl eher schon als Turn-Omas beschrieben worden wären, wenn sie es denn überhaupt so lange geschafft hätten. Denn dem Training, das in vielen Fällen nicht an die Pubertät und die körperlichen Veränderungen angepasst war, mussten so manche Turnerinnen Tribut zollen und nicht zuletzt Verletzungen und mentale Folgen machten eine längerfristige Karriere unmöglich.
Fest steht, dass Kinder im Sport beschützt werden müssen, mehr noch diejenigen, die eine mögliche Hochleistungskarriere anvisieren, denn gerade sie verbringen viele Stunden in der Woche in den Trainingshallen. Wie fragil vor allem der Turnsport in dieser Sache ist, zeigt sich nicht nur an den vielen „Kinderkarrieren“, die schnell wieder beendet waren, sondern auch an den vielen internationalen Fällen von Gewalt – ob physisch, psychisch oder sexualisiert –, die in den letzten Jahren publik geworden sind. Da ist es zu begrüßen, dass Hochleistungskarrieren vom Alter her immer mehr entzerrt werden. Doch nicht nur der Turnsport ist von solchen Fällen betroffen. In Luxemburg wurde in dieser Hinsicht nun ein längst überfälliger Schritt eingeleitet, denn die luxemburgische Anti-Doping-Agentur ALAD soll sich in Zukunft um den Bereich des Safeguarding kümmern und zu einer Anlaufstelle für Opfer von Gewalt im nationalen Sport werden. Denn dass das Großherzogtum in diesem Bereich keine Insel ist, dürfte allen Verantwortlichen klar sein, auch wenn es bisher keine Studien zu diesem Thema gibt. Stellt sich nur die Frage, ob sich die Verantwortlichen wirklich bewusst sind, wie viel hier tatsächlich investiert werden muss.
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